Protokoll der Sitzung vom 01.02.2007

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Drucksache 5/159. Wer dem Antrag …

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Überweisung!)

Im Rahmen der Aussprache ist soeben beantragt worden, den Antrag in den Innenausschuss zu überweisen. Da das der weitergehende Antrag ist, lasse ich zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer ist dafür, dem Überweisungsvorschlag in den Innenausschuss zu folgen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag auf Überweisung des Antrages auf Drucksache 5/159 bei Zustimmung der Fraktion der Linkspartei.PDS und der Fraktion der FDP sowie Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und NPD abgelehnt.

Ich lasse jetzt über diesen Antrag in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Drucksache 5/159 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auf Drucksache 5/159 bei Zustimmung der Fraktion der Linkspartei.PDS und Gegenstimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – 2007 – „Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle“ – auch in Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 5/154.

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS: 2007 – „Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle“ – auch in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/154 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion der Linkspartei.PDS. Frau Müller, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen des Parlamentes! Ja, wer von Ihnen hat es eigentlich bemerkt,

(Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS: Ich!)

bevor diese Beschlussvorlage auf Ihren Tischen lag? Im Juni des Jahres 2006 hat das Europäische Parlament das Jahr 2007 zum Jahr der Chancengleichheit für alle ausgerufen. Das ist nach dem Jahr 1997, welches das Jahr gegen Rassismus war, und dem Jahr 2003, welches das Jahr der Menschen mit Behinderungen war, das dritte Mal, dass die Europäische Union versucht, die Integration von Menschen unterschiedlicher Lebenssituationen in die Gesellschaft zu befördern, zu unterstützen, das Verständnis für sie in der Bevölkerung zu vermehren. Das begrüßen wir uneingeschränkt.

Leider sind Diskriminierung und auch Mehrfachdiskriminierung abhängig von der Lebenssituation der Menschen in den Ländern der EU und auch darüber hinaus noch an der Tagesordnung. Menschen, die ihre Rechte auf Gleichstellung, auf Gleichbehandlung, auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wahrnehmen wollen, müssen sich dieser Rechte natürlich bewusst sein.

Wer ist mit dem Jahr der Chancengleichheit für alle gemeint? Das Europäische Jahr hat sehr weit ausgeholt: Chancengleichheit für alle, das bedeutet, es gilt für Menschen unterschiedlicher Rasse, unterschiedlicher ethnischer Herkunft, unterschiedlicher Religion, unterschiedlicher Sexualität, es gilt für Männer und Frauen, für Kinder und Jugendliche, für Senioren und Seniorinnen, für alle. Das Ziel ist, einmal in diesem Jahr zu sensibilisieren, nämlich die, die noch nicht vergegenwärtigt haben, dass Menschen in unterschiedlicher Lebens situation auch unterschiedliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten brauchen, um gleichgestellt zu sein, und auch für die, die für diese Gruppen spezifi sche Verbände, Organisationen gebildet haben, um darauf hinzuweisen, dass es Defi zite gibt.

Das Jahr ist dazu da, den verschiedenen Menschen klarzumachen, dass sie einen gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Bildung, zur Weiterbildung, zu Kultur und Freizeit, einfach zu den Dingen haben, die uns ständig umgeben. Natürlich gehören dazu auch Gesundheits- und Sozialwesen und so weiter, Dinge, die wir debattiert haben an den beiden Tagen, wo es mehr oder weniger immer wieder um die Würde des Menschen ging, um die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Aber wir müssen alle etwas dafür tun. Integration von Menschen unterschiedlichster Lebenssituationen bedeutet Erhalten der Vielfalt, und zwar Erhalten der Vielfalt in seiner Unterschiedlichkeit in 27 verschiedenen Ländern der EU. Dieser Erhalt der Vielfalt wird von der Europäischen Union als Gewinn veranschlagt, davon sprachen wir aber schon.

Die Diskriminierung im Alltag, die wir tagtäglich noch bemerken, ist eine Sache, die in diesem Jahr in den Vordergrund gerückt werden soll mit den verschiedensten Initiativen. Der Gipfel zur Eröffnung dieses Jahres ist bereits gewesen, und zwar vorige Woche Dienstag und Mittwoch. Ich denke, das war ein Gipfel, der wirklich alle möglichen Menschen – danke, Herr Glawe, dass Sie so laut plappern – zusammengeführt hat aus der EU, aus dem Bund und aus den verschiedenen Ländern. Wir wollen – und diesen Begriff nehme ich ganz bewusst in den Mund – auch den Randgruppen, den sogenannten

Randgruppen der Gesellschaft die Möglichkeit geben, in diesem Jahr Initiativen zu gestalten, um zu helfen, sie aus dem Rand herauszubekommen. „Randgruppe“ braucht kein diskriminierender Begriff zu sein, denn wenn der Teller keinen Rand hätte, würden alle, die in der Mitte sind, herunterfallen.

Wir wollen einen Dialog zwischen den Menschen in die Wege leiten, zwischen den Menschen und den Gruppen, Vereinigungen, Verbänden, Organisationen, die bestimmte Menschengruppen vertreten. Chancengleichheit ist nicht Gleichmacherei, das wissen wir. Aber wie gestalten wir Chancengleichheit? Wir möchten, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft, in unseren EU-Staaten teilnehmen zu können. Wir möchten, dass Gewalt und Vorurteile in den Staaten der Europäischen Union zurückgedrängt werden, nicht mehr vorkommen. Wir möchten, dass Diskriminierung und Doppeldiskriminierung bekämpft werden, von innen heraus. Wir möchten, dass die solidarische Gesellschaftsordnung in den Staaten der Europäischen Union und ihre Zukunftsorientierung neu und prägnanter defi niert werden. Das ist ein großes Ziel und die Europäische Union, der Bund, also Deutschland, die Bundesregierung, haben für dieses Ziel bestimmte Vorhaben bereits benannt.

Auf den Eröffnungsgipfel habe ich bereits hingewiesen, weitere große zentrale Veranstaltungen werden in Köln, in Magdeburg, Bad Pyrmont, Frankfurt am Main und noch zweimal in Berlin sein sowie in Leipzig. Die unterschiedlichsten Themen sind bei diesen Veranstaltungen zugrunde gelegt. So wird ein Thema sein Chancengleichheit und gesellschaftliche Partizipation für Jugend und Kinder, ein weiteres Thema wird sein das Sozial- und Gesundheitswesen, ein weiteres Thema wird sein die geschlechterspezifi sche Finanzgestaltung und Haushaltsgestaltung in der EU, also Geld. Es wird einen Kongress geben zur Sozialwirtschaft und so weiter und so fort.

Was hat mich und die Fraktion zu diesem Antrag bewogen? Bis zum 24. Januar, und wir haben noch mal recherchiert, auch bis zum heutigen Tag, können wir auch in der Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten nichts, aber auch gar nichts fi nden, was auf Aktivitäten zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle hinweist. Weder die Staatskanzlei noch das Sozialministerium, auch nicht das Wirtschaftsministerium, wo ja auch Tourismus verankert ist, wie wir heute schon gehört haben, haben in irgendeiner Weise irgendwelche Initiativen gestaltet, um dieses Europäische Jahr zu begleiten, und das, nebenbei bemerkt, obwohl Geld von der Europäischen Union mit Geld vom Bund zusammengeführt wurde, um Projekte zu gestalten.

Hat denn überhaupt jemand aus dem Land MecklenburgVorpommern die Chance ergriffen, da irgendwie tätig zu werden? Ja, es wurden bereits Chancen ergriffen. Es gibt umfangreiche Pläne von Verbänden und Organisationen, die sich schon Gedanken gemacht haben, inwieweit sie das Jahr der Chancengleichheit für alle für sich gestalten. So werden die Frauen, die Schwulen und Lesben, die Menschen mit Behinderungen und die Migrantinnen und Migranten eine gemeinsame Veranstaltung im Sommer dieses Jahres gestalten. Was machen wir? Was machen wir als Landesregierung, als Vertreter von MecklenburgVorpommern?

Ich bitte Sie darum, dem Antrag der Linkspartei.PDS zu folgen. Ich bitte Sie darum, sich noch kräftig Gedanken

zu machen, auf welche Art und Weise wir dieses Jahr, dieses Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle mit Leben erfüllen können, auch wir in MecklenburgVorpommern, denn wir haben ja schließlich gehört, dass Mecklenburg-Vorpommern die Welt begrüßt. Wieso also auch nicht das Europäische Jahr? – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Müller.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruche, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Sozialminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle, meine Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin, ist das Herzstück einer Rahmenstrategie der Europäischen Union, mit der Diskriminierung wirksam bekämpft werden soll, die Vielfalt als positiver Wert vermittelt und Chancengleichheit für alle gefördert werden soll. Dieses Jahr ist der Impuls für eine uneingeschränkte Anwendung der Diskriminierungsvorschriften der EU. Wir müssen leider sagen, bisher,

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Der Antidiskriminierungsvorschrift.)

bisher, Frau Müller, sind diese Antidiskriminierungsvorschriften der EU leider noch zu wenig beachtet und auch in der Bevölkerung zu wenig bekannt. Hauptanliegen ist die Stärkung des Bewusstseins deshalb in der Gesellschaft für die positiven Aspekte von Vielfalt, Respekt, Anerkennung und Toleranz. Strategien zum Abbau von Ungleichheit und Diskriminierung können nur erfolgreich sein, wenn sie nicht nur von den staatlichen Stellen verfolgt werden, sondern wenn sie auch von der Zivilgesellschaft getragen werden. Ziel ist es, verschiedene mögliche Diskriminierungsmerkmale in den Blick zu nehmen, wie Geschlecht, Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung.

Inhaltliche Schwerpunkte des Jahres der Chancengleichheit bilden vier Themen:

Erstens geht es um die Bewahrung der Rechte des Einzelnen. Dazu brauchen wir eine Sensibilisierung für das Recht auf Gleichbehandlung und für das Recht auf Nichtdiskriminierung. Vieles läuft viel zu selbstverständlich.

Zweitens brauchen wir eine Unterstützung der gesellschaftlichen Präsenz. Deshalb geht es um die Anregung einer Debatte über die Möglichkeit, die Teilhabe von Gruppen, die bisher benachteiligt sind, zu verstärken.

Es geht um Anerkennung der andersartigen Menschen. Es geht darum, Vielfalt zu würdigen und zu berücksichtigen.

Und es geht viertens um Respekt und Toleranz, es geht darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.

Das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle baut auf auf den Erfahrungen der vergangenen europäischen Jahre, insbesondere dem europäischen Jahr gegen Rassismus 1997 und dem europäischen Jahr der Menschen

mit Behinderungen 2003. Frau Müller hat das eben schon erwähnt.

Ziel der Landesregierung ist es, die Chancengleichheit insgesamt zum politischen Prinzip zu machen, das bei allen Entscheidungen im Blick behalten werden muss.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Ein gutes Ziel.)

Es darf nicht, ja, es darf nicht um einmalige Aktivitäten gehen, nicht darum, jetzt irgendwie etwas Besonderes zu veranstalten oder schnell plakative Dinge zu machen, sondern wir brauchen einen Prozess, den wir gemeinsam mit langem Atem bearbeiten wollen.

(Zuruf von Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS)

Und, Frau Müller, das klang ja eben bei Ihnen so ein bisschen kritisch an, aber ich denke, die Landesregierung kann durchaus auf Dinge zurückblicken, die wir, auch mit Ihrer Beteiligung, als Grundlage geschaffen haben und mit denen wir Weichen gestellt haben, wenn ich an das Landesgleichstellungsgesetz denke, an das Behindertengleichstellungsgesetz, an die Konzeption zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, das Landesintegrationskonzept für Migrantinnen und Migranten,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das haben wir euch alles abgerungen.)

sicherlich auch das KiföG, das wir gemacht haben, das Kinder- und Jugendprogramm, auch das Programm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, ein großes Thema für die kommenden Jahre, und das bisherige Schulgesetz, was wir dort verankert haben und was wir weiter beachten müssen in diesem Bereich.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Und das hat alles Frau Dr. Linke gemacht.)

Die Thematik Chancengleichheit zieht sich wie ein roter Faden durch diese Gesetze, durch die Programme und Konzeptionen. Und ich denke, wir werden im Jahr der Chancengleichheit vor allem gut daran tun, dass wir nicht von uns aus sagen, wir als Staat setzen einmalige Aktionen, sondern dass wir all diejenigen unterstützen, die hier angesprochen worden sind, verschiedene Gruppen, die etwas veranstalten wollen, die aufmerksam machen wollen auf Probleme. Denn das Wichtigste ist, glaube ich, dass die Bürger selbst in ehrenamtlichem Engagement zeigen, um welche Probleme es geht. Dann müssen sie staatliche Unterstützung bekommen. Das werden wir tun. Wir werden auf diesem Weg weitermachen und wir werden auch den Schwung nutzen, den uns das Europäische Jahr der Chancengleichheit verleiht. Ich lade Sie alle ein, dabei mitzumachen. Allerdings sollten wir nicht schon wieder einen neuen Bericht beschließen, wie Sie vorgeschlagen haben. Die Landesregierung legt dem Landtag zu Beginn eines jeden Jahres, in der Regel im März, den Europabericht vor und in diesem Bericht wird dieses Mal das Europäische Jahr der Chancengleichheit ein Schwerpunkt sein.

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sehr gut.)

Im Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm für Mecklenburg-Vorpommern sind Maßnahmen, Expertisen, Analysen und Berichte zum Thema Chancengleichheit geplant. Das wird auch fi nanziell untersetzt. Die Koalitionsvereinbarung hat gesagt, wir werden einen Bericht

zur sozialen Lage bekommen, wo all das genau besprochen wird. Durch die Koordinierungsgruppe des Bundes für das Jahr der Chancengleichheit werden ebenfalls von uns Berichte erstellt. Ich denke, das reicht, um ein wirklich vollständiges Bild zu bekommen.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das denke ich aber ganz und gar nicht.)

Wir sollten nicht für viel Geld weitere Doppelungen machen. Ansonsten denke ich, dass wir im Hause sehr einig sind, dass wir die Chancen ergreifen müssen, die uns das Europäische Jahr der Chancengleichheit bietet. – Vielen Dank.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Dann sollten Sie erst mal die Chance ergreifen und das Geld nehmen, das zur Verfügung steht.)

Vielen Dank, Herr Minister.