Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

Ebenso ist zu entscheiden, ob von dem Urteil die ermöglichte Programmzahlbegrenzung erfolgen soll und ob das nur für die klassischen Übertragungswege UKW und DAB gelten soll oder auch für Programmangebote, die linear im Internet ausgebracht werden. Die Medienpolitik muss dann auch in Folge entscheiden, ob das Bestreben der ARD, ihrer Digitalstrategie zu folgen, den Status quo in der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem nationalen Hörfunk und den Landesrundfunkanstalten verändert. Die Landesrundfunkanstalten der ARD bereiten einen nationalen Wissenskanal, einen nationalen Kinderkanal, einen nationalen Integrationskanal und einen nationalen Informationskanal vor. Das ist eine Absage an das bestehende Gleichgewicht zwischen ZDF, DeutschlandRadio und ARD.

Also von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollte ich mit meinem zweiten Redebeitrag nur deutlich machen, es gibt im Bereich der Rundfunkpolitik, auch vor dem Hintergrund der Ministerpräsidentenkonferenz, Diskussions- und Klärungsbedarf. Das, was sicherlich heute zu sagen war, hat Herr Seidel namens des Ministerpräsidenten hier erklärt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Eben.)

Es wäre irrig anzunehmen gewesen, dass hier schon Verhandlungsergebnisse hätten verkündet werden können, wenn die Gespräche parallel laufen. Von daher hat sich der Antrag zur Berichterstattung verfahrensmäßig erledigt. Nichtsdestotrotz wird es Aufgabe des Parlaments im Rahmen von Selbstbefassung oder Beratung hier im Plenum sein, sich zu diesen Grundfragen, welches Gebührenmodell, welche Gebührenfestsetzungsmethode und -erhebung und welche programmlichen Ausgestaltungen in Zukunft eine relevante Frage darstellen können, zu verständigen. Von daher ist nach dem Karlsruher Urteil die Medienpolitik in Deutschland wieder richtig spannend.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Bluhm.

Ich habe es so verstanden, dass auch der Antragsteller diesen Antrag für erledigt erklärt hat. Darüber muss ich aber noch abstimmen lassen. Wenn Sie der Meinung sind, dass dieser Antrag erledigt ist, dann bitte ich Sie um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE für erledigt erklärt worden.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – SGB II ändern und „Job-Nomadentum“ für unzumutbar erklären, Drucksache 5/914.

Antrag der Fraktion der NPD: SGB II ändern und „Job-Nomadentum“ für unzumutbar erklären – Drucksache 5/914 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Empfänger von Arbeitslosengeld II glauben fälschlicherweise, man könne sie nicht gegen ihren Willen zu einem Umzug in eine andere Region oder gar ins Ausland zwingen, damit sie dort einer Beschäftigung nachgehen sollen. Aber das ist falsch, der Paragraf 10 des SGB II, der regelt, welche Tätigkeiten zumutbar sind, erlaubt das durchaus. Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil der Beschäftigungsort vom Wohnort des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort.

Es herrscht, wie der Kommentar zum SGB II von Eicher und Spellbrink dies ausdrückt, der grundsätzliche Zwang zum Job-Nomadentum, Spiel ohne Grenzen für das von Ihnen geschaffene Prekariat. Das Kontrastprogramm zur Mauer sozusagen – damals durfte man nicht weggehen, heute muss man, wenn man Pech hat. Für sich betrachtet stellt übermäßige Entfernung keinen Grund dar, wieso eine Stelle nicht angetreten werden solle. Es ist noch nicht einmal ausdrücklich geregelt, dass das Ausland nicht infrage kommt. Im Gegenteil, es wird gesagt: Das SGB II ist international offen, weltweit. Das gilt nicht nur für reguläre Arbeitsplätze, sondern auch für bloße Trainingsmaßnahmen. Der Zwang zur biografi schen Entwurzelung muss eben hingenommen werden, weil der Hilfsbedürftige alles zu tun hat, um einen noch so schlecht bezahlten Job zu bekommen, und auch überall hinzuziehen hat.

Grundsätzlich zumutbar ist Pendeln, wobei die Pendelzeiten gemäß Paragraf 121 SGB III zwar begrenzt sind, aber viel nützt das nicht, weil auch das Umziehen grundsätzlich zumutbar ist ebenso wie das Aufgeben von ehrenamtlichem Engagement, zu dem man sonst ständig aufgerufen wird. Wenn man die Leute auf diese Weise vertreibt, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Freiwilligen Feuerwehren immer schwächer werden. Dann helfen auch teure Imagekampagnen nichts. Als unzumutbare Belastung gilt nur, was vom Persönlichkeitsrecht keinen relevanten Realisierungsraum mehr übrig ließe, wie es hochgestochen heißt. Auf Sparfl amme darf man ein Minimum an Kontakten zum gewohnten sozialen Umfeld beibehalten.

Dazu wird im genannten Kommentar die Ansicht vertreten, 15 Sonntage im Jahr würden reichen. Könnte man diese in der Heimatregion verbringen, dann sei von Entwurzelung nicht die Rede. Ein Beispiel aus dem Kommentar: „Es muss eine erwerbsfähige hilfsbedürftige Biologin, mit Wohnsitz in Freiburg/Breisgau, eine Tätigkeit auf einer nicht mehr als 37 Sonntage umfassenden Forschungsfahrt in der Antarktis aufnehmen.“ Wohlgemerkt: Das Schiff muss sie ja irgendwo absetzen, von wo aus sie theoretisch nach Hause fl iegen könnte, um dort 15 Sonntage zu verbringen – nicht Wochen, sondern Sonntage. Wenn sie zu wenig verdient, um sich diese Reise zu leisten – Billiglöhnerin in der Antarktis –, Pech gehabt, es gibt ja auch Billigakademiker mittlerweile. Die Möglichkeit reicht.

Nun gibt es gesetzlich anerkannte Unzumutbarkeitsgründe, die zusammen mit einer übermäßigen Entfernung einer solchen Verschickung entgegenstehen können, vor allem, wenn die Erziehung von Kindern gefährdet ist oder die Pfl ege eines Angehörigen nicht mehr gewährleistet werden kann. Aber auch da versuchen die Ämter alles,

um andere Familienmitglieder in die Pfl icht zu nehmen, damit der Hartz-IV-Empfänger endlich aus der Statistik verschwindet. Außerdem greifen diese Unzumutbarkeitsgründe ausgerechnet bei der Gruppe nicht, die das Land unbedingt braucht, bei jungen Leuten, von denen schon viele ausgewandert sind, dank der großartigen Familienpolitik von CDU, SPD und der LINKEN, die dieses Bundesland seit mittlerweile 18 Jahren in Grund und Boden regieren. Insgesamt haben seit 1990 auf der Flucht vor Ihrer Politik 1,5 Millionen Menschen die fünf neuen Länder verlassen. Ganze Jahrgänge haben „rübergemacht“, wie es früher so schön hieß. Der Jahrgang 1977 zum Beispiel ist größtenteils weg. Die Geburtenzahlen bleiben katastrophal niedrig. Das hat zuletzt der Dreißigjährige Krieg geschafft, was SPD, LINKE und CDU bevölkerungspolitisch als Bilanz vorzuweisen haben. Und der Schwund geht weiter.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Also wenn schon vollständig, dann müssen Sie auch die FDP mitnehmen.)

Ja, die haben auch mitregiert, stimmt,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja.)

auch die FDP in der 1. Legislaturperiode. Okay, das sehe ich ein, auch wenn sie kaum da ist.

1998 lebten im Kreis Uecker-Randow noch 87.000 Menschen, 2003 waren es noch 82.000, heute sind es 76.500 und für das Jahr 2020 erwartet man 55.000. Das Durchschnittsalter stieg insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern von 35,8 Jahren 1990 auf 43,8 Jahre heute. Allein im Jahre 2005 verabschiedeten sich 3.098 junge Frauen zwischen 15 und 25 Jahren, weil sie hier keine Perspektiven sahen und vielleicht auch, weil sie die ewige Selbstbeweihräucherung des Herrn Ministerpräsidenten satthatten. Das allein ist für viele schon ein Grund zum Auswandern.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Warum sind Sie denn hergekommen?)

Und in dieser Situation ist es nicht nur rechtlich möglich, junge Leute zum Umzug in andere Bundesländer, ja, sogar ins Ausland zu zwingen, es wird mittlerweile in der Praxis auch gemacht. Früher haben sich die Hartz-IVBehörden damit begnügt, die jungen Leute mit allen Mitteln wegzulocken. Nicht nur der Umzug wurde bezahlt, auch die ersten Monatsmieten in der neuen Heimat in Bayern, Österreich oder sonstwo, die Wohnungseinrichtung auch und zusätzlich wurden noch Prämien ausgelobt. So sorgte man für die Abwanderung der Jugend, während man wie immer gleichzeitig eine Rückholagentur gründete mit dem schicken Namen „mv4you“, die die Leute zur Rücksiedelung nach Mecklenburg-Vorpommern animieren soll, nachdem man sie weggejagt hat.

(Udo Pastörs, NPD: Das passt in den angloamerikanischen Wahnsinn.)

So kann man sich auch beschäftigen. Jetzt werden uns Fälle bekannt, wo Druck ausgeübt und nicht nur gelockt wird. Es wird mit Leistungskürzungen gedroht, wenn man sich nicht zum Umzug nach Österreich bereit fi ndet, und zwar jungen Frauen, da haben wir konkrete Fälle, die unbedingt im Land bleiben sollen, wie man sagt. Schriftlich hat das bisher noch keiner bekommen. Man versucht, die Leute in Gesprächen mürbe zu machen, aber die Einschüchterung beginnt zu funktionieren, und wahrscheinlich nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb muss das SGB II schleunigst geändert wer

den, etwa mit dem Zusatz in Paragraf 10: „Umzüge zum Zwecke der Arbeitsaufnahme sind unzumutbar“, damit das rechtlich nicht mehr möglich ist. Dann bliebe übrig, was akzeptabel ist, das Pendeln, das machen ja genug.

Es gibt auch genug Bürger, die das Land aus eigenem Entschluss verlassen. Ärzte gehen lieber nach Skandinavien oder England, in einigen Branchen werden schon Facharbeiter knapp. Es wurde ja heute gesagt, dass man sich bald um junge Leute balgen wird, um Lehrlinge, während dieses Verjagungsprogramm aber weitergeht. Da muss der Staat nicht noch Druck machen und nachhelfen, es sei denn, das Ausbluten des Landes ist von einigen politisch gewollt. Wo keine Menschen mehr leben, da liegt das Paradies für Industriezweige, die sonst keiner in seiner Nachbarschaft haben möchte, riesige Schweinemastfabriken, rußende Steinkohlekraftwerke, Atommüllzwischenlager, Rapsölmühlen und keine störenden Bürger.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was hält Sie eigentlich in Mecklenburg-Vorpommern?)

In Brandenburg werden mittlerweile schon Wegzugsprämien für die letzten Einwohner fast verlassener Dörfer diskutiert. Sie reden davon, die Kümmerkompetenz von der NPD wiedergewinnen zu wollen, aber durch das Hinausekeln der jungen Leute ins Ausland wird Ihnen das kaum gelingen. Das mag zwar zunächst billiger sein als deren Qualifi zierung und besser für kurzfristige Statistiken, es dürfte sich jedoch auf die Dauer bitter rächen und es rächt sich jetzt schon. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der SPD.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Müller von den neuen Nazis hat uns ja quasi vorgehalten, dass von uns hier immer nur Fensteranträge gestellt werden. Wenn man sich diesen Antrag genau ansieht, ist das der Prototyp eines Fensterantrages.

(Stefan Köster, NPD: Also Sie wollen, dass die jungen Menschen ins Ausland gehen? Danke schön, Herr Heydorn, das werden wir gut verwenden können.)

Das ist der Prototyp eines Fensterantrages.

Also was wollen Sie von mir? Halten Sie doch einfach den Mund! Hören Sie zu, vielleicht können Sie noch was dazulernen!

(Stefan Köster, NPD: Ja, das werden Ihre Mitbewohner auf dem Dreesch in Kürze lesen können. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ja, so ist es.

Was wird hier versucht, den Leuten zu suggerieren?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es gibt Arbeitsgemeinschaften, die nötigen die Ein-EuroJobber ins Ausland, damit sie Frondienste zu leisten haben für 1 Euro oder weniger. Es wird versucht zu suggerieren, dass eine Abwanderung aus Mecklenburg-Vor

pommern und unsere demografi sche Entwicklung darauf zurückzuführen sind, dass Menschen gezwungen werden, das Land zu verlassen.

(Stefan Köster, NPD: Ja, das ist doch so.)

Das sind im Grunde genommen die Dinge, die hier zur Sprache gebracht werden von Herrn Andrejewski.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn Sie morgens auf der Pirsch auf Ihrem Hochsitz sitzen, dann fahren die Normalbürger 80, 100, 150 Kilometer zur Arbeit. Das interessiert Sie gar nicht.)

Das ist letztendlich hier allen bekannt und wir wissen, dass es so ist.

(Udo Pastörs, NPD: Sie frönen Ihrer Jagdleiden- schaft, währenddessen der kleine Mann andert- halb Stunden Anreise in Kauf nimmt, und das zurück noch mal. Das ist die Tatsache. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Die Frage ist doch nur: Was treiben Sie hier? Sie kommen hier nach vorn, machen ein wichtiges Gesicht, legen Ihren Zettel auf den Tisch, lesen vor und hetzen.

(Stefan Köster, NPD: Wir setzen Sie unter Druck.)

Wir haben hier von Ihnen noch keinen konstruktiven Beitrag gehört.