Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Kreher.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Tesch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der besondere Stellenwert der Archäologie für Kultur, Wissenschaft und Forschung in Mecklenburg-Vorpommern ist in allen Bereichen der Kultur präsent. Das Land Mecklenburg-Vorpommern verfügt über eine Vielzahl archäologischer Funde von hohem Wert. Ich denke, das ist unstrittig.

Ich will vielleicht sogar noch auf einen Aspekt gleich am Anfang meiner Rede hinweisen, der ebenfalls besonders wichtig ist. Die Ostsee beherbergt unzählige Schätze. Diese bekannten und noch nicht dokumentierten über – und das weiß wirklich der eine oder andere nicht – 1.700 Fundplätze entlang unserer Küste bilden, und darauf kommt es mir an, ein Alleinstellungsmerkmal der Unterwasserarchäologie in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.

(Hans Kreher, FDP: Richtig.)

Sie sind nach meiner Auffassung ein Teil des noch weitgehend unbekannten Tafelsilbers, das Mecklenburg-Vorpommern in die Deutsche Einheit eingebracht hat. Diese Aufgabe allein einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern zu überlassen, geht nicht. Ich sage das deshalb, wir sind nicht nur ein Flächenland über Wasser, sondern haben auch eine riesige Fläche unter Wasser. Insofern ist es eine Aufgabe für das Land, aber auch eine Aufgabe für die Bundesrepublik Deutschland.

(Hans Kreher, FDP: Gut.)

Dieses Merkmal gilt es, als Denkmal zu erhalten und zu schützen. Die Herausforderung und Verpflichtung, Denkmale im gesamten Reichtum ihrer Authentizität an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, ist – und das ist eigentlich erfreulich – auch zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Deswegen hat die Landesregierung, insbesondere nach Bekanntwerden der desolaten Situation, in der sich die archäologischen Funde seit ihrer bereits 1992 erfolgten Auslagerung aus dem damaligen Archäologischen Museum im Schweriner Schloss befanden, die politische Vorgabe gesetzt: Abkehr von allen Provisorien.

Vergegenwärtigen wir uns die damalige Situation. Ich will das auch nur kurz machen, aber das muss gesagt werden: Das archäologische Schatzregal unseres Landes lagerte zu großen Teilen hier im Schweriner Schloss, wo sich bis kurz nach der Wende 1989/1990 das Archäologische Museum befand. Das Schloss sollte schnellstmöglich seiner neuen Nutzung zugeführt werden. In unverantwortlicher Weise wurden die archäologischen Funde an zum Teil völlig ungeeignete Orte abtransportiert,

(Hans Kreher, FDP: Richtig.)

so zum Beispiel in die schon damals für die Unterbringung einer wertvollen Sammlung völlig ungeeigneten feuchten ehemaligen Polizeibunker in Wiligrad.

(Hans Kreher, FDP: Richtig.)

Was man natürlich auch dagegenhalten muss, das sollte eigentlich nur eine Zwischenlösung sein.

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

Das muss man fairerweise dazusagen. Aber dieses Provisorium dauert seitdem an und hat zur Zerstörung eines Teils der Funde geführt. Es fehlt ein geeignetes Depot.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, umso mehr freue ich mich, dass in der vergangenen Woche das Containerdorf in Wiligrad und damit die Dekontaminierung der Funde von Schimmel und anderen Gefährdungen seine Arbeit aufgenommen hat. Mit den Lagerhallen in Schwerin-Süd konnte eine Lösung für ein Zwischendepot gefunden werden, das für die sichere Lagerung der Funde geeignet ist.

Ähnlich wie in der Archäologie stellt sich aber auch die Situation der Archive dar. Unser Landeshauptarchiv hat seine Bestände in zahlreichen und zum Teil völlig ungeeigneten Außenstandorten untergebracht. Diese Situation gefährdete nicht nur die Archivalien, sondern führte auch zu einem unnötigen arbeitsorganisatorischen Mehraufwand. Nach 1990 übernahm das Landesarchiv als unser aller historisches Gedächtnis, wenn wir so wollen, zudem zahlreiche weitere Bestände, die ebenfalls provisorisch untergebracht werden mussten. Auch diese Situation dauert bis heute an, obwohl – das sei dazugesagt – unser Hauptgebäude in der Graf-Schack-Allee so wunderbar restauriert wurde. Ein geeignetes und ausreichendes Depot für die Akten besteht nicht.

Dann will ich noch die Situation des Depots im Staatlichen Museum Schwerin erwähnen, die den meisten von Ihnen bekannt ist. Unsere wertvollen Gemäldesammlungen, die Möbel, das Silber und Porzellan, all die Schätze, die die Geschichte unseres Landes in so herausragender Weise dokumentieren, sind bisher provisorisch in einer Etage des Staatlichen Museums am Alten Garten untergebracht, die der Herzog einmal als Ausstellungsfläche vorgesehen hatte. Auch hier fehlt bis heute ein geeignetes Depot, das auch den klimatischen Erfordernissen der Lagerung dieser Kunstgüter entspricht.

„Abkehr von allen Provisorien“ musste deshalb bedeuten für die Landesregierung: schrittweise Überwindung dieser katastrophalen Depotsituation und die Verbesserung der Bedingungen für die dazugehörigen restauratorischen Werkstätten. Und so ist es auch zu verstehen, dass unter dieser Vorgabe ein Arbeitsplan entwickelt wurde. Im Mittelpunkt steht das Standortentwicklungskonzept „Depotneubau“, denn da fängt es an, „Depotneubau für das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege und das Staatliche Museum am Standort Schwerin, Stellingstraße“. Ich habe es deshalb noch mal so hervorgehoben, weil das die logische Folge ist, wenn man wirklich vorankommen und wirklich verändern will. Da kann man nicht irgendwo in der Mitte anfangen.

Auf den drei Säulen, dem Landeshauptarchiv, dem Staatlichen Museum und dem Bereich Archäologie des Landesamtes, wird mit der gemeinsamen Werkstatt ein Campus geschaffen, der in besonderer Art und Weise statisch und dynamisch miteinander in Verbindung steht. Hier wird das immense Kulturerbe unseres Landes jederzeit öffentlich zugänglich in die Hände der Fachleute gegeben.

Ausgehend von der Vielzahl der Standorte des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege, das allein über 500.000 archäologische Fundstücke an 15 verschiede

nen Orten sozusagen verwaltet, sind immense Vorarbeiten erledigt.

Auch dies muss man doch fairerweise sagen: Wenn die Aufgabe so groß ist, kann man sie nur schrittweise lösen. Auch das ist erfolgt. Es wurden die konkreten Bedingungen analysiert, die Fachbedarfe unter Einbeziehung aller Abteilungen und unter Beachtung des Grundsatzes der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit detailliert definiert, in enger Abstimmung mit dem Betrieb für Bau und Liegenschaften quantifiziert und durch einen eigens dafür vom Betrieb für Bau und Liegenschaften eingesetzten Architekten, auch das sei erwähnt, in einem präzisen Unterbringungskonzept zusammengefasst. Auch dieser Schritt ist gegangen worden.

Für die Maßnahmen in der Stellingstraße sind im Wirtschaftsplan 2010 und 2011 des Sondervermögens „Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern“ insgesamt rund 37 Millionen Euro verbindlich vorgesehen. Der Architektenwettbewerb wird ebenfalls in Kürze beginnen.

Im vorigen Jahr begann mit der Entscheidung – und wenn Sie jetzt den Faden weiterführen – für die Errichtung eines Depots in Schwerin-Süd ebenso jetzt der Schritt eins auf dem Weg zur Umsetzung dieses Standortentwicklungskonzeptes in der Stellingstraße. Das bedeutet, dass mit den Auf- und Ausräumarbeiten in Wiligrad – ich habe es erwähnt, vorgestern fand hier die Schlüsselübergabe statt – und dem Einräumen in Schwerin-Süd begonnen werden konnte, denn wir wollen am Ende des Prozesses die Dinge nicht zweimal anfassen. Wir dekontaminieren, wir säubern, wir registrieren und lagern ein in trockenen Depots. Und hier ist es so, dass das Landesamt auch noch mal Unterstützung erhält durch zusätzlich 15 befristet eingestellte Beschäftigte.

Es ist in den vergangenen vier Jahren gelungen, den Weg so zu beschreiten, dass die Kulturgüter mit der notwendigen Sorgfalt erfasst werden, dokumentiert und aufbereitet für die wissenschaftliche Arbeit vorgehalten werden können. Den zweiten Schritt gilt es bis zum endgültigen Depotneubau gemäß Standortentwicklungskonzept umzusetzen. Kulturgüter, die als Zeugnisse jahrhundertealter Traditionen von uns nur treuhänderisch verwaltet werden, lagern also in absehbarer Zeit in trockenen Depots und neuen Werkstätten. Der Standort Stellingstraße wird zu einem gut vernetzten und repräsentativen Campus. Die etappenweise Umsetzung des Standortentwicklungskonzeptes der Landesregierung hat begonnen.

Und jetzt muss man sagen, an diesem Weg sollten, wenn Sie das so übergreifend beschreiben, Herr Kreher, dann auch alle teilnehmen. Dazu sind wirklich alle eingeladen. Nur, man muss natürlich wissen, wenn man in so großem Umfang baut und wir jetzt beginnen, müssen wir danach davon ausgehen, dass wir nach dem jetzigen Stand der Planung einen Zeitraum von rund zehn Jahren brauchen werden, um all dies, wie von mir skizziert, dann auch abschließen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich will auch darüber informieren, dass wir darüber hinaus ab August 2011 im Schloss Güstrow eine archäologische Dauerausstellung planen, die neben den anderen Ausstellungen im Archäologischen Freilichtmuseum Groß Raden, im Pommerschen Landesmuseum Greifswald, im Museum Fährhafen Sassnitz Funde der Öffentlichkeit präsentieren wird. Und wenn Sie die Himmels

scheibe anführen, dann haben wir viele kleine Beispiele. Insofern finde ich es passend zur Energiedebatte.

Ich will das nur sagen, wir haben an der Müritz den sogenannten Müritz-Ötzi gefunden, Herr Ringguth nickt, aber der Müritz-Ötzi wird nicht an der Müritz ausgestellt, sondern er wird im Landeszentrum für erneuerbare Energien präsentiert, weil wir mittlerweile auch in der Archäologie nicht nur die Fundsituation darstellen, sondern auch genau schauen, wie eigentlich die klimatischen Verhältnisse zu dieser Zeit waren. Und insofern, da das durch den Träger hier ausgegraben und vorgefunden worden ist, wird es nicht an anderer Stelle eingelagert, sondern wir haben eine gute Verbindung, Ökologie und Archäologie hier miteinander zu verbinden.

Das heißt also, wir sind dabei, unsere Schätze zu präsentieren. Ich glaube, da gibt es keinen Dissens. Das ist das, was wir tun wollen. Auch hier sei Güstrow erwähnt.

Neben dem Schutz der Bau- und Bodendenkmale liegt mir darüber hinaus der Schutz der Bodendenkmale unter Wasser besonders am Herzen. Ich habe bereits zu Beginn meiner Rede darauf hingewiesen. Die Ostsee ist eine unserer größten Großbaustellen in unserem Land. Wir haben darüber in diesem Landtag jetzt einiges gehört, auch in diesen Tagen. Wirtschaft und Tourismus fördern den Bau von Pipelines und Offshoreanlagen sowie den Hafen- und Seewegeausbau. Das heißt also, infolgedessen sind Veränderungen am Denkmal, also Ostseebodengrund, unausweichlich.

Für unseren wissensdurstigen Nachwuchs ist es umso wichtiger, dafür Sorge zu tragen, dass die durch das Denkmalschutzgesetz des Landes vorgegebenen Maßnahmen auch umgesetzt werden können. Und da muss man wissen, dass die bisherigen Arbeitsmittel für unterwasserarchäologische Bergungs- und Dokumentationsarbeiten völlig unzureichend waren. Durch finanzielle Zuwendungen an den Landesverband für Unterwasserarchäologie, der in unserem Auftrag hier die gesetzlichen Aufgaben erfüllt, konnte kurzfristig elektronisches Equipment, ein Atemluftkompressor sowie notwendige Tauchausrüstung beschafft werden.

Die Erfüllung der Pflichten unter Wasser wird vor allem im Ehrenamt wahrgenommen. Neben den bekannten 1.700 Fundstellen in der Ostsee und ohne Berücksichtigung weiterer wasserreicher Landesteile stand bei überraschenden Funden, aber auch bei langfristig geplanten Grabungen, wie zum Beispiel dem Bau der Nord-Stream-Pipeline, bislang kein geeignetes Schiff für die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben zur Verfügung, das für unterwasser archäologische Bergungs- und Dokumentationsarbeiten ausgerüstet war.

Am vergangenen Dienstag ist eine Vereinbarung mit der Firma UWA-Logistik GmbH auf den Weg gebracht worden, die es dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege erstmals ermöglicht, für die Erfüllung der dem Landesamt übertragenen unterwasserarchäologischen Aufgaben ein eigens dafür ausgestattetes Schiff, die „GOOR II“, zu nutzen. Mit der Anmietung des Tauchereinsatz- und Forschungsschiffes „GOOR II“ sind ab August zeitnahe Einsätze in ganz Mecklenburg-Vorpommern möglich. Weiterhin ist geplant, ab 2012 – Sie haben die personelle Situation angesprochen – zwei neue Stellen für die Unterwasserarchäologie zu schaffen.

Darüber hinaus möchte ich auch, weil das in der Diskussion eine Rolle spielt, abschließend Sie darüber informieren, dass mit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs

wald in der Zielvereinbarung festgelegt wurde, dass das Fach Ur- und Frühgeschichte als außerplanmäßige Professur vertreten wird. Damit wird den inneren Erfordernissen der Universität in Forschung und Lehre ebenso Rechnung getragen wie den Interessen des Landes an einer wissenschaftlichen Begleitung der Landesarchäologie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist sich seiner Verantwortung für die Erhaltung des archäologischen Erbes in hohem Maße bewusst und wird seine Aufgaben auf diesem Gebiet auch künftig konsequent wahrnehmen. Neben den staatlichen Institutionen ist es vor allem auch dem ehrenamtlichen Einsatz der Landesbewohner zu verdanken, dass archäologische Stätten aufgefunden, gemeldet und – wie im Bereich der Unterwasserarchäologie gerade beschrieben – dokumentiert werden. Und insofern lassen Sie uns diesen begonnenen Prozess gemeinsam gehen. Ich glaube, das kann die Sichtbarmachung der Archäologie in diesem Land dann auch gemeinsam vertragen und ertragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Körner von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist nicht zum ersten Mal, dass wir in diesem Landtag in dieser Periode über archäologische Dinge zu reden haben. Auch im Ausschuss war dieses teilweise durch unerfreuliche Anregungen des Öfteren passiert. Insofern bedarf es einer Aufforderung zum Konsens, verehrter Kollege Kreher, eigentlich nicht. Sie wissen, dass dieses Thema im Ausschuss des Öfteren über alle Fraktionen hinweg eine Rolle gespielt hat, die insbesondere die kulturpolitischen Sprecher hat Schulter an Schulter stehen lassen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Was war das denn?)

Natürlich freut es mich, wenn Sie Ihre Fraktion als Kulturfraktion hier deklarieren.

(Hans Kreher, FDP: Mit Recht!)

Mit Recht oder Unrecht, das steht mir nicht zu, es beurteilen. Ich registriere es natürlich als kulturpolitischer Sprecher meiner Fraktion außerordentlich wohlwollend, denn was kann mir besser passieren, wenn Sie sich mit Ihrer ganzen Fraktion gewissermaßen an meine Seite stellen

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Oi! – Heinz Müller, SPD: Na so groß ist die Fraktion ja nicht.)

oder umgekehrt, wenn Sie mir signalisieren, dass ich mit meiner Funktion in Ihrer Fraktion mich eigentlich zu Hause fühlen könnte.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)