Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

(Zurufe von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Sozial-, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig. Wir brauchen die für den Arbeitsmarkt notwendige Flexibilität und wir brauchen sozialen Schutz und soziale Sicherheit. Jeder einzelne Bürger sollte noch stärker die soziale Seite Europas spüren können, denn indem wir die Solidarität zwischen den Menschen stärken, schaffen wir mehr Akzeptanz. Europa muss populärer werden und dazu muss Europa die Köpfe und die Herzen der Menschen erreichen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Da sind wir völlig einer Meinung.)

Meine Damen und Herren, „Europa gelingt gemeinsam“, so ist das deutsche Präsidentschaftsprogramm überschrieben und diese Überschrift ist Ansporn und Verpfl ichtung zugleich. Wir müssen dafür eintreten, den europäischen Verfassungsprozess voranzubringen, und der vorliegende Antrag wird dem leider nicht gerecht. Die deutsche Ratspräsidentschaft setzt in ihrem Präsidentschaftsprogramm dazu klare Akzente. Und auch die Bundesländer sind sich ihrer Verantwortung im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses bewusst. Während der Sonderkonferenz der Regierungschefs am 7. März in Brüssel haben sie die soziale Dimension der sogenannten Lissabon-Strategie hervorgehoben, die Sie hier ablehnen. Mit dieser waren vor Jahren Ziele in Bezug auf Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt vereinbart worden. Die Bundesländer haben die Bedeutung der Weiterentwicklung der sozialen Dimension Europas formuliert, um Solidarität und Wettbewerb miteinander zu verbinden.

Wir sind uns einig, dass das Subsidiaritätsprinzip gestärkt werden muss. Die einzelnen Staaten als Sozialpartner des europäischen Sozialmodells dürfen in ihren Spielräumen nicht unangemessen eingeschränkt werden. So muss es ihnen unbenommen bleiben, hohe nationale soziale Standards beizubehalten. Europaweit geltende Mindeststandards können Sozialdumping innerhalb der EU vermeiden. Die Europäische Verfassung steht ausdrücklich für dieses Modell der Subsidiarität in Europa. Europa ist eine Wertegemeinschaft und dies kommt in der Verfassung mit der Verankerung von sozialen Grundrechten und der sozialpolitischen Zieldefi nition zum Ausdruck.

Man kann diese soziale Dimension der Europäischen Union nicht oft genug herausstreichen, doch das reicht nicht. Im Interesse der Verstärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in der EU muss man ebenso immer wieder die Notwendigkeit der Weiterentwicklung dieser sozialen Dimension betonen, denn gerade in dem französischen Referendum zum Verfassungsvertrag kamen die Ängste vor einer als unsozial empfundenen EU zum Ausdruck und dafür ist es wichtig, dass auch die Bundesländer sich in dem Prozess der Diskussion und der Entwicklung konstruktiv zu Wort melden. Der vorliegende Antrag wird dem nicht gerecht.

Meine Damen und Herren, wir in Mecklenburg-Vorpommern wollen die EU-Ratspräsidentschaft und die dringenden Aufgaben, die anstehen, zu unserem Anliegen machen. Wir müssen, da, wo es möglich ist, die Chance

nutzen, unsere Stimme, die Stimme Mecklenburg-Vorpommerns im europäischen Konzert erheben. Das gilt gerade für ein Bundesland, das durch den europäischen Einigungsprozess von einer Randlage in eine bessere Lage, in die Mitte gerückt ist. Die ökonomischen Vorteile und die Vorteile für unsere Bürgerinnen und Bürger sind überall augenscheinlich und sichtbar. Europa hat im Sinne der Europäischen Union immer wieder Rückschläge erlebt, aber es hat auch immer wieder Fortschritte gemacht. Europa wächst zusammen. Europa muss zusammenwachsen, um nach außen hin ein verlässlicher Partner zu sein und nach innen zum Nutzen seiner Bürgerinnen und Bürger zu wirken. Dafür brauchen wir, das sage ich hier ganz deutlich, institutionelle Grundlagen,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Kein Zweifel.)

und eine der wichtigsten ist ein Verfassungsvertrag. Die Landesregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür ein, den Verfassungsvertrag der EU weiter voranzubringen. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass die EU zukunftsfähiger wird. Wir sind davon überzeugt, dass die EU einen Verfassungsvertrag braucht und dass er Vorteile gerade auch für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit sich bringt. Um es klar und deutlich zu sagen, zum dritten Mal: Der vorliegende Antrag, Herr Kollege Methling, wird diesem Anliegen nicht gerecht. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das sehen wir anders, aber wir stimmen in vielen Dingen überein.)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD. Herr Detlef Müller.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das ist die neue Verfassung! – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!

Sehr geehrte Frau Borchardt! Wir beide sind ja nun, wenn ich das so sagen darf, schon sehr häufi g an der Front in Europa gewesen und haben dort gekämpft.

(Heiterkeit bei Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Udo Pastörs, NPD – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Und insofern bin ich etwas überrascht über den heute vorliegenden Entschließungsantrag. Ich schätze Sie als sehr kompetente und konstruktive Mitstreiterin, wie gesagt. Aber der Antrag hier heute?! Bei mir entsteht so ein bisschen der Eindruck, Frau Kollegin Borchardt, er ist mit sehr, sehr heißer Nadel gestrickt, was ja nicht so schlimm ist, das ist uns ja auch schon passiert.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Wir haben Sie ja zum Mitstricken eingeladen gehabt. – Heiterkeit bei Raimund Borrmann, NPD, Udo Pastörs, NPD, und auf der Ministerbank)

Insofern will ich das ja auch nicht negativ bewerten. Aber was mir mehr Sorgen macht, Frau Kollegin Borchardt –

vielleicht hätten wir ja doch tatsächlich zusammen stricken sollen –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

es sind fast nur Luftmaschen geworden, tut mir leid. Auch die vielen Zitate der unterschiedlichsten Politiker in dem Entschließungsentwurf, glaube ich, machen den Entwurf nicht besser.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Und, wenn ich das in diesem Zusammenhang sagen darf, auch die Meinung des immer und alles besser wissenden Oskar Lafontaine beeindruckt nicht wirklich.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das war auch mal anders! – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

Ja gut, aber in diesem Fall.

(Heike Polzin, SPD: Das liegt aber an Oskar Lafontaine!)

Das lag aber an Herrn Lafontaine, richtig, genau.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, Linkspartei.PDS und Michael Roolf, FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ach so?!)

Gestatten Sie mir dennoch einige Anmerkungen zu Ihrem, wie gesagt, luftigen Antrag. Sie behaupten, dass der Verfassungsvertrag mit der Ablehnung der Bürger aus Frankreich und den Niederlanden unwiderrufl ich gescheitert ist. Sehr geehrte Frau Kollegin Borchardt, „unwiderrufl ich“ sieht für mich auf jeden Fall anders aus. Immerhin haben von den 27 Mitgliedsstaaten 18 den Vertrag bereits ratifi ziert und das sind zwei Drittel der Bevölkerung der EU.

(Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Also ich glaube, das ist eine nicht ganz unerhebliche Menge der Menschen. Wenn Sie bedenken, dass nach dem Scheitern in Frankreich und den Niederlanden weitere sieben Staaten den Verfassungsvertrag noch ratifi ziert haben – und dabei Luxemburg sogar mit einem Referendum seiner Bürger –, dann kann ich nur sagen, da schließe ich mich selbst mit ein, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein der Befürworter wäre sicherlich hier vonnöten. Und wenn Sie auch einen sehr interessanten Zusammenhang darstellen, Ministerpräsident Ringstorff ist darauf schon eingegangen, dass Sie sagen, mit der Ablehnung ist die Lissabon-Strategie gescheitert, also ich glaube, das können Sie nicht ganz im Ernst meinen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht verwundern, dass ich mir einen anderen Wahlausgang in Frankreich gewünscht hätte, aber gewählt ist gewählt. Und wenn man den neuen Präsidenten hört, dann kann man und muss man davon ausgehen, dass im Verfassungsprozess doch noch etwas geht, auch wenn er von einer abgespeckten Version spricht. Herr Methling, da sind wir natürlich fast beieinander: Hier müssen wir aufpassen, wenn es um das Abspecken geht, was da abgespeckt werden soll.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Dennoch, glaube ich – und auch das fordern Sie ja in Ihrem Antrag –, wird die Kanzlerin hier sehr schnell eine Mittlerrolle einnehmen und versuchen, die Dinge sozusagen auf den Weg zu bringen. Auch ich bin jetzt ziemlich fest davon überzeugt, dass es der Kanzlerin gelingen wird, Herr Professor Methling, einen entsprechenden Zeitplan vorzulegen und konstruktive Verfahrensvorschläge zu machen. Also – davon gehe ich aus und das fordern Sie ja – es wird schlüssige Antworten geben.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Hoffentlich!)

Und, liebe Kollegen der Linksfraktion.PDS,

(Regine Lück, Die Linkspartei.PDS: Linkspartei.PDS!)

wenn Sie wirklich im Ernst glauben, dass der Landtag die Landesregierung beauftragen soll, Einfl uss auf die Bundesregierung zu nehmen über den Inhalt der politischen Position der Erklärung der Ratspräsidentschaft, dann, glaube ich, ist das doch ziemlich blauäugig. Ich glaube, das ist einfach nicht unsere Aufgabe, und insofern,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Ach so?! Aber der Ministerpräsident hat das anders gesagt!)

fi nde ich schon, dass wir das hier nicht weiter diskutieren sollten, wobei ich zugebe, an den fünf Positionen, die Sie hier angeführt haben, angefangen von einem gewählten Konvent über europäische Referenden, über Gewaltenteilung, über die Stärkung der Städte und Gemeinden sowie den Einsatz von militärischen Mitteln, ist ohne Zweifel was dran und da kann man sicherlich auch drüber diskutieren.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Na, ja, danke schön. Ja. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Aber ein Verfassungsentwurf, auch das haben wir oft genug hier besprochen, ist nun mal ein riesiger Kompromiss und 18 Mitgliedsstaaten haben dem schon zugestimmt.

Und wenn das wirklich so wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass dieser Verfassungsentwurf so viele Mängel hat, dann frage ich mich natürlich, ob das ständige Reden über die Dauerkrise nicht im Missverhältnis zu der Außenwirkung, die Europa in seinem direkten Umfeld hat, steht. Denn hier hat die europäische Idee ganz offensichtlich nicht an ihrer Strahlkraft eingebüßt. Wie ein Magnet zieht die EU Staaten an, die früher oder später den Wunsch offen äußern, Mitglied der EU zu werden. Diese Entwicklung, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt sicherlich nicht von ungefähr. Man kann sagen, de facto ist der Integrationsprozess erfolgt – auch das hat Ministerpräsident Ringstorff gesagt – und von historischem Ausmaß.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Frau Merkel hat aber was anderes gesagt.)

Ich habe es an dieser Stelle schon mal gesagt, Frau Kollegin Borchardt, und ich werde es auch wieder sagen: Meines Wissens ist niemand gezwungen worden, Mitglied der EU zu werden. Diejenigen, die Mitglied geworden sind, müssen anerkennen, dass es bestimmte Spiel

regeln nun einmal geben muss, und wer sich nicht an diese Spielregeln halten will oder kann, der muss das Spielfeld verlassen.

(Beifall Raimund Borrmann, NPD)

Insofern glaube ich, dass in der Tat, Herr Professor Methling hat darauf hingewiesen, nach der Denkpause ein neuer Prozess entstanden ist. Es ist Bewegung in den Prozess gekommen. Wie auch immer in Zukunft dieser Grundlagenvertrag heißen wird, ob Verfassung oder Verfassungsvertrag, ich glaube, wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Insofern, völlig klar, sind wir der Auffassung, dass wir den von Ihnen vorgelegten Entschließungsantrag nicht brauchen, und die SPD-Fraktion wird Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)