Und seitdem, meine Damen und Herren, und das möge vielleicht zeigen, was erlebte Hilfe ist, seitdem kann ich keine Erdnussbutter mehr essen,
weil die haben wir in der Schule gekriegt und die mochte ich damals schon nicht, aber wir hatten Hunger, und da haben wir die auch gegessen. Aber ganz ernsthaft, meine Damen und Herren, da hat es begonnen. Da hat es begonnen und das endete auch an einem 8. Mai, der wird immer wieder vergessen. Der 8. Mai 1949 ist für mich eigentlich der Tag, auf den ich mich am liebsten zurückziehe und auf den ich mich am liebsten stütze. Da hat nämlich der Parlamentarische Rat das Grundgesetz beschlossen, das heute gilt in ganz Deutschland. Und über Parteigrenzen hinweg haben Demokraten Folgendes gesagt: „Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ Und – da schließe ich mich an meinen Kollegen Schlotmann an – wir werden darum kämpfen, dass dieser Satz nicht wieder nur Papier wird,
dass dieser Satz gilt in unserem Land, in unserer Gesellschaft, unter uns und über uns selber hinweg. Wer Kinder hat wie ich und wer auch mittlerweile einen Enkel hat, der ist sehr daran interessiert, dass diese Kinder in einer freiheitlichen, demokratischen, toleranten Gesellschaftsordnung groß werden. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.
Und Sie werden es nicht schaffen – das ist meine feste Hoffnung, dafür werden wir alles tun –, diese Festen zu erschüttern. Sie sind stabil.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Auch ich möchte mich recht herzlich dafür bedanken, dass es gelungen ist, unsere Initiative
aufgreifend eine gemeinsame Entschließung des Landtages aus Anlass des Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des Zweiten Weltkrieges auf den Weg zu bringen.
Ja, Herr Dr. Jäger, wir alle haben im Zusammenhang mit dem 8. Mai unsere eigenen Empfi ndungen. Lassen Sie mich daher meine Rede mit drei Begebenheiten beginnen:
Die erste fi el mir wieder am Montag ein während der Festveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, als über die Verantwortung der deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg gesprochen wurde. Als mein Vater so alt war wie mein Sohn heute, nämlich 19 Jahre, musste er als Soldat der Wehrmacht an die Ostfront. Dort schwer verwundet, geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1949 zurückkehrte. Über seine Kriegserlebnisse hat er kaum berichtet – aus Scham oder zur Verdrängung, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass er nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft etwas Neues, etwas anderes wollte. Er wurde Mitglied der SED, ging zur damaligen Volkspolizei und arbeitete bis zum Eintritt ins Rentenalter als Kriminalist. Lieber Kollege Jäger, nach der undifferenzierten Lesart von Ihnen hat sich mein Vater somit schuldig gemacht vom Übergang der einen in die andere Diktatur. Das schmerzt persönlich und es beleidigt viele tausend Männer und Frauen der Generation meines Vaters.
Die zweite Begebenheit: Ein Regiment, in dem ich diente, trug den Namen Bernhard Bästlein. Vielleicht werden Sie, Herr Dr. Jäger, mit dem Namen nichts anfangen können.
Bernhard Bästlein war ein führender Funktionär der KPD und wurde von den Faschisten umgebracht. Ich habe lange gesucht, um ähnliche …
Ich habe lange gesucht, um ähnliche Namensgebungen bei Verbänden der Bundeswehr zu fi nden. Vergeblich. Eher bin ich auf andere Namen gestoßen und mit Ihrer undifferenzierten Betrachtungsweise vom Übergang der einen in die andere Diktatur blenden Sie diese Tatsache völlig aus.
Die dritte Begebenheit: Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit vielen Jahren bin ich Mitglied im Bund der Antifaschisten in diesem Land. Ebenso Mitglied dieser Vereinigung ist der von mir hoch geschätzte Dr. Ulrich Rabe. Herr Dr. Rabe ist der einzige Überlebende seiner jüdischen Familie. In der DDR wie heute versucht Dr. Rabe mit all seinen Kräften, eine Wiederbelebung faschistischen Gedankenguts zu bekämpfen. Nach Ihrer undifferenzierten Betrachtung ist aber auch Herr Dr. Rabe schuld am Übergang der einen in die andere Diktatur.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so aber, glaube ich, kann und darf die Geschichte vor dem 8. Mai 1945, die Würdigung der Befreiung vom Hitlerfaschismus und die Geschichte nach dem 8. Mai nicht interpretiert werden. In der Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus und seinen heutigen Nachfolgern gehören die Ursachen seiner Entstehung, die Verbrechen und Leiden des Krieges und die durch die Besatzungsmächte geprägte Entwicklung im Nachkriegsdeutschland zusammen. Jede Gleichsetzung der geschichtlichen Epochen oder eine Verharmlosung ihrer Ergebnisse sind für diese Auseinandersetzung jedoch ein schlechter Ratgeber.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der deutsche Faschismus fand Zuspruch in einer Zeit größter sozialer Ungerechtigkeiten. Die Beschäftigung mit der Geschichte Mecklenburgs in der Zeit von 1925 bis 1932, als die erste von der NSDAP gestellte Landesregierung gebildet wurde, macht dies mehr als deutlich. Den wohlklingenden Versprechen der Nazis folgten Unterdrückung, Beseitigung der Demokratie, Völkermord und Krieg. Das deutsche Volk musste von außen befreit werden, denn es war selbst nicht in der Lage, sich vom Faschismus zu befreien.
Als am 8. Mai die Waffen schwiegen, hatten mehr als 50 Millionen Menschen den verbrecherischen Wahn des deutschen Faschismus mit ihrem Leben bezahlt und der vom deutschen Faschismus entfesselte Krieg schlug mit aller Macht auf Deutschland zurück. Über 11 Millionen deutsche Soldaten gerieten in Gefangenschaft – 7,7 Millionen in Lagern der Westmächte, 3,3 Millionen in Lagern der Sowjetunion. Zu den Millionen Toten, Verletzten und Obdachlosen kamen weitere 10 Millionen, die durch Flucht und Vertreibung ihr Zuhause verloren hatten. Für all diese Menschen war der 8. Mai, wie Altbundespräsident von Weizsäcker zu Recht feststellte, eben ein Tag der Befreiung. „Er hat“, das wurde heute schon zitiert, so Weizsäcker, „uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Für all diese Menschen sollte der 8. Mai 1945 auch ein Neuanfang sein. Dieser Neuanfang war gekennzeichnet von der Politik der Besatzungsmächte. Sie führte zur Spaltung Deutschlands und zum Kalten Krieg. Und natürlich war die Entwicklung in beiden deutschen Staaten nicht ohne Widersprüche. Das Leben in der DDR war ein Leben in einem abgeschotteten Land, in dem sich individuelle Freiheitsgüter nur sehr eingeschränkt entwickeln konnten.
Und trotz Ihrer Bemerkung in Ihrer Rede heute, Herr Dr. Jäger, die undifferenzierte Beurteilung dieser geschichtlichen Epoche zielt natürlich vornehmlich auf die Linkspartei. Deshalb erkläre ich hier nochmals in aller Öffentlichkeit: Wir haben im Gegensatz zu Ihnen aus unserer Geschichte gelernt.
Respekt vor den Ansichten Andersdenkender ist Voraussetzung von Befreiung. Wir lehnen jede Form von Diktatur ab und verurteilen den Stalinismus als verbrecherischen Missbrauch des Sozialismus.
(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Dr. Margret Seemann, SPD – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)
Freiheit und Gleichheit, Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit sind für uns unteilbar. Und deshalb sagen wir mit Recht, der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung. Aus eigener historischer Erfahrung und Verantwortung sind wir deshalb aufgefordert, uns gegen Faschismus und gegen Krieg zu engagieren.
Der Schwur der Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ hat heute 62 Jahre nach ihrer Befreiung nichts an Aktualität verloren. – Danke schön.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP auf Drucksache 5/536. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP auf Drucksache 5/536 bei Zustimmung der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe vereinbarungsgemäß auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Mehr Kinder- und Jugendschutz – Internetfi lter in Schulen installieren, auf Drucksache 5/487.
Antrag der Fraktionen der CDU und SPD: Mehr Kinder- und Jugendschutz – Internetfi lter in Schulen installieren – Drucksache 5/487 –
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein vielleicht nicht ganz so emotionales Thema wie das vorangegangene, aber eins, was in seiner Aktualität große Bedeutung hat: „Mehr Kinder- und Jugendschutz – Internetfi lter in Schulen installieren“. Die Lebenswirklichkeit unserer Kinder und Jugendlichen ist stark geprägt durch die Nutzung einer Vielzahl von Endgeräten, die einen Zugang zum Internet ermöglichen oder digitale Medien aus dem Internet nutzen können. Sie alle kennen das – Handys, PC, MP-3Player, PDAs. Man könnte es noch viel weiter ausführen. Diese Geräte verschmelzen Offl ine- und Onlinemedien.
Die Nutzung der Angebote unterliegt einem ständigen Veränderungsprozess. Oft schafft diese Schnelllebigkeit ein Vakuum an Werten und Orientierung. Jugendliche können nicht absehen, welche Fähigkeiten und sozialen Zusammenhänge für sie überhaupt von Dauer sein werden. Es ist unsere Aufgabe, ihnen Antworten auf ihre Fragen zu geben. Wir müssen und wollen die Jugendlichen als verlässliche Partner auf ihrem Weg, selbstbewusste und verantwortungsvolle Persönlichkeiten zu werden, begleiten. Deshalb diese Initiative der Koalitionsfraktionen. Sie dient ganz bewusst einem Ziel, dem Schutz und vor allem der Begleitung – und hier ist es eine Frage von Medienkompetenz, was eine immer wichtigere Rolle spielt –, also Schutz und Begleitung im Netz ist unser zentrales Ziel dieses Antrages. Ich würde mich freuen, wenn ein Großteil dieses Hauses unser Anliegen unterstützt. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Begründung des Antrages heißt es, ich darf noch einmal zitieren: „Kinder und Jugendliche müssen in Schulen, zu Hause in den Familien und in öffentlichen Einrichtungen vor Internetinhalten wie Gewalt, Pornografi e und Drogen geschützt werden.“ Das ist sicherlich ein ernst zu nehmender Ansatz und fordert von Politik auch Handeln. Allerdings, warum Sie in dem normalen Beschlusstext – die Begründung wird ja nun nicht mit beschlossen im eigentlichen Sinne – sozusagen nur von Internetfi ltern an Schulen reden, erschließt sich mir jedenfalls vor dem Hintergrund der Begründung, dass es doch um eine umfänglichere und sicherlich auch koordinierte Arbeit mit den Eltern, mit den Einrichtungen von Jugendhilfe, mit den Einrichtungen an den Universitäten und Fachhochschulen, mit anderen Bildungseinrichtungen geht, nicht ganz.
Mit der Antragsformulierung – da will ich mir mal die Polemik ersparen, ob es wirklich eines Prüfauftrages durch die Koalition bedarf –, mit dem Antrag selbst geht es gar nicht mehr so sehr um das Ob