Protokoll der Sitzung vom 11.07.2007

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir erleben aktuell wieder einmal die Frontenbildung zwischen armen und reichen Ländern, begleitet zum Teil durch die jeweilige parteipolitische Ausrichtung. Die Härte des Streits wird sich zuspitzen und ein Gezerre um Details erwartet uns noch. Aber steht nicht generell die Frage, ob sich durch den Übergang von der Industriegesellschaft in eine Wissensgesellschaft Konsequenzen für die Landesverfassung und für die föderalen Finanzbeziehungen ergeben? Wir sagen, ja, diese Frage steht unbedingt und deshalb darf die Debatte um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht auf das Thema Staatsverschuldung reduziert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Oft wird der Eindruck vermittelt, als sei das ungezügelte Ausgabeverhalten der Länder die Hauptursache für die Verschuldungssituation. Dabei musste die Verschuldung wegen der langfristigen Sonderbelastungen, die aus der Deutschen Einheit resultieren, vor allem aber wegen der Einnahmeausfälle, die aus der Steuersenkungspolitik der vergangenen Jahre resultieren, strukturell erhöht werden. Wir dürfen hier nicht verschweigen, meine Damen und Herren, dass wirtschaftlich bessergestellte Unternehmen und Personen immer weniger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden und die Verschuldung auch darauf zurückzuführen ist. Die Debatte um den Anspruch einer Generationengerechtigkeit darf die Notwendigkeit der Lösung dieses Problems nicht weiter ausblenden. Es gibt keine Generationengerechtigkeit ohne Verteilungs- und Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Koplin, DIE LINKE: Richtig.)

Deshalb müssen wir auch über die Einnahmen des Staates reden. Was ist zu tun, damit sich die Situation der öffentlichen Haushalte stabilisiert und nachhaltig verbessert? Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, DIE LINKE verkennt nicht den politischen Handlungsbedarf zur Haushaltskonsolidierung. Aufgrund der Zinslast stellt die hohe öffentliche Verschuldung ohne Zweifel ein Riesen problem dar. Aber den Ländern darf nicht mit starren Verboten und restriktiven Regelungen die Luft zum Atmen genommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Dies wäre aus unserer Sicht auch volkswirtschaftlich völlig kontraproduktiv. Der Staat kann bereits heute wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge nicht mehr erfüllen. Eine Einschränkung der Verschuldungsmöglichkeiten darf diese Situation nicht weiter verschärfen. Davor warnen wir ausdrücklich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wie bereits gesagt, über Vorschläge zur nachhaltigen Entschuldung der Länder muss geredet werden. Allerdings darf dieses nicht unter dem Schlagwort „Steuerautonomie“ einen ruinösen Unterbietungswettbewerb der Länder in Gang setzen. Solch einen Kuhhandel auf Kosten der schwachen Bundesländer lehnen wir ab. Es ist kein Zufall, dass solche Vorschläge vor allem aus den Geberländern kommen, die sich damit Konkurrenzvorteile versprechen.

Herrn Oettingers Forderung – der Ministerpräsident hat darüber gesprochen –, den Ländern eigene Zu- und Abschlagsrechte auf die Lohn- und Einkommenssteuer zu gewähren, bewegt sich im Fahrwasser des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der zugleich auch noch Abschläge auf Leistungsgesetze des Bundes einführen will. Baden-Württemberg und Hessen könnten sich zurzeit selbstverständlich Steuernachlässe leisten, während die ärmeren Bundesländer gezwungen wären, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ihrer Länder stärker zu belasten. Ich meine, niemand darf privilegiert werden, nur weil er aus einem reichen Bundesland kommt. Niemand darf einkommenspolitisch benachteiligt werden, nur weil er in einem armen Bundesland geboren ist beziehungsweise dort noch lebt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und nicht zuletzt müssen wir die Interessen unseres Landes konsequent vertreten, denn wir befi nden uns wohl kaum in der komfortablen Lage, auf Einnahmen aus dem Länderfi nanzausgleich und Steuern verzichten zu können. Frau Finanzministerin hat im Finanzausschuss, der Ministerpräsident gerade in der Debatte eindrucksvolle Zahlenbeispiele dafür genannt, was mehr Steuerautonomie für Mecklenburg-Vorpommern bedeuten würde. Deshalb können wir jeglichen Steuerwettlauf nur ablehnen.

Ich halte es für gefährlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, einen Wettbewerb in dieser Hinsicht das Wort zu reden, wobei ich nicht genau weiß, wie die CDU-Position im Lande ist, aber die werden wir ja dann noch hören, Herr Kollege Jäger.

(Harry Glawe, CDU: Das werden wir gleich hören. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Wer dem positiv gegenübersteht, verkennt die verheerenden Auswirkungen, die auf ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern zukämen. Ein solcher Steuerwettbewerb zwischen den Ländern, meine Damen und Herren, würde unweigerlich dazu führen, dass die Starken gestärkt und die Schwachen geschwächt werden. Langfristig würden die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Ländern zunehmen. Die im Grundgesetz beschriebene Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bliebe eine Worthülse und Wettbewerbsföderalismus, wie er von den Südländern massiv angestrebt wird, wäre das Gegenteil dessen, was das Grundgesetz beabsichtigt, also grundgesetzwidrig. Leider ist auch die SPD-geführte Finanzpolitik des Bundes weder willens noch fähig, das staatliche Schuldendilemma durch eine strukturelle Verbesserung der Einnahmebasis anzupacken, was auch dazu beiträgt, dass die Anhänger des Wettbewerbsföderalismus politisch Oberwasser bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion in der Föderalismuskommission II wird sich voraussichtlich auf die Schuldenproblematik der Länder und auf den Wettbewerbsföderalismus beschränken. Das sind sicherlich gewichtige Themen. Wir werden dabei aufzupassen haben, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht unter die Räder kommt. Bedauerlich fi nden wir, dass die Fragen einer dringend anstehenden Gemeindefi nanzreform keine Rolle spielen sollen.

(Beifall Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Jetzt wäre nämlich der richtige Zeitpunkt gewesen, auch die Probleme der kommunalen Finanzen anzupacken. Sie alle wissen genauso gut wie ich, dass diese weder durch die Kommunen noch durch die Länder allein zu lösen sind. Chance verpasst, müsste man sarkastisch dazu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und wenn ich dann gestern in der FAZ lese, dass der Bund auch die Klinikfi nanzierung diskutieren will in der Föderalismuskommission II, verweise ich auf die letzte Landtagsdebatte, die wir hatten zur Sicherung der Krankenhausstandorte, wo wir Aussagen der Landesregierung gehört haben: Alles paletti, wir müssen uns keine Sorgen machen. Wenn ich aber das richtig verstehe, was in der FAZ geschrieben ist über die Pläne der größeren Übertragung von Verantwortung und Zuständigkeit auf die Krankenkassen, dann ist das, was Sie uns versichert haben, in höchstem Maße gefährdet und auch ein Problem der Debatte zur Föderalismusreform II.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Fortgang der Verhandlungen sicherlich kritisch begleiten. Wir erwarten, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen geschlossen und vehement für die Interessen unseres Landes eintreten. Wir sind deshalb der Fraktion der SPD dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat, denn es ist wirklich von aktueller Bedeutung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Professor Methling.

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion Herr Dr. Jäger.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ihr könnt ruhig mal bei uns klopfen. Wir klopfen auch immer bei euch. Dann kommt mal Kultur in den Landtag. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Das mit dem gegenseitigen Klopfen können wir ja noch gemeinsam üben, Herr Methling.

Aber Sie haben eine Frage gestellt, und zwar: Wie steht die CDU-Fraktion dazu? Und da ich dran bin, werde ich Ihnen das erklären. Es ist hier wie überall, wenn es ums Geld geht, dann hört die Freundschaft auf.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach was?!)

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Das habe ich Ende letzten Monats auch ein Stück spüren müssen. Wie Sie mitbekommen haben, hatten wir sämtliche Fraktionsvorsitzenden der Union der Länder und des Bundes bei uns. Natürlich war das unser zentrales Thema. Wir hatten uns Sachverständige, unter anderem Herrn von Dohnanyi und Herrn Henkel, eingeladen und wir haben dies sehr, sehr eingehend diskutiert. Ich kann Ihnen eins sagen: An meiner Meinung hat sich auch nach der Diskussion nichts geändert. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Wettbewerb gut ist, aber nur da, wo er hingehört.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Wir sind als Länder keine Wirtschaftsunternehmen, sondern wir haben Aufgaben nach dem Grundgesetz zu erfüllen. Unsere Bürger sind nicht diejenigen, die wir durch Billig- oder teuere Angebote anzulocken haben, sondern in der Gebietshoheit steckt auch die Verpfl ichtung, für das Wohl der Bürger zu sorgen und die beste Lösung zu fi nden.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD, Heike Polzin, SPD, Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Und da bin ich bei einer weiteren Aussage. Was ich mir wünsche, ist ein fairer Wettstreit unter den Ländern um die bessere Lösung. Da sind wir als Land Mecklenburg-Vorpommern überhaupt nicht schlecht. Gerade in Finanzbeziehungen, gerade in fi nanziellen Dingen sind wir richtig gut aufgestellt. Ich brauche nicht zu wiederholen, was mein Kollege Schlotmann und was der Ministerpräsident dazu gesagt haben. Ich will aber auch etwas deutlich machen. Ich war sehr zufrieden, dass meine Kollegen, die sehr unterschiedliche Interessen ihrer Länder zu vertreten haben, sehr deutlich waren in der Aussage, dass am Solidarpakt nicht gerüttelt wird. Auch das war vorher, zumindest verbal, von dem einen oder anderen infrage gestellt worden. Dies hat die sogenannte Große

Fraktionsvorsitzendenkonferenz, wie das bei uns heißt, einstimmig so zum Ausdruck gebracht.

(Beifall Werner Kuhn, CDU – Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Was Hebesatzrechte auf Steuern angeht, was auf kommunaler Ebene immer eingefordert wird, passt in die Situation deutscher Bundesländer – und da bin ich mir auch mit den Vorrednern einig – überhaupt nicht, denn es wäre kontraproduktiv für die weniger steuerstarken Länder. Was hätten wir für Möglichkeiten? Nach unten können wir nicht gehen, weil die Steueraufbringungskraft in unserem Lande noch unterdurchschnittlich ist, und nach oben können wir auch nicht gehen, denn dann vertreiben wir unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger und auch die Unternehmen, um deren Ansiedlung wir werben. Also dieser Wettbewerb ist nicht fair, wenn man ihn uns denn so ansinnt, sondern er ist für die Entwicklung der Länder, gerade derjenigen Länder, die noch steuereinnahmeschwach sind, tödlich. Ich sage das ganz bewusst. Diese Lösung kann es nicht geben.

Sicher ist, dass das Finanzsystem der Bundesrepublik Deutschland und der föderalen Bundesländer nicht dazu in der Lage gewesen ist – daran haben wir alle unseren Anteil –, die Verschuldung so zu halten, dass sie gemeinsam zu tragen ist. Deswegen ist es sicher richtig, dass am Anfang dieser Überlegung der Föderalismus-II-Diskussion steht: Wie kommen wir aus der Schuldenfalle wieder heraus?

Wir haben aus der Diskussion der Konferenz, die wir hatten, eins von den Sachverständigen mitgenommen: Es ist, denke ich, sehr naiv zu glauben, dass man mit einem Ruck eine Entschuldung hoch verschuldeter Bundesländer herbeiführen kann. Denn wer sollte denn bitte dieses Geld aufbringen für die Entschuldung? Obwohl zu überlegen ist, ob es gerecht wäre, wenn diejenigen, die Schulden aufnehmen mussten – und das haben die neuen Länder einfach dadurch, dass hoher, sehr hoher Investitions- und Nachholbedarf war, tun müssen –, unterstützt werden beim Tragen der Zinslast, denn die drückt uns. Die Finanzministerin hat sehr eindeutig in der Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht, was es bringt, wenn wir weniger Schulden haben, wenn wir tilgen, dass das auf Dauer unseren Haushalt und damit unsere Finanzmöglichkeiten verändert. Deswegen sage ich: Die Diskussion um die Föderalismusreform II wird geführt.

Wir hatten den Vertreter der Länder, den Präsidenten des Landtages aus Schleswig-Holstein dabei. Der bat natürlich um eine Meinungsbildung. Und die Meinungsbildung war ganz eindeutig die: Wir streiten miteinander um die bessere Lösung in den Ländern. Wir werden keinen Wettbewerb zulassen, nicht diese Fraktion, die CDU-Fraktion in diesem Landtag. Aber so weit ich sehe, wird es wohl in der Union keine Mehrheit geben, auch bei den Geberländern, die, was Sie befürchteten, Herr Methling, sagen: Also wir machen jetzt den Wettbewerb einfach so auf,

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

wir sehen zu, wer am billigsten sein Land regieren kann, und der soll überleben. Meine Damen und Herren, das entspricht nicht den Regeln des Grundgesetzes, das Spiel werden wir nicht mitmachen, da können Sie sich auf uns verlassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDPFraktion Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manche Debatten nehmen schon sehr frühzeitig eine Wende, so dass es sich manchmal erübrigt, ein Redemanuskript vorzubereiten. Von daher möchte ich einsteigen und sagen, das Thema Föderalismusreform darf nicht heruntergebrochen werden auf eine Gewinnerund-Verlierer-Diskussion und darf schon gar nicht dazu führen, dass wir hier generell Denkverbote einführen

(Beifall Hans Kreher, FDP, und Gino Leonhard, FDP)

und dass wir unter dem Motto leben: Allens blifft bi’n Ollen in Mecklenburg, immer schön her mit dem Geld, wir werden darauf schon gut aufpassen und wir werden mit dem Geld schon vernünftig umgehen. Die Fakten sind doch andere: