Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Das ist genau das Problem.)

Und nun wissen wir, dass die Zusammensetzung des Strompreises relativ verschiedenartig aussieht,

(Michael Roolf, FDP: Vor allem die Steuer. Vor allem die Steuer.)

aber ein ganz wesentlicher Aspekt ist wohl die Erhöhung der Rohölpreise am Weltmarkt. Diese nämlich haben sich erhöht von 2000 bis 2010 mit dem Basisjahr 2000 um 245 beziehungsweise 287 Prozent, je nachdem, ob man den Tiefst- oder den Höchststand der jeweiligen Jahre anlegt. Steinkohle in den letzten zehn Jahren: Erhöhung um 102 Prozent. Da kann mir doch niemand sagen, dass die Erhöhung der Strompreise der letzten Jahre verursacht worden ist durch die ganze Thematik neue Energien, im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und wenn man diese Linie weiterführt, …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Vor allen Dingen DIE LINKE hat die Strompreise erhöht, wie Herr Stein argumentiert.)

Na, ich bin nicht Herr Stein, Herr Holter.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, eben.)

… wenn man diese Linie der letzten zehn Jahre weiterführt, nur linear, und gar nicht die Diskussion um weitere, zusätzliche Progressionen bei der Verknappung der Rohstoffe und der Erhöhung der Preise anlegt, würden

wir um weitere 70 Prozent in den nächsten zehn Jahren die Energiekosten erhöht bekommen, alleine nur durch fossile Energien.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Da kann mir doch niemand erzählen, dass diese 70 Prozent, die derzeit als Erhöhung durch die Energiewende nicht einmal angedacht werden, nicht besser sind, als wenn wir zügig umsteigen und sozusagen kostenlose und unendlich zur Verfügung stehende Neuenergien zum Maßstab machen.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Genau das ist es. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Die Frage ist doch erst einmal,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

die Frage, meine Damen und Herren, muss gestellt werden: Was ist letztlich teurer? Bei den fossilen Energieträgern zu bleiben und diese gigantischen Preiserhöhungen umzulegen auf den Energiepreis oder aber zügig umzusteigen und in die neuen Energien zu investieren

(Rudolf Borchert, SPD: Inklusive Atomkosten.)

und dann mal zu sehen, was sich tatsächlich volkswirtschaftlich bei der Gesamtkostenrechnung preismindernd auswirkt?

Meine Damen und Herren, mir fehlt dieser Aspekt im Antrag der LINKEN. Und ich will auch sagen, Herr Griese, uns geht es nicht allein um den Ausstieg aus der Atomenergie,

(Regine Lück, DIE LINKE: Sie hätten ja einen Änderungsantrag machen können.)

das haben Sie richtig formuliert, uns geht es vielmehr auch um den ganzen Aspekt Klimawandel, das heißt um den Ausstieg aus den fossilen Energien wie Kohle, Öl und Gas.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Wolfgang Griese, DIE LINKE: Ja, richtig. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Und deswegen wollen wir, wenn es um die Kosten geht, gerade dann wollen wir, dass dieser Umstieg zügig verläuft und wir nicht gekoppelt bleiben an die Energiepreisentwicklung, die wir auf den Weltmärkten derzeit sehen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Das ist unser Hauptargument, und zwar auch als Kostenargument. Wir erleben derzeit, das haben Sie schon gesagt, tatsächlich viel Panikmache, die von interessierter Seite auch bewusst geschürt wird. Aber das Motto: „Wir wollen 100 Prozent erneuerbare Energien, so schnell wie möglich und alles umsonst“, dieses Motto erinnert mich so ein bisschen an die Geiz-ist-geil-Lebenskultur vergangener Jahre. Das funktioniert hier bei der Energiepolitik nicht. Wir brauchen eine seriöse Diskussion um die Kosten, und zwar um alle Kosten der gesamten Palette beim Energiethema. Dann zeigt sich sofort, dass in der konventionellen Energiewirtschaft erhebliche Kostenblöcke verschwiegen werden und dass die unendlich zur Verfügung stehenden neuen Energien kostengünstiger sind als die alten.

(Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Genau.)

Bei den Herausforderungen der nächsten Jahre müssen wir unterscheiden, das ist in der Debatte gelegentlich schon gemacht worden, zwischen den Investitionen in die Stromnetze und den Investitionen in neue Energieerzeugungsanlagen. Ich will einiges zu der Frage Kostenentwicklung bei den Stromnetzen sagen. Die Debatte um eine Rekommunalisierung beziehungsweise eine Rückführung in die öffentlichen Hände bei den Stromnetzen enthält aus meiner Sicht ein Körnchen Wahrheit, denn die Eigentümer der Netze haben den Ausbau derselben in den letzten Jahren nicht betrieben. Sie haben ihn vernachlässigt, was eben heute als Kostenfaktor diskutiert wird.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Und auf den Staat abgewälzt werden soll.)

Aber wie auch immer, die Frage ist, ob in Zukunft das deutsche Volk in seiner Eigenschaft als Gebührenzahler oder das deutsche Volk in seiner Eigenschaft als Steuerzahler den Umbau der Stromnetze finanzieren muss. Nach der DENA-Netzstudie II müssen weit über 3.000 Kilometer Stromleitungen in Deutschland neu gebaut werden. Der Präsident der Bundesnetzagentur rechnet hier mit einem Investitionsvolumen von circa 30 Milliarden Euro, die über Jahrzehnte allerdings refinanziert werden können, weil es sich um langfristig nutzbare Infrastruktureinrichtungen,

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

die auch die nachfolgenden Generationen nutzen werden, handelt. Er meint, dass sie deshalb die Höhe des Strompreises lediglich „moderat“ beeinflussen werden – Zitat aus der „Osnabrücker Zeitung“ von vorgestern.

(Rudolf Borchert, SPD: Genau. Sehr richtig.)

Die derzeitige Diskussion um ein Planungsbeschleunigungsgesetz beim Energienetzausbau, wie Frau Bundeskanzlerin Merkel in Zingst ja auch erwähnt hat, halte ich für richtig, weil so Zeit gewonnen werden kann, und Zeit ist bekanntlich Geld.

Mit anderen Worten: Der Um- und Ausbau der Stromnetze wird auf jeden Fall Investitionskosten verursachen, erst einmal unabhängig von der Frage, welcher Strom dann in das Netz eingespeist wird. Je mehr Zeit wir bei diesem Umbau verlieren, desto kostspieliger wird die Gesamtveranstaltung. Und deswegen, meine ich, ist tatsächlich bei dieser Stromnetzausbaufrage Zeit Geld.

Jetzt kommen wir zu der Frage Energieerzeugung. Ich habe hier schon einiges zum Rohstoff für neue Energien gesagt, nämlich Wind, Erdwärme und Sonne. Diese stehen kostenlos zur Verfügung. Bioenergie gibt es nicht zum Nulltarif. Somit fallen mit Ausnahme der Bioenergie allein die Kosten für die Energieerzeugungsanlagen bei den neuen Energien an. Diese Kosten müssen verglichen werden mit den kompletten Investitions-, Betriebs- und Entsorgungskosten für die konventionellen Kraftwerke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Rudolf Borchert, SPD: Ja. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es.)

Dabei, meine Damen und Herren, will ich hier nur da rauf hinweisen, dass der deutsche Steuerzahler seit den 60er-Jahren nach einer Studie von Greenpeace insgesamt über 120 Milliarden Euro allein für die Atomwirtschaft aufgebracht hat –

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Und weiter aufbringt.)

als Steuerzahler, nicht als Gebührenzahler, sondern als Steuerzahler,

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

wenn die direkten Zuschüsse, die Steuerabschreibungen, Forschungsausgaben, Ausgaben für die bislang vergebliche Suche nach atomaren Endlagern und auch die Ausgaben, die Herr Schlotmann erwähnt hat, nämlich in Wackersdorf und anderswo, wenn das alles zusammengerechnet und bilanziert wird.

Je höher der politische Ehrgeiz beim Umbau der Energieerzeugung ist und je schneller er kommt, desto größer ist die Chance, meine Damen und Herren, durch deutsche Ingenieurskunst in den verschiedenen Energietechnologien Weltmarktführer zu werden oder zu bleiben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

An einigen Stellen sind wir es schon. Das schafft bekanntlich, und das ist auch ein Kostengesichtspunkt, Arbeitsplätze, wie wir an der Erfolgsgeschichte des EEG der letzten zehn Jahre ablesen können, auch in Mecklenburg-Vorpommern, und hat großen Einfluss auf die Kostenfrage. Und gerade unser Land hat in diesem Bereich erhebliche Potenziale, die es nutzen kann.

Das heißt, die Nutzung unendlich und kostenlos zur Verfügung stehender neuer Energien durch entsprechende Investitionen in Erzeugungsanlagen ist im Vergleich zu den konventionellen Energien für sich genommen nicht unbedingt mit höheren Kosten verbunden. Allerdings fallen beim Netzausbau sowie bei den erforderlichen Speichermedien hohe Investitionskosten an, die teilweise mit der Verschleppung notwendiger Erneuerungsinvestitionen durch die bisherigen Eigentümer erklärt werden müssen.

Ich glaube, dass die zentrale Vokabel „Kosten des Atomausstiegs“ bestenfalls parteilich, ich meine auch, falsch ist. Denn mit dieser Vokabel wird der Gewinn aus dem Ausstieg konventioneller Energieerzeugung leider überhaupt nicht bilanziert.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Am besten können wir dieses derzeit bei den Energiekonzernen beobachten, deren Atommeiler abgeschaltet sind. Was sie auf der einen Seite im Konzern als Einbußen des Umsatzes bilanzieren, wird auf der anderen Seite des Konzerns beim Verkauf der Zuwächse von Kohlestrom, von Öl- und Gasstrom, auch von Windstrom ein wenig inzwischen als Zuwachs des Umsatzes bilanziert, aber verschwiegen. Das ist ein Nullsummenspiel.

Das zeigt, dass die Debatte im hohen Maße interessengeleitet ist und leider nicht seriös Mehraufwendungen beziehungsweise Umsatzeinbußen einerseits und Minderausgaben beziehungsweise Umsatzerhöhungen andererseits beim Umsteuern in der Energieerzeugung zusammenführt. Insofern danke ich der Linksfraktion für diese Debatte, bei der es immer auch um die volkswirtschaftliche Gesamtbilanz in der Kostenfrage gehen muss. Wir halten den Antrag allerdings nicht für zustimmungsfähig. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)