Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Schwebs.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Herr Dr. Ebnet. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Kritik sind wir alle gut und ich werde jetzt auch gleich noch eine Kostprobe abliefern. Aber wenn ich mir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ansehe, dann ist er in der Substanz darauf gerichtet, dass alles beim Alten bleiben soll, Status quo erhalten.

(Zurufe von Torsten Koplin, DIE LINKE, und Regine Lück, DIE LINKE)

Frau Schwebs, Sie haben soeben eine ganze Menge Kritikpunkte vorgebracht, was an der Bahn uns in den letzten Jahren alles keine Freude bereitet hat. Da haben Sie recht. Aber wenn das so ist, dann ist ja genau der Status quo entstanden, und den zu erhalten würde natürlich bedeuten,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber das stimmt doch gar nicht.)

dass wir auch in Zukunft mit solchen Ergebnissen rechnen müssen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Status quo wäre mir ein bisschen zu wenig.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist doch eine Eigentumsfrage.)

Ich sage das auch vor dem Hintergrund dessen, was sich immer bei den Verkehrsministerkonferenzen abspielt. Wir haben regelmäßig auf der Tagesordnung Bahnthemen,

wir haben regelmäßig auf der Tagesordnung ärgerliche Bahnthemen. Es gibt immer etwas von den Verkehrsministern der Länder zu kritisieren und dann spielt sich im Großen und Ganzen immer dasselbe ab: Richten wir die Kritik an die Bundesregierung, sagt die Bundesregierung ja, ja, aber die Bahn ist eine Aktiengesellschaft, da haben wir ja nur als Gesellschafter begrenzt Einfl uss.

(Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Eben.)

Richten wir die Kritik an die Bahn, dann sagt die Bahn, wir sind eine Kapitalgesellschaft,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und der Bund ist der Mehrheitseigner.)

wir sind an die aktienrechtlichen Vorschriften gebunden. Wir können keine Verluste sehenden Auges in Kauf nehmen, ohne dass wir uns dem Vorwurf der Untreue aussetzen würden, und das Ganze ist strafbar. So wird man von Pontius zu Pilatus geschickt oder wandert dahin und das Endergebnis ist regelmäßig große Verärgerung bei den Verkehrsministern.

Ich will eins nicht verhehlen – und da muss man auch mal gerecht sein dürfen –: In den letzten Jahren ist nach wirklich schlimmen Zuständen bei der Bahn vieles besser geworden. Der Güterverkehr läuft wieder, die Züge schauen auch besser aus, als sie früher waren. Da haben sich schon einige Leute Mühe gegeben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann sind Sie aber lange nicht mehr Zug gefahren.)

Da muss man auch bei aller Kritik am Vorsitzenden, es wird immer Mehdorn kritisiert, auch mal sagen, da hat er in diesen Bereichen schon was erreicht, ohne dass die Verkehrsminister und ich mit dem, was wir an Einfl ussmöglichkeiten haben, zufrieden wären.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, mal ein bisschen zurückzugehen. Die entscheidende Weichenstellung ist im Jahr 1993 erfolgt. Da gab es die Grundgesetzänderung und ich war damals in der Situation, dass ich Argumente zusammentragen durfte. Für die Grundgesetzänderung ist mir wenig eingefallen, gegen die Grundgesetzänderung ist mir damals viel eingefallen, aber die anderen haben gewonnen. So kommt das halt manchmal vor. Und seit 1994 sind wir in der Situation, dass die Bahn eine Aktiengesellschaft ist. Damals war der Inhalt des Beschlusses schon nicht nur Aktiengesellschaft und auf Ewigkeit hundertprozentiger Anteilseigner Bund, sondern diese Gesellschaft sollte nach dem damaligen Willen des Gesetzgebers irgendwann und möglichst bald an die Börse geführt werden. Also was jetzt vollzogen wird, das ist damals so auf die Schiene gesetzt worden und der Zug ist jetzt schon 13/14 Jahre unterwegs. Da muss man sich die Frage stellen, kann man das alles wieder zurückdrehen, und da wird es natürlich gewisse Probleme geben.

Zur Historie gehört auch, dass die Verkehrsminister der Länder jetzt, als es um den neuen Gesetzentwurf ging, von Anfang an gefordert haben, miteinbezogen zu werden, beteiligt zu werden. Dann wurde immer gesagt, ja, ja, ihr werdet schon einbezogen, und dann sind wir in der Tat einbezogen worden, nachdem die Bundesregierung den Gesetzentwurf als solchen beschlossen hatte. Das ist natürlich zu spät, hat alle verärgert, weil in so einem Zustand hat man dann nicht mehr die Einfl ussmöglichkeiten, die man vorher hätte geltend machen können.

Wir haben als Verkehrsminister dann in Auftrag gegeben das Gutachten. Das ist bekannt, der Inhalt ist bekannt. Das Gutachten hat zwei Teile. Der eine Teil setzt sich mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander, da werden die Argumente und die Haltung derjenigen, die erhebliche Bedenken haben, verstärkt und bestätigt. Auf der anderen Seite enthält das Gutachten auch noch Hinweise, wie die Länder ihre Interessen geltend machen sollten. Das sind interessante Hinweise, die muss man jetzt nicht unbedingt eins zu eins übernehmen, aber in der Kernsubstanz und in der Richtung sind diese Hinweise richtig und auch für die Länder, für die kommende Debatte, die wir zu führen haben, gehen sie in die richtige Richtung. Die Verkehrsminister der Länder werden nächste Woche wieder zusammensitzen. Wir werden uns dann mit diesem Gutachten beschäftigen und werden uns damit beschäftigen, wie wir uns denn als Verkehrsminister möglichst geschlossen weiter verhalten sollen.

Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, ist das, was uns vonseiten des Bundestages jetzt aus Berlin widerfährt, und zwar vonseiten des Bundestages leider in seiner großen Breite, sonst hätten wir es ein bisschen leichter. Was da auf uns zukommt, das ist die schiere Zumutung. Da will ich auch noch ein bisschen zurückgehen: Im letzten Jahr hat der Bundestag Eckpunkte beschlossen über diese Bahnreform – meines Wissens hat er sogar zweimal beschlossen – und das war dann ein Hinweis für die Bundesregierung, wie der Gesetzentwurf, den sie vorzulegen hatte, aussehen sollte. Das war ein Auftrag an den Bundesverkehrsminister, wie man ihn einfach nicht geben darf, weil so ein Auftrag ist nicht abzuarbeiten. Von ihm wurde die Quadratur des Kreises verlangt und da kann jeder nur schlecht aussehen.

Und dann kommen diese ganzen verfassungsrechtlichen Probleme schon ins Spiel, ohne dass man jetzt an die Länder gedacht hätte. Aber da ging es ja schon los. Dann hatten wir innerhalb der Bundesregierung zuerst die ablehnende Haltung des Bundesinnenministers, des Bundeswirtschaftsministers, verfassungsrechtliche Bedenken des Bundesjustizministeriums. Dann wurden diese Bedenken ausgeräumt innerhalb der Bundesregierung. Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich ausgeräumt worden sind oder nur politisch ausgeräumt worden sind. Beides halte ich für möglich. Auf jeden Fall die Bedenken derjenigen, die außerhalb der Bundesregierung stehen, sind ja damit noch nicht verschwunden. Die Bundesregierung hat in Gänze diesen Gesetzentwurf beschlossen und jetzt spielt sich Folgendes ab:

Jetzt haben wir diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung, in Auftrag gegeben vom Deutschen Bundestag, und der Deutsche Bundestag sagt jetzt, wir wollen den als Fraktionen, als Koalitionsfraktionen einbringen. Eilbedürftigkeit ist keine zu erkennen. Man könnte den ganz normalen Weg gehen, aber trotzdem, der neueste Stand von dieser Woche ist also, es soll als Fraktionsentwurf eingebracht werden. Beide Koalitionsfraktionen sagen aber zugleich, diesen Gesetzentwurf wollen wir aber so, wie er ist, nicht. Im Kern haben beide den gleichen Kritikpunkt, nämlich sie wollen mehr Einfl uss des Staates auf die Infrastruktur haben. Ja, da muss man sich fragen: Was ist denn da eigentlich los?

Jetzt sind wir wieder in dem Zustand, wo wir letztes Jahr schon waren, dass man sagt, mehr Einfl uss auf die Infrastruktur ist in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, den aber wieder die Koalitionsfraktionen in Auftrag gege

ben haben, so nicht enthalten. Wir als Länder bekommen einen Gesetzentwurf vorgelegt und gleichzeitig wird uns gesagt, den wollen wir so nicht aufrechterhalten. Da ist kein Beratungsgegenstand letztlich da. Wir brauchen jetzt eine gründliche Debatte über die Bahnreform, damit man erstens mal klar sagt, was man will, und zweitens, damit man auch klar sagt, wie das denn gehen soll, ohne dass man möglicherweise vorm Bundesverfassungsgericht aufl äuft.

Eins stört mich ein bissen an der Debatte, dass nämlich das zentrale Problem für die Menschen zu kurz kommt. Den Menschen geht es darum, dass die Züge fahren. Ob die nun so oder so angestrichen sind oder wer der Lokomotivführer ist und so weiter, das ist ziemlich gleichgültig. Das heißt, es geht darum, dass die Züge fahren. Mit dem Fernverkehr haben wir nach wie vor Probleme. Da lässt sich der Bund bisher nur begrenzt beeinfl ussen. Beim Nahverkehr sieht es allerdings anders aus. Da haben wir originäre Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Länder. Wir haben dafür zu sorgen, dass der Schienenpersonennahverkehr in unserer Verantwortung auch tatsächlich stattfi ndet und läuft. Und wenn die Züge fahren sollen, geht es um zwei Themen: Wir brauchen die Gleise, auf denen ein Zug fährt, einschließlich Bahnhöfe, und wir brauchen – natürlich wird der Nahverkehr zu über 80 Prozent subventioniert, von selbst fährt da rentabel kein Nahverkehrszug – Mittel, um die Leistungen bestellen zu können, damit die Züge auf den Schienen auch fahren. Das sind die beiden zentralen Elemente. Das fi ndet in der gegenwärtigen Debatte in Berlin eigentlich gar nicht statt.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Da redet man über Verfassungsgesichtspunkte, da redet man darüber, wer hat wie viel Prozent, und so weiter, was ist zulässig und Ähnliches. An die Menschen und an die Züge, die fahren sollen, denkt dabei scheinbar niemand. Ich habe mir vorgenommen, und da habe ich in der Verkehrsministerkonferenz, glaube ich, einiges erreicht, dass wir uns zentral diesem Thema mal zuwenden, dass die Züge fahren, und dass das in erster Linie das Ergebnis sein muss von allem, was man tut.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Die Debatten, die manchmal noch ein bisschen ideologisch gefärbt sind, helfen uns dabei relativ wenig weiter. Ich muss offen sagen, so, wie die Bahn das im Moment macht – und dazu steht die Bahn auch –, ist das nicht recht viel anders, als es von einem privaten Unternehmen gemacht würde.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja sicher. Was soll sie denn anderes machen?)

Denn die Bahn hat ja auch den Auftrag.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na klar.)

Die Bahn macht Gewinn, das soll sie ja auch, das will ja der Eigentümer haben. Und da tut sie nichts anderes, als was ein Privater auch machen würde.

Wenn es darum geht, die Themen der Länder und die Anliegen der Länder unterzubringen, dann gibt es bei einer so organisierten Bahn, wie wir sie jetzt haben mit einem Gesellschafter Bund oder einem Gesellschafter mit x Prozent Minderheitsbeteiligung, einem Privaten, keinen großen Unterschied.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, genau so ist das.)

Da gibt es keinen großen Unterschied und das ist das Problem. Deshalb ist der Status quo, den Sie aber mit Ihrem Antrag beibehalten wollen, mir eigentlich zu wenig. Wir müssen, ich will es noch einmal wiederholen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Verstaatlichen.)

als unsere Aufgabe ansehen und annehmen, jetzt nicht die großen überhöhten Debatten zu führen, sondern dafür zu sorgen, dass der Zug für die Menschen auch in Zukunft fährt. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der FDP, der Abgeordnete Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Minister, ich will mich Ihnen gleich anschließen. Die Züge müssen nicht nur fahren, sondern sie müssen bezahlbar fahren, dass es für die Leute auch bezahlbar ist, und sie müssen gerade in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern auch für die Bevölkerung eine Leistung des Transports erbringen.

Das, was Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, hier vorschlagen, ist in der Tat das Beharren auf der jetzigen Situation und das Beharren in den Bereichen. Sie sagen, die Bahn bleibt eine Behörde, alles bleibt beim Alten und wir werden mal gucken, wie sich das weiterentwickelt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie wollen die Privatisierung.)

Wir sagen sehr klar und sehr deutlich, dass wir uns das Tätigkeitsfeld der Bahn einmal genau anschauen müssen. Ad 1 ist es das Thema der Infrastruktur, ad 2 ist es das Thema des Transportes und ad 3 ist es das Thema der Logistik. Richtig ist, dass ein Teil davon, nämlich die Infrastruktur, Aufgabe des Staates ist und die Infrastruktur auf der Grundlage der gesetzlichen Rahmenbedingungen, so, wie es im Grundgesetz geregelt ist, im Besitz des Bundes zu bleiben hat.