Protokoll der Sitzung vom 24.08.2007

Die Ursachen dafür sind sicherlich differenziert. Diese Kritik wurde nun leider erst durch die Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichtes in zahlreichen Punkten bestätigt. Während des Gesetzgebungsverfahrens fehlte es ebenso weitgehend an der öffentlichen Zustimmung zu unseren Vorschlägen und unserer Kritik, zum Beispiel auch durch den Landkreistag. Auch das, meine Damen und Herren, gehört wohl zur Ehrlichkeit, wenn man über die Chronologie dieses Reformversuches spricht.

Gleichzeitig, meine sehr geehrten Damen und Herren, braucht man, wenn man ein solches Reformprojekt angeht, ein Regierungs- und Parlamentsprojekt, einen Kompromisswillen und Kompromissfähigkeit bei den Beteiligten. Ich denke dabei unter anderem an die Zustimmung zur Reform durch den Städte- und Gemeindetag, als die künftige Privilegierung der bisher kreisfreien Städte vereinbart war.

Und ich möchte eine zweite Anmerkung machen: Es gäbe jetzt die Möglichkeit, das in wesentlichen Punkten gescheiterte Reformprojekt zu einem Steinbruch zu erklären, aus dem sich jeder seine Wurfgeschosse gegen seine jeweiligen Widersacher im Reformprozess heraussammelt. Die Fraktion DIE LINKE versteht unter Übernahme von Verantwortung allerdings anderes. Das Urteil, und da sind wir uns sicherlich einig, benennt unmissverständlich Konzeptions- und Verfahrensfehler. Das sind nicht kleine Webfehler, sondern ernst zu nehmende Defi zite, die abgestellt werden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Die zentrale konzeptionelle Herausforderung eines neuen Reformansatzes ist für uns, dass das Gericht deutlich herausgestellt hat, kommunale Selbstverwaltung ist in

der Einheit von Selbstverwaltung der Gemeinden und Selbstverwaltung der Kreise zu sehen. Alle Ansätze, die Bedeutung der Kreise als Selbstverwaltungskörperschaften zu marginalisieren, wurden damit unterbunden.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

Und der Weg zu einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Reform muss ein anderer sein, zum Beispiel möglichst konsensual mit den kommunalen Spitzenverbänden. Aber eines ist sicher, um mit Xavier Naidoo zu sprechen: auch dieser Weg wird kein leichter sein.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlreiche Grundanliegen der Reform werden vom Urteil des Verfassungsgerichtes ausdrücklich mitgetragen. So etwa die Analysen zur Reformnotwendigkeit. Ich darf zitieren: „Der Gesetzgeber ist fehlerfrei von einem Anlass zur umfassenden Modernisierung der Verwaltung – sowohl des Landes wie auch seiner Kommunen – ausgegangen.“ Das Gericht spricht sich auch nicht gegen größere Kreise aus, sofern sie kommunales Ehrenamt und bürgerschaftlich demokratische Betätigung von ihrer Größe und Organisation her zulassen. Die Beseitigung von Doppelzuständigkeiten und das Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung stoßen im Urteil auf keine rechtlichen Bedenken. Viele der Vorarbeiten und Grundlagen des Reformkonzeptes werden auch für das neu zu erarbeitende Konzept eine brauchbare Basis sein. Ich denke dabei an die Aufgabenkritiken, die Vorschläge zur Aufgabenübertragung oder auch zu Strukturen der Landesverwaltung. Wir fangen keinesfalls bei null an, wie ich das hin und wieder gehört habe.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Andere Fragen, die in diesem Land und darüber hinaus kontrovers debattiert wurden und werden, etwa nach der verfassungsrechtlich zulässigen Größe eines Kreises, lässt das Urteil bewusst unbeantwortet oder es kommt wie bei der Defi zitanalyse zu Antworten, die so manchen in diesem Haus überrascht haben dürften. Ich war auch etwas überrascht über die eloquente Umschreibung des Respekts vor dem Verfassungsgericht durch meinen Kollegen Sellering, einen ehemaligen Richter.

(Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da ist was dran. – Michael Roolf, FDP: Ja, das war sehr überraschend, sehr überraschend.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die rot-rote Landesregierung hat mit einem derartigen Urteil nicht gerechnet. Anderenfalls wäre das Gesetz anders geworden. Aber auch die rot-schwarze Landesregierung hat ein solches Urteil nicht ernsthaft erwartet,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nein.)

ansonsten wäre wohl die Ziffer 273 ihres Koalitionsvertrages auch anders formuliert worden.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Manche bisherige inhaltliche und organisatorische Maßnahmen der Landesregierung und entsprechende Aktivitäten der Landkreise und kreisfreien Städte etwa zur Arbeit der Aufbaustäbe, zur Vorbereitung des Personalübergangs von den bisher kreisfreien Städten auf die neuen Kreise beziehungsweise vom Land auf die neuen Kreise und zur Erstellung eines Organisations modells

für die neuen Kreise, wie sie in der entsprechenden Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 5/576 dargestellt sind, dürften weitgehend obsolet sein. Trotzdem fangen wir hierbei auch nicht bei null an.

Um es noch einmal zu sagen: Die Dringlichkeit einer umfassenden Verwaltungsmodernisierung wurde durch das Urteil bestätigt, aber gleichzeitig die bisherige rechtliche Grundlage weitgehend entzogen. Über einen neuen Reformansatz gibt es offenbar in der derzeitigen Koalition noch kein Einvernehmen. Ich habe heute eine andere Darstellung gehört. Wir werden sehen, wie das dann im Detail aussieht. Eine Reformkonzeption kann natürlich nach wenigen Tagen nicht vorliegen. Wir haben bloß Sorge gehabt und Ihre ersten Aussagen, sicherlich etwas reduziert, dass bis 2009 nichts geschieht

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wer hat denn das gesagt?)

und bis 2011 vielleicht etwas,

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

ja, mit Unruhe aufnehmen müssen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Hätten Sie mich mal gefragt! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, gut. Ich bin gern bereit, Kollege Jäger, Sie des Öfteren zu fragen, vielleicht Sie auch.

An dieser Stelle möchten wir betonen, dass haben Sie auch zum Ausdruck gebracht, dass wir nicht unendlich viel Zeit haben. Der Ministerpräsident hat auch von dem Zeitfenster gesprochen. Die Finanzministerin hat es aus fi nanzieller Sicht sehr deutlich dargestellt. Die Kassen von Land und Kommunen waren leer, der Druck aus den Geberländern des Bundesfi nanzausgleichs wegen unserer Personalausstattung wurde und wird immer größer. Die Situation, vor der Rot-Rot stand, hat sich prinzipiell nicht verändert. Ich denke, in dieser Einschätzung sind wir uns einig. Anders gesagt: Unbeeindruckt vom Urteil des Landesverfassungsgerichts schließt sich das berühmte Zeitfenster weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Abschluss drei Bemerkungen:

Die heutige Sitzung muss erstens erkennen lassen, dass sich der Landtag seiner Verantwortung bewusst und handlungsfähig ist,

(Beifall Michael Roolf, FDP)

auch angesichts des Urteils, dass das Parlament sich zu wenig in diesen Prozess eingebracht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Zweitens muss von hier und heute das Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Landes ausgehen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung auf kommunaler Ebene, dass dieser Landtag einen schädlichen Reformstau vermeiden wird und schnellstmöglich die notwendigen kurz-, mittel- und langfristigen Schritte und Maßnahmen festlegen wird. Ich denke, das ist auch ganz wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Darüber ist heute noch nicht gesprochen worden, dass es auch eine Verunsicherung innerhalb der Verwaltung gibt und auf Entscheidungen gewartet wird, die zum Teil ja in nächster Zeit schon getroffen werden können.

Drittens sollte gegenüber der Landesregierung angezeigt werden, dass der Landtag dem Urteil folgend gewillt ist, im weiteren Reformprozess eine eigenständigere Rolle zu übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Vielleicht ist unser Antrag dazu geeignet, dass ein solcher Anfang gemacht wird.

Zum Schluss einige kurze Bemerkungen zu der wichtigen Frage, ob der Auftrag der Enquetekommission den aktuellen Herausforderungen entspricht. Das hat insbesondere die FDP-Fraktion thematisiert. Sie haben uns dazu auch einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Ihr Antrag unterstellt unter 4. eine Einigkeit zu der umfassenden Neuausrichtung. Ich glaube, was diese Neuausrichtung betrifft, wird es noch erheblichen Diskussionsbedarf geben. Und Sie fordern unter 5. eine Neubesetzung. Hierzu hilft ein Blick in das Gesetz, um diesen Vorschlag zu bewerten. Der Paragraf 3 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Enquetekommissionen sagt alles zum Gegenstand beziehungsweise zum Auftrag oder, mit Ihren Worten, zur Ausrichtung der Enquetekommission. Ihr Beschlusspunkt 5 ist zumindest geeignet, gegen Paragraf 4 dieses Gesetzes zu verstoßen. Mit anderen Worten: Man müsste das Enquetekommissionsgesetz ändern. Wenn wir also Ihren Vorschlag aufnehmen würden, daran etwas zu ändern, müsste man sich mit diesem Gesetzentwurf beschäftigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei rationeller Betrachtung hält sich der Einfl uss des Urteils zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz auf den Gegenstand der Enquetekommission insgesamt in Grenzen. Beachtenswert ist dabei beispielsweise, dass Paragraf 101 des Funktional- und Kreisgebietsreformgesetzes genauso wie die Funktionalreform II nach dem Greifswalder Urteil ausdrücklich Bestand haben.

Überlegungen zur Präzisierung oder Erweiterung des Enqueteauftrages sind aus unserer Sicht durchaus bedenkenswert und möglicherweise ist es das, was Sie so formuliert haben. Sollte die Enquete nach den Vorstellungen des FDP-Antrages federführend im Prozess der anstehenden Reformgesetzgebung sein – wenn sie es sein sollte –, wäre dieses letztendlich unvereinbar mit Paragraf 1 dieses Enquetekommissionsgesetzes. Und dass es damals so formuliert worden ist, dabei hatte sich der Gesetzgeber sicherlich etwas gedacht. Insofern muss man, glaube ich, diesen Vorschlag, den die FDP-Fraktion macht, einer kritischen Bewertung unterziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben den Antrag gestellt, eine solche Sondersitzung durchzuführen und ich glaube, dass damit der Rolle des Parlaments entsprechend Rechnung getragen wird. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Zukunft dann auf diese gemeinsame Arbeit konzentrieren könnten und nicht darüber meditieren, ob eine Sondersitzung sozusagen vertane Zeit ist oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Professor Methling.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist das Urteil des Landesverfassungsgerichtes. So sieht ein Urteil aus. Man kann es sogar aufschlagen und lesen. Und wenn das alle hier getan hätten, dann säßen wir nicht hier in dieser völlig überfl üssigen Parodie auf eine Landtagssitzung.

Das Urteil umfasst stolze 70 Seiten, davon 41 Seiten Begründung, in der wiederum auf zahlreiche andere Entscheidungen verwiesen wird und in der viele Lehrbücher zitiert werden. Wie geht man nun mit einem solchen Urteil um? Liest man es mal eben quer und fordert dann schon nach einer Woche eine Blitzsitzung des Landtages, wie die FDP das ursprünglich wollte? Wann hat eine Landtagssitzung zu diesem Thema überhaupt einen Sinn? Wenn man das Urteil sorgfältig gelesen, analysiert und Fachleute für Verfassungs- und Kommunalrecht zu Rate gezogen hat.

Das Landesverfassungsgericht hat lange Monate auf diese Entscheidung verwendet und für jeden, für den Seriosität kein Fremdwort ist, wären mehrere Monate das Minimum für eine gründliche Auseinandersetzung. Am Strand im Urlaub mal ein bisschen darin herumschmökern reicht da nicht, auch wenn Linke und FDP das meinen. Und wenn man Ihre Anträge liest, dann haben Sie auch immer genau das getan.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Woher kennen Sie meine Urlaubsgewohnheiten?!)

Es liest sich danach.

Man kann sich auch allgemeines Gerede zur Verwaltungsreform sparen. Dieses Urteil zeigt die Grenzen auf, in denen eine solche Reform möglich ist, und liefert gleichzeitig die Gebrauchsanweisung für eine solche. Man kann nur innerhalb dieses Urteils diskutieren. Ab Oktober oder November hätte man damit nach angemessener Vorbereitung beginnen können. Aber die FDP, die alte Spaßpartei, macht gerne Politik auf dem Niveau des Guidomobils.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)