Werte Abgeordnete der Linkspartei.PDS! Unsere Fraktion war doch schon etwas verwundert über den Antrag, den Sie eingebracht haben.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Sie kommen wohl aus dem Wundern gar nicht mehr raus heute?!)
Das ist Wahnsinn, Frau Borchardt, aber es ist so, ja. Beim Lesen des von Ihnen vorgelegten Antrages haben wir gedacht, jetzt kann die Linkspartei.PDS auch noch hellsehen. Oder wie erklären Sie all die interessanten Feststellungen Ihres Entschließungsantrages? Da lesen wir die schönen Sätze wie: „Im Scheitern des Verfassungsentwurfs widerspiegeln sich nicht nur mannigfaltige Ängste, Zweifel und Sorgen zur europäischen Integration sowie begründetes Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäischen Institutionen.“
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Wollen Sie etwa bezweifeln, dass das so ist? – Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)
Und noch viel hellseherischer: „Der Vertragsentwurf ist gescheitert, weil er dem Streben der Bürgerinnen und Bürger nach einem friedlichen, demokratischen und sozialen Europa nicht gerecht wird.“
„Das Abstimmungsvotum bedeutet zugleich die Absage der Bürgerinnen und Bürger an die Lissabon-Strategie.“ Was, würde der Bürger auf der Straße sagen, vielleicht auch viele Politiker, Lissabon-Strategie? Ich fi nde es ein starkes Stück, wie Sie hier mal schnell ohne irgendwelche Studien oder Umfragen ein Meinungsbild feststellen, das nicht nur ein Teil, nein, nach Ihrer Ansicht, die Bürger haben.
Das erinnert mich an die Zaubershows, in denen ein Magier durch die Reihen zieht und den Leuten einredet, dass er genau weiß, was jeder einzelne denkt, und dann redet er so lange und geschickt mit dem Betroffenen, nämlich so lange, bis sie meinen, dass das, was er sagt, genau das ist, was sie glauben.
Sie wollen die Bürger mit Ihrem Antrag nicht aufklären und informieren oder gar für den europäischen Verfassungsprozess werben, sondern lediglich für Ihre Interessen nutzen.
Was Sie, meine Damen und Herren der Linkspartei, wirklich wollen, das sagen Sie uns unmissverständlich im zweiten Teil des Antrages. Sie wollen, ich zitiere: „schlüssige Antworten“ fi nden, „wie ein anderes Europa gestaltet wird, ein Europa mit mehr sozialer Gerechtigkeit und Solidarität,“
„das sich für Frieden in der Welt und“ – jetzt hören Sie ganz genau zu – „ein neues Entwicklungsmodell einsetzt.“ Ich kann mir sehr gut vorstellen, was Sie unter einem neuen Entwicklungsmodell verstehen.
Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, und das will ich ganz deutlich sagen, dass Europa auf einem guten Weg ist.
Sicher, es ist noch viel zu tun: Wir müssen die Bürger mehr einbinden in den Prozess. Wir müssen die Entscheidungen in und um die europäischen Fragen intensiver erläutern. Vor allem aber, und das ist uns auch als Fraktion bewusst, müssen wir die Bürger informieren und aufklären. Die Verfassung ist doch im Wesentlichen deshalb gescheitert, weil die Bürger nicht wussten, warum Sie was entscheiden sollten,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Gerade das haben wir doch gesagt.)
nicht wussten, wie die Verfassung aussieht, warum das, was drinsteht, der Kern der Sache ist. Und an wem liegt das? Da müssen wir Politiker uns alle, die wir in diesem Raum, in diesem Plenum sitzen, erinnern,
dass wir uns zu lax mit diesem wichtigen Thema auseinandergesetzt haben, zu wenig für Europa geworben haben. Ihr Antrag kann zur Beseitigung dieser Mängel nicht beitragen. Es sät, und das will ich ganz deutlich sagen, höchstens noch mehr Misstrauen,
Lassen Sie uns deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns deshalb darüber diskutieren, wie wir die Bürger auf dem europäischen Weg mitnehmen können, wie wir sie am Verfassungsprozess intensiver beteiligen und mit einnehmen können. Ich nenne hierbei nur das urliberale Thema „Volksabstimmung über die Verfassung, auch hier in Deutschland“.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ja, dafür sind wir. Das wissen Sie doch wohl.)
Aber tun Sie mir einen Gefallen, Herr Professor Methling: Mit linker Polemik und dem Ausrufen neuer Entwicklungsmodelle ist uns nicht geholfen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das war ja sehr fl ach, was Sie eben gesagt haben.)
Wir kommen dann bei einer tiefgründigen Diskussion sicherlich auch zusammen. Wir werden dem Antrag nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Europäische Verfassungsvertrag liegt seit 2005 auf Eis. Er ist nicht tot, Herr Kollege Methling, sondern die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft haben sich eine Auszeit ausbedungen,
um das Projekt weiter mit der Bevölkerung gemeinsam zu diskutieren, mit der Bevölkerung der Nationalstaaten, um einen Konsens zu erreichen. Allerdings bin ich auch der festen Überzeugung, dass zurzeit noch in vielen Nationalstaaten, obwohl 18 Parlamente der Europäischen Union in den Nationalstaaten schon zugestimmt haben, eine gewisse europäische Skepsis in der Bevölkerung da ist. Und ich muss dem Kollegen Leonhard zustimmen, er hat das richtig analysiert: Der Antrag der PDS-Fraktion ist letztendlich darauf angelegt, dass diese Vorurteile immer wieder neu genährt werden,
damit die Europäische Union, so, wie unsere Vorstellungen sind, nicht in eine vernünftige verfassungsrechtliche Lage kommt.
Und das sind unterschiedliche Instrumente, die Sie da unbedingt immer wieder mit anführen, wie man letztendlich aus tagespolitischen Situationen für eine Partei – wie Sie – Vorteile schöpfen kann. Ich nehme nichts von meiner Rede, die ich letztes Mal zu dem Thema gehalten habe, und da haben wir das auch gemeinsam analysiert, zurück. Das können Sie dort alles noch einmal nachlesen.