Protokoll der Sitzung vom 17.10.2007

Vielen Dank, Herr Dr. Timm.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Professor Dr. Methling.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im August 2007 besuchte ein CDU-Arbeitskreis den Nothafen Darßer Ort. In der „Ostsee-Zeitung“ vom 24.08. stand dann die Überschrift: „Nothafen weiter offen lassen!“. Später führte eine Wanderung den FDP-Landtagsabgeordneten Kreher, wenn ich das richtig gelesen habe, unter anderem auf den Darß.

(Michael Roolf, FDP: Nein, ich war es.)

Sie waren es, Herr Roolf. Noch verdienstvoller, noch verdienstvoller.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die wandern, die wandern doch alle. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Dieses hat Sie angeregt zu dieser Aktuellen Stunde. Und in der Tat kann man sagen, dieses Thema „Nothafen Darßer Ort“ und Alternativlösungen für diesen Hafen haben hohe Aktualität, sind immer aktuell. Sie haben allerdings auch eine lange Geschichte.

Eine lange Geschichte hat ebenso der Naturschutz auf dem Neudarß, insgesamt im Nationalpark. 1957, das will ich in Erinnerung bringen, ist dieses Gebiet zum Naturschutzgebiet erklärt worden. 1962 hat die Nationale Volksarmee dort einen Marineschnellboothafen eingerichtet, hat dabei auf die Hafeninfrastruktur verzichtet. Er war für maximal 30 Jahre gedacht. Ich weiß nicht, ob man eine solche Voraussicht hatte, dass er nicht länger gebraucht würde. Auf jeden Fall ist gegen Naturschutzrecht dieser Hafen dort eingerichtet worden, aber er ist dann eben eingerichtet worden.

Es gab während des Betriebs durch die Marine immer wieder Probleme mit der Ansteuerung, insbesondere durch die wechselnden Untiefen, die dort durch Sedimenttransport entstehen. Im September 1990 erfolgte die Ausweisung des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft mit dem Darßer Ort als Kernzone. Seit 1994 bewirtschaftet, betreut der WWF diesen Hafen. Seit 1994 wurden circa 30 Studien und Gutachten zu Alternativstandorten und Lösungen angefertigt. Nach meinen Informationen wurden etwa 1,5 Millionen Euro dafür ausgegeben.

(Michael Roolf, FDP: Noch besser.)

Am 28.10.2004 erklärte das Bundesverkehrsministerium den Rückzug aus der Kostenübernahme für den Hafen, insbesondere was die Ausbaggerung der Fahrrinne betrifft, und begründete es auch damit, dass es zu kostenintensiv wäre. Die Kosten würden steigen und es würde in Barhöft eine Alternative zur Verfügung stehen, auch wenn sie nicht optimal sei.

Am 21. Dezember 2004 beschloss das Kabinett, die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, über eine letztmalige Ausbaggerung im Jahre 2005. Der damalige Wirtschaftsminister Ebnet wird am 17. Mai 2006 in der „Ostsee-Zeitung“ zitiert: „Darßer Ort wird nicht mehr gebaggert“. Minister Ebnet hat in einem Interview weiterhin klargestellt, dass die Landesregierung darauf dringt, dass es keine weiteren Ausbaggerungen gibt, sondern dass dieser Hafen nur so lange benutzt werden kann, wie er noch erreichbar ist.

Am 11.06.2006 gab es schon einen Bürgerentscheid in Prerow, der bisher nicht erwähnt worden ist. Dort haben sich 343 Bürgerinnen und Bürger für einen Hafenneubau auf Prerower Gebiet ausgesprochen, 335 dagegen. Das heißt, es gab eine ganz knappe Mehrheit, die dann sehr unterschiedlich interpretiert worden ist durch die Verantwortungsträger, wie ich in der Zeitung lesen konnte. Ein Gemeindevertreter sagte, wenn nicht mehr gebaggert worden wäre, wäre Zugzwang schon eher da gewesen, das heißt, eine Drucksituation dahin gehend, dass man sich für einen Hafenneubau entscheidet, übrigens damals eine Entscheidung für die Errichtung dieses Hafens am sogenannten Bernsteinweg.

Am 28.06.2006 bietet interessanterweise die Gemeinde Zingst eine Nothafenalternative an – darüber ist bisher auch noch nicht gesprochen worden –, nämlich eine sogenannte Insellösung, die auch vom WWF bei verschiedenen Gelegenheiten präferiert worden ist.

Im Januar 2007 fanden nach unseren Informationen Gespräche zwischen dem Wirtschaftsminister und der Gemeinde Prerow statt. Insofern habe ich mich gewundert, Herr Kollege Ebnet, dass Sie dazu gesprochen haben, aber Sie sind natürlich der kompetente Verkehrsminister, das will ich nicht in Zweifel ziehen.

Diese Gespräche zwischen Wirtschaftsministerium und Gemeinde Prerow erbrachten das Ergebnis, dass die Gemeinde den Antrag stellen will für den Ausbau, wenn die Varianten klar sind. Dabei ging es vor allem um einen Binnenhafen im Prerow-Strom, einen Küstenhafen am Bernsteinweg oder an der Hohen Düne, dem Standort, den vielleicht einige von Ihnen kennen.

Danach setzten wiederum Variantenprüfungen durch das Wirtschaftsministerium beziehungsweise beauftragte Gutachter ein. Diese Varianten wurden präsentiert am 11.10.2007, also vor wenigen Tagen, durch das Wirtschaftsministerium und die Gutachter, unter anderem zum Außenhafen am Bernsteinweg oder an der Hohen Düne, mit Kosten, die mit 17 Millionen Euro angegeben worden sind. Es hat am Tag danach kontroverse Debatten gegeben mit den Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Gemeindevertretung hat dann beschlossen, dass ein neuer Bürgerentscheid auf der Basis dieser Varianten durchgeführt wird, am 9. Dezember, wie schon gesagt worden ist.

In der langen Zeit der Diskussion, der Prüfungen, Gutachten und so weiter haben sich für den Ersatz des Nothafens durch einen attraktiven Jachthafen die Bedingungen nicht geändert. Die Argumente sind lediglich stärker geworden, die dafür sprechen, dass diese Notlösung beseitigt wird und ein ordentlicher Hafen gebaut wird, aus der Sicht des Naturschutzes, aus der Sicht der Wirtschaftlichkeit und aus der Sicht der Tourismusförderung. Und da Sie über die Nutzung durch Segelsportler und so weiter gesprochen haben, will ich gerne das hier zum Besten geben, was Vertreter des Segelsportes in der Zeitschrift „Segeln“ im März 2004 geschrieben haben. Der Chefredakteur schreibt mit Blick auf das Bundesverkehrsministerium: „Es möge das Versanden des zugegeben idyllischen Hafens zulassen und auf das Ausbaggern wie vorgesehen im Jahr 2005 und danach verzichten.“

Unter Bezugnahme auf einen Autor in diesem Heft, der dort einen Artikel geschrieben hat, stellt er die Frage: „Ist es moralisch zu verantworten, dass wir unseren Egoismus als Wassersportler über die Bedürfnisse der Natur stellen, die offensichtlich an dieser Stelle stärker ist als wir? Die Argumentation, auch der Seenotrettungskreuzer könne nicht länger am Darßer Ort stationiert werden, ist doch nichts weiter als ein Feigenblatt für unseren heimlichen Wunsch, selbst dort einlaufen zu können, zumal die meisten Einsätze des Seenotrettungskreuzers dazu dienten, gestrandete Jachten von den Sandriffen vor dem Darß zu retten.“

„Hand aufs Herz“, kann ich weiter zitieren, „wir lieben dieses Fleckchen Erde, weil es so unverdorben ist, weil es hier keinen Kiosk- und keinen Restaurantrummel gibt, weil die Natur hier noch in Ordnung zu sein scheint. Wir schieben Sicherheitsgründe vor und meinen eigentlich etwas ganz anderes. Wir haben ein Stück Paradies gefunden und müssen leider erkennen, dass die Vertreibung aus demselben unvermeintlich ist.“ So weit der Chefredakteur der Zeitschrift „Segeln“.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

So ist es, meine Damen und Herren. In diesem Sinne haben sich auch die Geschäftsführer verschiedener Marinas, die in einem Verein zusammenwirken, ausgesprochen für einen möglichst schnellen Neubau eines Hafens, nicht nur eines Nothafens, sondern eines Etappenhafens, der den touristischen Anforderungen entspricht.

(Michael Roolf, FDP: Hat doch keiner was dagegen.)

Mein Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist: Wir brauchen eine schnellstmögliche Entscheidung für einen Hafenneubau. Wir brauchen keine Verzögerung durch Wiederinbetriebnahme des Nothafens. Aus DDR-Erfahrung wissen wir, Provisorien dauern besonders lange. Deswegen muss dieses Provisorium schnellstens abgeschafft werden und es dürfen nicht wieder laufend Lösungsvarianten, die gut sind, infrage gestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Seenotrettung, lieber Kollege, ist aus meiner Sicht in der Übergangszeit zumindest von Barhöft aus zu sichern.

(Michael Roolf, FDP: Oha, oha!)

Das sagen auch die Spezialisten, auch wenn es weiter zu fahren ist. Wer will denn das bezweifeln?

Herr Kollege Timm hat zu Recht die Frage aufgeworfen, wie oft diese Seenotrettung in der Kadetrinne erforderlich geworden ist. Das Bundesverkehrsministerium hat übrigens gesagt, dass man das durchaus in Erwägung ziehen könnte, wenn die Sicherheit in der Kadetrinne erhöht wird. Das war die Aussage im Jahre 2004, seitdem ist viel geschehen, wie wir wissen, und die Sicherheit hat sich erhöht. Aus meiner Sicht ist es vertretbar. Sie sollten sich nicht zu Lobbyisten von Seglern machen,

(Gino Leonhard, FDP: Von Seenotrettern, Herr Methling.)

die sich selber geringe Anforderungen stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE und Rudolf Borchert, SPD)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Methling.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Löttge von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben alle darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Thema Darßer Ort um eine unendliche Geschichte handelt, und in der Tat ist dieses so. Insofern, liebe Kollegen der FDP, weiß ich nicht, ob es tatsächlich ein Thema für eine Aktuelle Stunde ist, aber ich stimme Ihnen insofern zu, es hat eine permanent hohe Aktualität.

Ich sehe es übrigens auch nicht als Teufelszeug an, neben dem Thema Seenotrettung, das mag jetzt vorrangig die Begründung für die Aktuelle Stunde sein, auch über das Thema „maritimer Tourismus“ zu reden, weil ich schon glaube, dass der maritime Tourismus für die touristische Entwicklung unseres Landes von enormer Bedeutung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Insofern sollten wir auch den Mut haben, das nicht als Lobbyismus, sondern als Wirtschaft zu betrachten.

Meine Damen und Herren, ich fange jetzt nicht 1957 an,

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

sondern tatsächlich mit der neuen Geschichte, die wirklich beginnt mit der Bildung der Nationalparke auf

Empfehlung des Runden Tisches durch den letzten Ministerrat der DDR am 01.10.1990. Diese Rechtsverordnung wurde in deutsches Recht durch Einigungsvertrag überführt. Gleichzeitig erfolgte die Einbeziehung des Hafens Darßer Ort in die Kernzone des Nationalparks. Damit wurde auch festgelegt, dass der Hafen Darßer Ort zukünftig Nothafen sein soll und auch Standort des Seenotrettungskreuzers. Der Minister hatte darauf schon hingewiesen.

Um dieser besonderen Rolle dieses Nothafens gerecht zu werden, erfolgte am 04.11.1993 die Übertragung der Hafenbewirtschaftung an die Umweltstiftung WWF. Eine entsprechende Genehmigung für den Betrieb des Hafens erging am 21.09.1994 an den Betreiber WWF. Diese wird jährlich verlängert. Die derzeitige Gültigkeit der Genehmigung ist festgeschrieben bis zum 31.03.2008.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hafen Darßer Ort liegt nun mal, daran kommen wir nicht vorbei, in der Kernzone, aber auch in einem Anlandungsgebiet. Daher haben wir es dort mit einer regelmäßigen Versandung zu tun, die wiederum in regelmäßigen Abständen zu notwendigen Baggerarbeiten führt. Infolge der Entscheidung, den bisherigen Betrieb des Hafens Darßer Ort aufgrund der Lage in der Kernzone des Nationalparks mittelfristig einzustellen, wurden in den vergangenen 17 Jahren verschiedene Alternativen, unter anderem auch durch Gutachten, überprüft. Ich darf in Erinnerung rufen, zum Beispiel Durchstichvarianten in Wustrow, Dierhagen und Zingst, aber auch andere Lösungsansätze. Zu den Durchstichvarianten hat es auch Bürgerbefragungen und Bürgerentscheide, zum Beispiel in Wustrow und Dierhagen, gegeben – bedauerlicherweise ohne Ergebnis. Seit dem Jahr 2005, auch das ist schon festgestellt worden, hat nunmehr das Bundesverkehrsministerium sämtliche Aktivitäten zum Erhalt der Schifffahrtstraße eingestellt, sodass alle Kosten, welche mit dem Betrieb und der Unterhaltung der Hafenanlagen und der Hafenzufahrt verbunden sind, derzeit aufgrund der bestehenden Verträge beim Land und beim Betreiber WWF liegen. Dies ist die gegenwärtige Situation.

Wie stellen sich die daraus resultierenden Probleme dar? Da seit mehreren Jahren nicht mehr gebaggert wurde und nur wenige Instandhaltungsarbeiten durchgeführt wurden, ist der Hafen Darßer Ort auch als Nothafen

(Michael Roolf, FDP: Nicht.)

kaum noch betriebsbereit. Diese Situation führt natürlich zu erheblichen Problemen bezüglich der Seenotrettung, das sehe ich schon und dabei nehme ich auch Bezug auf eine Einschätzung der DGzRS selbst. Wir können nun immer feststellen, es ist nicht so. Die DGzRS sieht es tatsächlich so.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ich nehme die Befürchtungen auch der DGzRS schon recht ernst. Ohne weitere Maßnahmen wird die DGzRS perspektivisch nicht mehr in der Lage sein, und das ist wirklich deren eigene Einschätzung, ihren modernen Seenotrettungskreuzer „Theo Fischer“ an diesem Standort zu betreiben, was insbesondere im Hinblick auf die Situation in der Kadetrinne – und auch dabei bleibe ich – schon ein zusätzliches Gefährdungspotenzial zur Folge hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Unser Verkehrsminister hat es in seiner Rede schon deutlich gemacht, dass ein Stützpunkt der DGzRS auf dem Darß insbesondere mit Blick auf die Situation in der Kadetrinne unbedingt erforderlich ist. Dem kann man nur zustimmen.