Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Ich denke, das Thema Wirtschaft – und der Herr Ministerpräsident hat hier viele Einzelpunkte genannt – ist einer der entscheidenden Punkte, um dieses von mir postulierte und vom Ministerpräsidenten dargestellte Attraktivmachen des Landes tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen.

Aber lassen Sie mich auf der anderen Seite auch noch auf das Thema Geld eingehen: Herr Holter, Sie haben hier viele schöne Dinge gesagt, die sich auf den ersten Blick sehr gut anhören, dass wir ja erst einmal Zielvorstellungen entwickeln müssten und wir dann gucken müssten, ob wir so etwas auch verwirklichen können. Das mag ja vom Verfahren her eine denkbare Vorgehensweise sein. Ich glaube aber, wir werden nicht umhinkommen und auch Sie werden letztendlich nicht umhinkommen, schöne Idealvorstellungen an den Möglichkeiten der Realisierung zu messen.

Und zur demografischen Entwicklung, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört natürlich auch, dass wir sehr klar sehen, dass sich die Einnahmesituation des Landes Mecklenburg-Vorpommern durch diese demografische Entwicklung verschlechtern wird. Das ist ein Faktum. Wir würden, denke ich, leichtfertig handeln, wenn wir dieses Faktum nicht in unsere Betrachtungen mit einbeziehen. Und das ist genau das, wo wir uns offenkundig unterscheiden.

Aber mindestens genauso wichtig, und das ist etwas, worauf ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist

das Thema der Aufgaben- und der Ausgabenseite. Ich glaube, dass in der öffentlichen Diskussion häufig sehr leichtfertig argumentiert wird. Aus der Tatsache, dass die Zahl der Bevölkerung zurückgeht, werden dann bestimmte Dinge hergeleitet: Alles werde billiger oder vieles werde teurer. Ich glaube, dass gerade hier der Bericht, den die Landesregierung uns vorgelegt hat, einen ganz besonderen Wert hat, einen ganz besonderen Wert, weil sie von solchen vereinfachenden Darstellungen runtergeht und hier eine differenzierte Betrachtung vorlegt, die wir in der Tat auch anstellen müssen.

Wir alle wissen, die Nachfrage nach sozialer Infrastruktur wird sich dank des demografischen Wandels verändern. Das ist eine Binsenweisheit. Aber wie sieht dies konkret aus? Wie sieht die Nachfrage nach sozialer Infrastruktur der Zukunft aus? Ich will das an einem Beispiel deutlich machen: Hier ist von mehreren Rednern vor mir das Thema Rufbus und ÖPNV in ländlichen Räumen der Zukunft angesprochen worden. Auf der anderen Seite höre ich, wie denn die Inanspruchnahme solcher Modellprojekte eigentlich aussieht. Und dann wird sehr schnell deutlich, dass sich hier die einfachen Antworten verbieten, dass wir hier eine sehr sorgfältige und sehr differenzierte Betrachtung anstellen müssen.

Aber, meine Damen und Herren, da ich schon beim Thema ländliche Räume bin,

(allgemeine Unruhe)

sei mir noch ein Bezug zu einer aktuellen Diskussion gestattet. In den ländlichen Räumen mit ihrer sehr dünnen Besiedlung und mit der Tendenz, dass diese Bevölkerungsdichte noch weiter abnimmt, zeigt sich für mich sehr deutlich, dass uns ein alleiniges Setzen auf privatwirtschaftliche Lösungsmechanismen nicht weiterbringt. Der Markt regelt hier weiß Gott nicht alles. Ich halte es für dringend erforderlich, dass hier Städte, Gemeinden und Kreise die entsprechende Daseinsvorsorge für unsere Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Aber dafür müssen sie stark und dafür müssen sie handlungsfähig sein. Das betrifft auch die rechtliche Handlungsfähigkeit, womit wir beim gestern diskutierten Thema Kommunalverfassung wären.

Meine Damen und Herren, ich halte diesen Bericht der Landesregierung für ausgesprochen hilfreich. Ich glaube nicht, dass mit der Vorlage dieses Berichtes die Diskussion zu Ende ist, sondern ich denke, dass wir mit der Vorlage dieses Berichtes in eine intensivierte Diskussion in den einzelnen Fachbereichen einsteigen müssen. Ich glaube aber, dass uns dieser Bericht auch zeigt, dass wir demografischen Wandel in ganz, ganz hohem Maße als Aufgabe sehen müssen, nicht als Bedrohung, sondern als Aufgabe, als Aufgabe, dieses Land weiter zu gestalten für die Menschen, die in ihm leben, und dass wir bei dieser Gestaltung sehr viele gute Chancen haben. Das, Herr Kollege Holter, setzt aber voraus, dass man tatsächlich richtig an die Sache herangeht.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und wenn ich sage „richtig“, dann heißt das für mich, dass man zunächst einmal die Realitäten zur Kenntnis nimmt, und zwar umfassend.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Machen wir auch.)

Ignazio Silone ist Ihnen ganz sicher ein Begriff, einer der italienischen Schriftsteller der Linken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ignazio Silone hat es mal auf einen

sehr schönen Satz gebracht, wie ich finde, als er formuliert hat: „Wir müssen die Welt so nehmen, wie sie ist, aber wir dürfen sie nicht so lassen.“ Dass wir sie nicht so lassen dürfen, dieser Satz geht Ihnen sicherlich leicht über die Lippen, mir auch, aber bitte, wir müssen auch den ersten Satz nehmen: „Wir müssen die Welt so nehmen, wie sie ist.“ Und das heißt zunächst einmal, Realitäten zur Kenntnis nehmen und eigene Möglichkeiten realistisch einschätzen.

Wenn wir dies tun, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann bin ich optimistisch, dass der demografische Wandel für Mecklenburg-Vorpommern eine Chance darstellt, eine Aufgabe darstellt, die wir, so hoffe ich, gemeinsam meistern werden zum Wohle der Menschen in diesem Land. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Müller.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache und wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

Die Fraktion der CDU hat Beratungsbedarf angemeldet. Ich unterbreche die Sitzung für 20 Minuten. Wir setzen die Sitzung um 12.00 Uhr fort.

Unterbrechung: 11.38 Uhr

Wiederbeginn: 12.07 Uhr

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/4175.

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 5/4175 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Ihnen heute den Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Änderung des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes in Erster Lesung vorstellen zu dürfen. Das rechtsgültige Gesetz besteht seit 1995 in unveränderter Fassung. Das ist, denke ich, ein Novum, denn fast alle anderen Gesetze des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind mindestens schon einmal verändert worden – ein Zeichen, dass sich das entsprechende Gesetz bewährt hat. Dennoch, so meinen wir, ist es an der Zeit, das Gesetz zu aktualisieren.

Nachfolgende Gründe sprechen aus unserer Sicht dafür:

1. weil langjährige Erfahrungen im Umgang mit diesem Gesetz vorliegen, aus denen sich Klarstellungsbedarf ableiten lässt,

2. weil die Geschäftsordnung geändert wurde und das Gesetz davon abweicht,

3. weil moderne Medien neue Möglichkeiten eröffnen, das Petitionsrecht auszuüben.

Gern hätten wir den Gesetzentwurf früher ins parlamentarische Verfahren eingebracht, haben uns aber bewusst Zeit gelassen, weil wir die Erfahrungen des Bundestages, der anderen Länder auswerten und nutzen wollten. Und wie Sie unschwer der Tagesordnung entnehmen können, werden auf unserer Landtagssitzung mehrere Gesetze in Erster Lesung eingebracht, von denen sicherlich sowohl die Regierung als auch die Koalitionsfraktionen davon ausgehen, dass sie noch in dieser Legislaturperiode durch den Landtag verabschiedet werden. Immerhin befassen wir uns in dieser Landtagssitzung mit drei Gesetzentwürfen der Landesregierung, fünf Gesetzentwürfen der Regierungskoalition und drei Gesetzentwürfen der Opposition. Es wäre also machbar.

Lassen Sie mich nun auf die Inhalte eingehen.

Die Änderung der Geschäftsordnung ermöglicht, Einzelpetitionen in elektronischer Form einzureichen. Seit August 2010 kann dafür ein Onlineformular genutzt werden. Damit wurde für viele Einwohnerinnen und Einwohner der Zugang zur Wahrnehmung ihres Beschwerderechtes deutlich erleichtert und es wird auch rege genutzt.

Mit Einführung des Paragrafen 15 wird nun der zweite Schritt getan. Eingaben sollen künftig durch die Einführung einer öffentlichen Petition auch veröffentlicht, in einem Forum diskutiert und durch andere Einwohnerinnen und Einwohner mitgezeichnet werden können, vorausgesetzt, es handelt sich um Anliegen im allgemeinen Interesse. Das ist der große Unterschied zu Einzelpetitionen, die im Regelfall persönliche Anliegen beinhalten.

Diese öffentliche Petition soll dann wie eine Sammelpetition behandelt werden. Künftig kann also eine Person oder Personengemeinschaft als Initiator der Eingabe in Erscheinung treten. Die Mitunterzeichner werden nur zahlenmäßig erfasst. Diese öffentliche Petition wurde bereits im Bundestag erfolgreich eingeführt. Bremen als relativ kleines Land ist diesem Beispiel gefolgt. Aus unserer Sicht trägt die Schaffung dieser Möglichkeit zur Stärkung der Demokratie bei und wir sollten sie ebenfalls nutzen.

Der zweite Schwerpunkt unserer Änderung bezieht sich auf die Fragen der geänderten Geschäftsordnung. Wie Sie wissen, wurden in diesem Zusammenhang auch die Verfahrensgrundsätze zur Behandlung von Eingaben an den Landtag, die Anlage 3 der Geschäftsordnung, geändert. Da dies im gültigen Gesetz nach der alten Geschäftsordnung festgeschrieben ist, meinen wir, hier muss eine Angleichung erfolgen. So wird der Paragraf 1 so erweitert, dass er die Möglichkeiten, Eingaben online einzureichen, mit erfasst.

In Paragraf 14 wird konkreter definiert, was unter einer Sammel- beziehungsweise einer Massenpetition zu verstehen ist. Ein neuer Paragraf 10a beinhaltet Möglichkeiten der abschließenden Erledigung von Petitionen, so, wie sie auch in der Geschäftsordnung ausgewiesen sind.

Meine Damen und Herren, ich möchte nun zu einem weiteren Problem kommen. Das rechtsgültige Gesetz richtet sich an die Landesregierung und die der Aufsicht des Landes unterstehenden Träger öffentlicher Verwaltung, siehe auch Artikel 35 der Landesverfassung. In Artikel 69 der Landesverfassung wird erläutert, dass die öffentliche Verwaltung durch die Landesregierung, die ihr unterstellten Behörden und die Träger der Selbstverwaltung ausgeübt wird.

Der Gesetzentwurf stellt in Paragraf 1a klar, dass sich Eingaben auch auf ein Handeln oder Unterlassen von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts beziehen können, sofern sie unter der Aufsicht des Landes, eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt stehen. Auch ein Handeln oder Unterlassen privatrechtlich organisierter Unternehmen oder sonstiger Träger öffentlicher Verwaltung unter Mehrheitsbeteiligung des Landes, eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt kann Gegenstand von Eingaben sein, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Gleiches gilt auch für privatrechtlich organisierte Unternehmen oder sonstige Träger der öffentlichen Verwaltung, soweit sie mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind und die Petition die Wahrnehmung dieser Aufgaben auch betrifft.

Diese Klarstellung hat zur Folge, dass in Paragraf 3 die Befugnisse entsprechend erweitert werden, die sich dann aber ausschließlich auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erstrecken. Weiterhin ist vorgesehen, dass Informationen von Trägern öffentlicher Verwaltung direkt und damit auf kurzem Wege eingeholt werden dürfen. Ich bin sicher, dass damit die Dauer von Verfahren abgekürzt werden kann.

Klargestellt und erweitert wurden in Paragraf 4 die Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung. Durch Ersetzen des Wortes „Beratungen“ durch das Wort „Anhörungen“ lehnt sich das Gesetz an die Geschäftsordnung an. Die Handhabung der Geschäftsordnung bei der Ausschussarbeit ist gängige Praxis. Demnach kann auch der Petitionsausschuss – so wie jeder andere Fachausschuss – Anhörungen durchführen. Es gab da manchmal Irritationen, weil im Gesetz bisher nur der Bürgerbeauftragte benannt ist, Beratungen durchzuführen. Weil dieses Recht auch dem Petitionsausschuss zusteht, soll es im Gesetz verankert werden.

Grundsätzlich sind Anhörungen öffentlich, soweit der Ausschuss nicht anderes beschließt. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Eingaben mit persönlichen Anliegen, personenbezogenen Daten und betroffenen Dritten vertraulich zu behandeln sind. Hingegen bietet sich eine öffentliche Beratung im Falle von Sammel-, Massen- und dann hoffentlich auch öffentlichen Petitionen geradezu an. Ich bin sicher, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses und auch der Bürgerbeauftragte in jedem Einzelfall verantwortungsvoll entscheiden werden, ob Anhörungen öffentlich oder nicht öffentlich stattfinden sollen.

Neuland betreten wir damit, Sachverhalte mittels Gutachten aufzuklären. Dies wird genau wie die Akteneinsicht nur ausnahmsweise bei berechtigten Fällen zur Anwendung kommen, nur wenn nichts anderes mehr geht. Über die Kostenfrage, ob das bestehende Budget der Landtagsverwaltung genutzt werden kann, oder über Sinn und Zweck von Gutachten sollten wir uns im Ausschuss verständigen. Wichtig ist mir, gesetzlich zu regeln, wie Entscheidungen zur Bearbeitung einer Petition zustande kommen, beispielsweise Ortsbesichtigun

gen oder Anhörungen durchzuführen oder Gutachten erstellen zu lassen. Das erleichtert nicht nur die Ausschussarbeit, sondern macht für die Einwohnerinnen und Einwohner transparenter, wie ein Petitionsverfahren abläuft.

Meine Damen und Herren, in Paragraf 18 und 19 des Gesetzentwurfes finden sich Anforderungen an die Inhalte von Tätigkeitsberichten des Bürgerbeauftragten beziehungsweise des Petitionsausschusses. Ich greife damit Ausführungen von Frau Peters auf, die bei der Berichterstattung des Bürgerbeauftragten rügte, dass statistische Daten nicht erhoben und eine Erfolgsquote nicht benannt werden konnte. In der Berichterstattung des Petitionsausschusses bewährt sich die Ausweisung der statistischen Daten. Das soll jetzt gesetzlich verankert werden und auch für die Berichterstattung des Bürgerbeauftragten gelten.

Für sehr wichtig halte ich die mit Paragraf 10 Absatz 3 eröffnete Möglichkeit, künftig neben den turnusgemäßen Beschlussempfehlungen an den Landtag auch einzelne Eingaben dem Landtag zur Beschlussfassung vorzulegen. Bei besonders dringlichen Eingaben oder aktuell diskutierten Eingabeninhalten wäre es Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Petenten, aber auch zugleich öffentlichkeitswirksame Parlamentsarbeit.

Im Zusammenhang mit dem Abschluss der Petitionsverfahren wird durch die Regelung in den Paragrafen 10a Absatz 3 und Paragraf 11 ermöglicht, dass Ausschussmitglieder ein Minderheitenvotum abgeben können, von dem auch der Petent Kenntnis bekommt. Warum diese Regelung? Regelmäßig beschließt der Landtag, die in der Sammelübersicht aufgeführten Petitionen entsprechend den Empfehlungen des Petitionsausschusses abzuschließen. Auch die Opposition trägt diesen Beschluss mit, obwohl die einzelnen Beschlussempfehlungen nicht immer einstimmig gefasst wurden. Beim Petenten kommt es also nicht an, ob konträre Auffassungen zur Eingabe bestehen. Das soll sich mit der Einführung eines Minderheitenvotums ändern.

Paragraf 10 Absatz 1 sieht vor, ein eingeschränktes Selbstbefassungsrecht gesetzlich zu verankern, denn bei der Bearbeitung von Eingaben …

Frau Abgeordnete Borchardt, die Einbringungszeit ist beendet.

Ich komme zum Schluss.