Es macht uns schon nachdenklich, wenn die Koalitionsfraktionen den 50. Jahrestag des Vertrages von Rom
nun gerade in dieser Landtagssitzung fast völlig ausblenden. Herr Müller hat eben noch einmal auf die Wichtigkeit hingewiesen. Immerhin gab es in den letzten Wochen interessante Debatten über die weitere Entwicklung der Europäischen Union und nicht zuletzt eine Berliner Erklärung. Aber diese Debatten werden ignoriert oder, besser gesagt, verschwiegen wie vorher die hoch gepriesene Berliner Erklärung durch die Kanzlerin selbst. Oder liegt es daran, dass deutlich wird, dass das hochgesteckte Programm der Kanzlerin nicht zu erfüllen ist, auch weil Deutschland selbst die Entwicklung und die konkrete Untersetzung bremst?
Aber nun zurück zum Antrag. Wie schon gesagt, der Antrag ist eigentlich nichts Neues. Er ist nur eine Bestätigung des Koalitionsvertrages, nämlich der Ziffer 349, dort nur mit konkreten und viel, viel mehr und schöneren Worten. Und so steht die Frage, ob die Koalitionäre die Rolle des Landtages jetzt und künftig darin sehen, dass er zum nachträglichen Notar des Koalitionsvertrages bestellt wird.
Es soll nun nach dem Willen der Koalition ein Konzept erarbeitet werden, nach dem die Europafähigkeit der Verwaltung erhöht werden soll. „Es werde Licht“, so soll
wohl die eigentliche Botschaft lauten. Das Papier soll Ende des Jahres fertig sein und bis Silvester 2007 soll der Landtag Bescheid bekommen, was darin steht. So weiß man wenigstens, in welche Richtung und wohin die Reise gehen soll: von nirgendwo nach nirgendwo.
Selbstverständlich geht es Ihnen in erster Linie um die Ausstattung des Informationsbüros in Brüssel. Hier haben Sie sicherlich das Einvernehmen mit der Finanzministerin hergestellt. Und damit hier auch nicht gleich wieder ein Märchen erzählt wird: Aus unserer Sicht leisten die Frauen und Männer an der Seite von Herrn Dr. Boest eine hervorragende Arbeit und es ist ihnen nur zu gönnen, dass sie verstärkt werden. Wir möchten auch hier unseren Dank aussprechen.
Natürlich wundert es uns schon, dass das Konzept dem erstaunten Landtag erst bis zum Ende des Jahres vorgestellt werden soll. Fangen Sie denn wirklich bei null an? Und der Gegenstand kann doch die Regierung nun wirklich nicht überfordern. Im Übrigen gibt es in anderen Bundesländern bereits recht gute Papiere. Ich weise an dieser Stelle darauf hin. Oder wissen Sie noch nicht so richtig, wie Sie diesen Punkt konkret untersetzen wollen?
Der Vollständigkeit halber möchte ich auch sagen, dass der Antrag nicht einmal Unterhaltungswert hat, denn in sage und schreibe sechs dürren Sätzen ist eine Perlenkette von Worthülsen zusammengereimt worden, was dem Unternehmen gleicht, auf der Glatze eine Locke zu legen. Jeder weiß doch beispielsweise, dass mit dem Begriff „Europatauglichkeit“ lediglich ein Popanz aufgeschrieben ist. Die Frage ist, welche Probleme in der Verwaltung denn als europatauglich angesehen werden. In dem Konzept soll die Zusammenarbeit mit den norddeutschen Bundesländern stehen. Nun mit Verlaub, meine Damen und Herren der Koalition, das hat doch höchstens mittelbar etwas mit der Europatauglichkeit der Verwaltung zu tun. Oder glaubt man etwa ernstlich, dass man in Brüssel verwaltungsmäßig eine Einheitsfront der Nordländer schmieden kann oder wenigstens eine einheitliche Sprache fi ndet? Ich habe meine Zweifel, denn dazu sind die Interessenlagen wohl zu unterschiedlich. Darüber hinaus sind wir auch fest davon überzeugt, dass die Verbesserung der Zusammenarbeit mit Berlin und Brandenburg dringender wäre, nicht zu vergessen die Zusammenarbeit mit Polen in der Grenzregion.
Meine Damen und Herren, es liegt uns völlig fern, Sie davon abzuhalten, für die Verwaltung das Konzept auszuarbeiten. Eine Aufstockung des Informationsbüros in Brüssel ist nur zu begrüßen, eine Lösung der Probleme ist es jedoch nicht. Richtig ist, dass Mecklenburg-Vorpommern immer mehr von den Auswirkungen der europäischen Politik direkt betroffen ist und in der Tendenz leider immer weniger Einfl uss auf diese Politik nehmen kann. Hier ist denn auch gleich die Schranke benannt. Natürlich gehört zur Europatauglichkeit, dass das Land nicht nur in der Landesverwaltung zu Hause Sorge dafür trägt, dass EU-Recht vernünftig und sachkundig umgesetzt wird. Immerhin beruhen inzwischen über 80 Prozent des deutschen Rechts so oder anders auf EU-Recht. Da gibt es für Beamte viel zu tun. Aber wir müssen zugleich auch Vorsorge dafür treffen, so früh wie möglich auf das Gesetzgebungsverfahren und die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene einzuwirken. Wir gehen davon aus, dass im Konzept die EU-Angelegenheiten in der Verwaltung als Querschnittsaufgabe angelegt und
zugleich in der Nähe des Regierungschefs in der Staatskanzlei gebündelt werden. Auch die Information zwischen Fachressorts und dem Informationsbüro bedarf ganz sicher eines konzeptionellen Rahmens. Einen Stellenpool mag man vorhalten, rotationsmäßige Anordnungen vornehmen, auch die Aneignung von Sprachkompetenzen mag man fördern. All das ist richtig und dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen.
Mir liegen zwei andere Punkte am Herzen, meine Damen und Herren, die aus meiner Sicht viel tiefgründigere Fragen der Europatauglichkeit aufwerfen. Das ist zum einen die Teilhabe und Mitwirkung oder Einbeziehung des Landtages in Europaangelegenheiten und zum anderen die Frage, was Mecklenburg-Vorpommern zur gegenwärtigen Krise der EU-Entwicklung sagt, die schlaglichtartig in der Ablehnung der Verfassung kulminiert, die aber insgesamt auf einer langjährigen systematischen Entwicklung der EU in Richtung eines zentralistischen, ja imperialen Staatenbundes beruht. Recht haben wohl diejenigen, die wie Roman Herzog von einer schleichenden Entwicklung sprechen. Schließlich muss man dann auch das empfi ndliche Demokratiedefi zit der EU sehen. Wenn dieser Entwicklung auf Dauer nicht Einhalt geboten wird, kann man sich an fünf Fingern ausrechnen, was Mecklenburg-Vorpommern an Europatauglichkeit noch zu leisten haben wird, nämlich gar nichts.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist kaum etwas dagegen zu sagen, wenn ich feststelle, dass zur Europafähigkeit des Landes unbedingt die Beteiligung des Landtages gehört,
und zwar nicht nur als lokale Abstimmungsapparatur. Und wie gehen wir eigentlichen mit der kommunalen Selbstverwaltung um? Eine Einbeziehung des Landtages in das Konzept ist wohl nicht vorgesehen, auch keine Beratung im Europa- und Rechtsausschuss. Aber das Problem steht grundsätzlich da. Aus meiner Sicht benötigen wir die Befassung des Bundestages und des Landtages sowie ihre regelmäßige Beteiligung in zentralen Punkten, wenn man über Europafähigkeit überhaupt ernstlich reden will.
Bekanntlich haben Bundestag und Bundesrat, meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit in Angelegenheit der Europäischen Union im Bundestag in Form eines interfraktionellen Antrages beschlossen. Ausdrücklich wird zur Begründung von allen Seiten übrigens auf die Verfassungslage nach Artikel 23 des Grundgesetzes hingewiesen, wonach der Bundestag umfassend und frühestmöglich informiert werden muss und ferner Gelegenheit zur Stellungnahme haben muss, die dann zu berücksichtigen ist.
Gewiss, meine Damen und Herren, wir haben in der Landesverfassung nicht so eine zwingende und stringente Regelung, wie sie auf Bundesebene besteht, aber von der Tendenz her meint auch unsere Regelung nichts anderes. Kurzum, ich halte es für zweckmäßig und auch an der Zeit, in einem Parlamentsinformationsgesetz eine zwingende ausführende Regelung zu treffen, die konkreten Details ebenfalls wie auf Bundesebene vertraglich zu fi xieren.
Ich gehe davon aus, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, dass Sie zu Ihrem Altbundespräsidenten Roman Herzog stehen. Ich hoffe nur, dass Sie seine Meinung über die EU-Verfassung und die europäische Entwicklung teilen und sich dementsprechend auch verhalten. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Kuhn. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am letzten Sonntag unter der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands war schon ein historischer Tag, nicht nur weil ein interessantes und ergreifendes Konzert für alle Beteiligten von der Berliner Philharmonie gegeben wurde, sondern man auch thematisch, glaube ich, richtig gelegen hat. Es wurde die 5. Sinfonie von Beethoven intoniert, die Schicksalssinfonie. Und ich glaube, das ist die Überschrift, über die wir nachdenken müssen, dass wir in Europa letztendlich als Nationalstaaten über unsere Geschichte hinweg schicksalhaft miteinander verbunden sind.
Es ist sicher auch ein willkommener Anlass heute, einen Antrag hier miteinander zu diskutieren, der sich über die Europafähigkeit der Administration auslässt und in der Diskussion Anregungen, Ergänzungen und ganz praktikable Lösungen aufwirft. Und wenn ich die Rede von der Kollegin Borchardt hier noch einmal refl ektiere, habe ich schon den Eindruck, dass da nicht allzu viel Herzblut reingelegt wurde, sondern es eine Rede war,
wo Sie dann auch, was bundespolitisch und europapolitisch von der PDS vertreten wird, eine gewisse Häme hineingelegt haben,
weil das Projekt Europa so nicht gelingt und der EU-Verfassungsvertrag noch nicht so weit ist, wie wir ihn haben wollen.
Und wenn ich das Abstimmungsergebnis seinerzeit im Bundesrat sehe, das war eine Schande für MecklenburgVorpommern, dass Sie in der Regierung interveniert und Ihren Koalitionspartner dahin gebracht haben, dass sie sich enthalten haben.
(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Es wurde positiv hervorgehoben. – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)
(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Wir haben tausend Briefe aus Frankreich erhalten, Herr Kollege.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwischenrufe sind ja in Ordnung, aber man muss den Redner hier auch verstehen können