Protokoll der Sitzung vom 11.07.2007

Ich möchte hier ausdrücklich erklären, Rudolf Borchert kürzt keine Sportförderung, im Gegenteil.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Rudolf Borchert wird sich auch zukünftig dafür einsetzen, dass es keine Kürzungen gibt bei der Sportförderung.

(Zurufe von Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Also völlig klar, das nur mal zur Klarstellung.

(Zurufe von Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Ich möchte aber fairerweise, das gehört mit dazu, noch mal die wichtigsten Argumente der Befürworter, die für eine Liberalisierung des Wettmarktes eintreten, nennen und mich mit Ihnen darüber auseinandersetzen, und zwar ernsthaft, wobei ich aus Zeitgründen darauf verzichte, auf die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken einzugehen. Das hat Herr Caffi er als Innenminister hier ausführlich und überzeugend gemacht. Ich möchte noch mal auf die drei anderen Hauptargumente eingehen.

Erstens wird zum Beispiel behauptet, ja, es gäbe keine Wettsuchtgefahr durch Glücksspiel und wenn überhaupt, nur sehr gering. Es spielt überhaupt keine Rolle.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das stimmt.)

Ja, das wird so behauptet.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das steht im Gesetz.)

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es seit Kurzem ein Gutachten von Dr. Keyserlingk, ehemaliger Chefarzt der Klinik Schweriner See, der sich ausdrücklich mit dieser Thematik befasst hat, ein Gutachten zur Entwicklung der Glücksspielsucht in Mecklenburg-Vorpommern. Ich empfehle diese Lektüre, in der er überzeugend konkret für Mecklenburg-Vorpommern nachweist, dass wir schon seit Jahren eine deutliche Zunahme der Glücksspielsucht haben, die auch im Zusammenhang steht mit Lotteriespiel, mit unterschiedlichsten Arten, insbesondere bei den Sportwetten. Und nach Aussagen der Geschäftsführerin der Landesstelle für Suchtfragen Frau Diekneite haben 2005 74 Männer und 15 Frauen Suchtberatungsstellen aufgesucht in Mecklenburg-Vorpommern, die ausdrücklich sich erklärt haben, warum sie dort hingehen und sich beraten lassen. Es waren grundsätzlich Fälle, die diesem Bereich, dieser Krankheit Glücksspielsucht zuzuordnen sind.

Mir ist völlig klar, dass das keine Zahlen sind, die jetzt besonders beeindruckend sind. Aber ich glaube, sagen zu können – und das ist durch Studien belegt –, dass es neben denen, die sich wirklich dazu bekennen, in die Beratungsstelle gehen und um Beratung bitten, natürlich eine erheblich größere Dunkelziffer gibt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Insofern halte ich Behauptungen, dass Glücksspiel nichts mit Glücksspielsucht zu tun hätte, für durch die Wissenschaft und inzwischen auch durch die Praxis weitgehend widerlegt. Und die Behauptung, man könnte durch einen privaten Glücksspielbetrieb der Sucht besser entgegentreten, ich glaube, die kann man sicherlich auch gut widerlegen, denn natürlich liegt es in der Natur der Dinge, wer sich in privater Konkurrenz zu anderen befi ndet, der wird eher auf Gewinnmaximierung achten und weniger auf Suchtvorbeugung.

Zweites Argument: Geld. Also da gibt es ja immer Kostenschätzungen. Aber ich beginne erst mal mit Fakten. Etwa 3,3 Milliarden Euro pro Jahr nehmen die Länder ein über das staatliche Wettspielmonopol, Mecklenburg-Vorpommern circa 50 Millionen Euro, damit wir auch mal wissen, in welcher Größenordnung wir uns hier bewegen. Und es ist unstrittig, dass durch den vorliegenden Staatsvertrag die Einnahmen sich verringern werden, weil natürlich das Verbot der Internetwerbung, Telefonwerbung auch Selbständige im Bereich der staatlichen Lottogesellschaften treffen wird. Das wird zu Mindereinnehmen führen, die aber sicherlich überschaubar sind.

Was ich allerdings für abenteuerlich halte, das sind Zahlen, die von den privaten, von den gewerblichen Wettanbietern in den Raum gestellt werden. Die behaupten nämlich, dass zu diesen 3,3 durch eine Liberalisierung der Wettspielmärkte zusätzlich 1,7 Milliarden Euro Mehreinnahmen, und zwar durch mehr Steuereinnahmen, erzielt werden könnten. Diese Behauptung halte ich eher für abenteuerlich. Der Innenminister hat, wie ich fi nde, beispielgebend mit Großbritannien nachdrücklich nachgewiesen, dass das wirklich Luftnummern sind, die in keiner Weise praktisch zu erwarten wären.

Zum Thema Arbeitsplätze: Der Verband der gewerblichen Lottovermittler hat geschätzt, 35.000 Arbeitsplätze werden vernichtet in Deutschland. Das Ifo-Institut in München kommt auf minus 15.000. Das ist sicherlich eine Zahl, die sich etwa den realen Auswirkungen nähern wird. Ich halte aber Horrorszenarien von 35.000 aufwärts wirklich für maßlos übertrieben.

Wie wird es in Mecklenburg-Vorpommern aussehen? Wir haben zurzeit 600 Arbeitsplätze in den Callcentern, die in dem Bereich tätig sind. Die werden gefährdet, das ist so. Andererseits gibt es bei uns keine privaten Wettanbieter. Wir sind also insofern nicht betroffen. Und ich möchte darauf verweisen, dass wir die Arbeitsplätze in den Lottoannahmestellen sichern. Indem wir Telefon- und Internetverbot haben, sind natürlich die Arbeitsplätze in den Lottoannahmestellen gesichert. Das sind immerhin über 2.000, die ansonsten gefährdet wären bei einer Öffnung zum privaten Wettspielmarkt.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Ich bitte Sie, kommen Sie zum Schluss.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin auch am Schluss meiner Ausführungen. Ich möchte namens der Koalitionsfraktionen die Überweisung federführend in den Innenausschuss beantragen und mitberatend in den Finanzausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Gramkow von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn schon öffentlich spielen, dann bin ich für staatliche Kontrolle. Wir sind für den Erhalt des staatlichen Lottoriemonopols. Wir sind gegen die Zulassung von privaten Wettunternehmen. Und die Unternehmerverbände unseres Landes haben recht in ihrer Presseerklärung, der vorliegende Gesetzentwurf sichert das staatliche Monopol.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Klare Ansage.)

Und die Ziele, die wir damit erreichen wollen, sind:

1. das Entstehen von Spielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen

2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und natürlich den Spieltrieb in geordnete Bahnen zu bringen

3. den Jugendschutz und den Spieler/-innenschutz zu gewährleisten und

4. zu sichern, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt werden

Diese Ziele würden nicht erreicht werden können, wenn wir den Wettbewerb über lizenzierte private Wettunternehmen zuließen oder ihm freien Lauf lassen. Das wollen wir nicht.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Aber, meine Damen und Herren, wir sollten uns dabei nichts vormachen. Wer hätte nicht gern den Jackpott von 16 Millionen Euro in der letzten Woche geknackt

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na Frau Finanzministerin. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

oder die 25.000 Euro in der Warnemünder Spielbank gewonnen? Und die Suchtgefahr, Herr Borchert, bewiesen in den Erläuterungen des Gesetzentwurfes der Landesregierung, geht vor allen Dingen von Automaten aus und vollzieht sich im Kasino,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt, das ist so.)

weniger auf dem Tippschein der Sportwetten oder auch im Los. Da ist die Suchtgefahr noch nicht bewiesen. Aber ich sage auch, die Suchtgefahr, der Suchttrieb ist krankhaft und er treibt in Anonymität und Illegalität mit all dem, was damit zusammenhängt. Und deshalb ist es gut, dass mit diesem Gesetz den Veranstaltern und Vermittlern von öffentlichen Glücksspielen die Entwicklung von Sozialkonzepten auferlegt worden ist. Sie müssen ihr Personal schulen und sie müssen die Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht einhalten. Und das ist gut so.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Aber wenn wir das ernst meinen, dann sollten wir in Mecklenburg-Vorpommern doch die Glücksspielaufsicht, die zukünftig leider nicht mehr beim Finanzministerium liegen darf, dem Sozialministerium zuordnen und auf keinen Fall dem Innenministerium. Das wäre nur konsequent. Konsequent wäre allerdings auch, Herr Borchert und Herr Caffi er, wenn wir es denn ernst meinen, die Spielsucht zu bekämpfen, dass wir auch das Spielen verbieten könnten, einfach verbieten, wie wir das soeben mit einem anderen Suchtbereich teilweise gemacht haben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: So konsequent wollen wir dann auch wieder nicht sein.)

Aber darüber reden wir gar nicht, denn bei allen hehren Zielen dieses Gesetzentwurfes, so haben wir das Gefühl – und ich habe das gleiche wie Sie, Herr Borchert, viel Papier bekommen, von den unterschiedlichen Ebenen, wunderbar in Hochglanz gedruckt, da hat jemand auch viel Geld in die Hand genommen –,

(Heike Polzin, SPD: Na warum wohl?)

es geht bei diesem ganzen Prozess natürlich um Geld, um richtig viel Geld. Und da sage ich, meine Damen und Herren, wenn schon öffentlich gespielt, dann unter öffentlicher Kontrolle, dann auch für das staatliche Monopol die Einnahmen.

(Ministerin Sigrid Keler: Okay.)

Und genau deshalb stehen wir heute hier. Die Fraktion DIE LINKE überweist den vorliegenden Gesetzentwurf in die Ausschüsse.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Gramkow.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Schnur. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass wir eine andere Auffassung haben zum Thema Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere dann, wenn man sich die Argumentation meiner Vorredner ansieht. Es ist so, der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Dienstleistungs

freiheit mit Sicherheit berührt wird, wenn man im Bereich des Glücksspielstaatsvertrages so agiert, wie man bis dato agiert hat. Am 22. März ist dazu das Urteil gefallen. Auch wenn man heute immer so schön sagt, das Urteil von damals hat mit dem eigentlichen Glücksspielstaatsvertrag heute nichts mehr zu tun, so ist doch die Begründung im Kern eine Begründung, die auch darauf abgeglichen werden kann. Für uns Liberale ist die Schaffung eines derartigen Monopols natürlich in sich abzulehnen.