Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Ausführungen zum Warum der Verwaltungsreform, zum Reformbedarf erübrigen sich an dieser Stelle. Herr Ministerpräsident hat in eindringlichen Worten dargelegt, dass die weitere Konsolidierung der Landeshaushalte und der kommunalen Haushalte eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern, nicht für einzelne Kreise, sondern für die Zukunftsfähigkeit des gesamten Landes, darstellt. Schnelle und entschlossene Reformschritte sind ohne Alternative.

Hier im Landtag wird sich zunächst die Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ mit dem Leitbild der Landesregierung befassen. Wenn sich dann der Landtag, wie ich mir als Kommunalminister wünschen würde, im März, spätestens vielleicht im April während der Plenarsitzung auf ein Leitbild einigt, kann im Innenministerium unmittelbar danach mit der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes begonnen werden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber dann geht es los.)

Das Gesetz soll nach Möglichkeit noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Sommer 2010 verabschiedet werden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was? So schnell? – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ziel der Landesregierung ist es, dass die Kreistags- und Landratswahlen bereits im Jahr 2011 in den neuen Strukturen stattfi nden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das geht ja in Riesenschritten voran.)

Wie wir alle wissen, sind im Jahr 2009 die Kreistage in den alten Strukturen zu wählen.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Die Wahlperiode der Kreistage kann dann nur zwei Jahre betragen, da 2011 schon in den neuen Strukturen gewählt werden muss.

(Michael Roolf, FDP: Nee, nee.)

Ich räume offen ein, das habe ich auch immer wieder betont, dass ich auch angesichts der Wahl von nur rund zwei Jahren ein gewisses Unbehagen verspüre.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Michael Roolf, FDP: Ja.)

Aber eine vernünftige Alternative, um wieder in geordnete Wahlstrukturen zu kommen, gibt es dazu nicht. Wir können mit dem Inkrafttreten der Reform aber nicht einfach bis zum Jahr 2014, dem turnusgemäßen Ende der Kommunalwahl, warten.

(Michael Roolf, FDP: Wir müssen nur auf Greifswald warten.)

Im Hinblick auf die überragende Bedeutung, die die Schaffung effi zienter Strukturen hat, wären dieses ganz klar drei verschenkte Jahre. Angesichts der drängenden Probleme des Landes und seiner Kommunen haben wir aber, Herr Roolf, nichts zu verschenken, weder Zeit noch Geld. Und deswegen geht an dem Lösungsansatz kein Weg vorbei.

Nun einige Ausführungen zum Konzept des Wie. Dem Konzept liegen zwei allgemeine Ziele zugrunde: die

Schaffung nachhaltig tragfähiger und effi zienter Verwaltungsstrukturen sowie der Erhalt und die Stärkung der ehrenamtlich ausgeübten kommunalen Selbstverwaltung. Wir müssen dauerhaft fi nanzierbare und schlagkräftige Verwaltungsstrukturen schaffen, Strukturen, in denen die erforderlichen öffentlichen Dienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft effi zient erbracht werden können. Und für die Bürgerinnen und Bürger muss auch in den künftigen Strukturen die Möglichkeit bestehen, sich in sinnvoller Weise ehrenamtlich kommunalpolitisch zu betätigen.

Ganz wichtig ist mir persönlich auch, dass das ehrenamtliche Engagement nicht nur im politischen Bereich, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere auf sozialem, kulturellem und sportlichem Gebiet möglichst gestärkt wird oder zumindest in der Intensität wie bisher erhalten bleibt. Nur dort, wo demokratische gesellschaftliche Kräfte und der Staat gemeinsam Präsenz zeigen, ist kein Nährboden für extremistisches Gedankengut. Den Extremisten keinen Raum zu geben, auch das muss ein gemeinsames Ziel bei der Verwaltungsreform sein.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU, und Egbert Liskow, CDU)

Nun einige Worte zu Größe und Einwohnerzahl der neuen Kreise. Das Problem, vor dem wir stehen, ist in dieser Form, wie wir es hier haben, einmalig in Deutschland. Mecklenburg-Vorpommern ist ein sehr großes Bundesland und zugleich ist es äußerst dünn besiedelt. Der Zielkonfl ikt, den wir hier zu lösen haben, ist damit ganz klar beschrieben. Auf der einen Seite wollen wir leistungsfähige Strukturen, das heißt konkret, vor allem einwohnerstarke und damit aufgrund der sehr dünn besiedelten Einwohnerzahl zwangsläufi g großfl ächige Kreise. Auf der anderen Seite wollen wir Strukturen, in denen die ehrenamtlichen Politiker ihren Kreis noch aus persönlicher Anschauung kennen können. Das spricht eher für kleinfl ächige Kreise.

In diesem äußerst schwierigen Spannungsfeld hat die Landesregierung mit dem gesetzten Orientierungsrahmen nach unserer Auffassung einen vernünftigen Ausgleich erreicht. Die Zielgröße der Fläche der Landkreise – auch dieses ist allen mittlerweile bekannt – sollte in der Regel 4.000 Quadratkilometer nicht überschreiten, während die abstrakte Unterzielgröße für die Einwohnerzahl der Landkreise zum Jahr 2020 175.000 Einwohner beträgt, wobei uns allen klar ist, dass eine tragfähige Lösung – und da gebe ich Ihnen Recht, Frau Měšťan – nicht allein durch zahlenmäßige Festlegungen defi nitiv und endgültig erreicht werden kann. Wir müssen und wir werden uns in jedem Einzelfall die Gegebenheiten vor Ort genau ansehen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist es. Jawohl.)

und alles versuchen, um überschaubare und zugleich einwohnerstarke Kreise bilden zu können. Die Lösungen, die wir fi nden, müssen zu den regionalen und den örtlichen Gegebenheiten passen.

Meine Damen und Herren, als Nächstes zur nicht weniger spannenden Frage nach dem Verhältnis von Kreisgebiets- und Funktionalreform. In dem Leitbild der Landesregierung heißt es: „Kreisgebietsreform und Funktionalreform bilden eine Einheit und sind aufeinander abzustimmen.“ Der Ministerpräsident hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass beides eng miteinander verknüpft ist. Dennoch besteht ein gewisser Vorrang

für die Frage der Strukturen. Ob nämlich das Land oder die kommunale Ebene bestimmte Aufgaben am besten wahrnehmen kann, hängt maßgeblich auch von der Zahl der kommunalen Aufgabenträger ab. Daher müssen wir uns jetzt sehr intensiv mit den Strukturen befassen, die auch in Zukunft noch für die dann aktuellen Anforderungen, die sich ja jetzt schon deutlich abzeichnen, passen. Wenn wir in dieser Legislaturperiode im breiten Konsens aller demokratischen Fraktionen ein tragfähiges Gesetz verabschieden wollen, dann müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Es gibt aber eine gewisse Anzahl an Aufgaben, die grundsätzlich unabhängig von der Struktur der Landkreise auf diese übertragbar sind. Diese Aufgaben kann man gegebenenfalls parallel zur Kreisgebietsreform in einem eigenen Gesetzeswerk bereits jetzt angehen, auf die Kreise zu übertragen. Hierzu hat die Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ eine Arbeitsgruppe eingesetzt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Gott sei Dank. Jawohl, es muss losgehen.)

wofür ich sehr dankbar bin. Diese Arbeitsgruppe hat bereits Kontakt zu den einzelnen Ressorts der Landesregierung aufgenommen und untersucht, welche Aufgaben man sinnvollerweise bereits heute auf die Kreise übertragen kann. Sie wird vom Innenministerium dabei intensiv unterstützt, denn diese Aufgaben sollten wir möglichst schnell versuchen umzusetzen.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, Kreise sollen grundsätzlich nicht geteilt werden. Auch das hat der Ministerpräsident angesprochen. Von dieser Regel muss es aber natürlich dann Ausnahmen geben, wenn ansonsten nachhaltige tragfähige uneffi ziente Verwaltungsstrukturen nicht möglich wären. Auch das steht im Leitbild.

Im Verhältnis Stadt-Umland-Gemeinden sind alle – und das war erklärtes Ziel, dass wir keine Denkverbote aufstellen – in Betracht kommende Optionen zu untersuchen, von der Verstärkung der kommunalen Zusammenarbeit über eine Anpassung der fi nanziellen Ausgleichsregelung bis hin zu Eingemeindungen.

Zum Thema Eingliederung von bisher kreisfreien Städten hat der Ministerpräsident die Haltung der Landesregierung bereits auf den Punkt gebracht. In leistungsfähigen Kreisstrukturen werden die einwohnerschwachen Städte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ihre Kreisfreiheit nur schwer rechtfertigen können.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das gilt auch für Schwerin.)

Unser Land muss als Ganzes zukunftsfähig werden und nicht einzelne Orte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich wünsche uns eine gemeinsame, gute und intensive Beratung. Lassen Sie uns die knappe Zeit, die für dieses umfangreiche Werk notwendig ist, intensiv nutzen im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern, im Interesse der Bürger! Ich wünsche uns allen dazu eine gute Beratung und bedanke mich bei allen, die sich schon bisher in den Diskussionsprozess eingebracht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Innenminister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Gewissermaßen könnte einem die Landesregierung fast leid tun.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wieso?)

Was Sie hier vorlegen, muss, um es mit den Worten von meinem geschätzten Kollegen Heinz Müller zu sagen, einer kritischen Würdigung unterzogen werden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Oh, das ist ja mal erfreulich.)

Herr Minister Caffi er, aber bei allem Mitleid, wir waren schon sehr erstaunt, als wir Ihr Leitbild zur Kenntnis nehmen durften. Man konnte sich dem Eindruck auch nicht erwehren, dass große Teile Ihrer eigenen Partei über das Leitbild ebenso irritiert waren.

(Vincent Kokert, CDU: Ach je!)

Ihre Begründung für einen Reformenbedarf wirkt auf den Leser wie ein vorweihnachtlicher Horrorschocker. Sie begründen Ihren Reformbedarf mit den Argumenten – wir kennen sie alle – einer dramatisch negativen Bevölkerungsentwicklung, einem Landeshaushalt, der sich in struktureller Schiefl age befi ndet und mit dem Auslaufen des Solidarpaktes 2019 weiter an negativer Dynamik zunehmen wird.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Man fragt sich, was in einem vorgeht, wenn man Ihre Zeilen liest. Das Durchleben von Jammer und Schauder, ein Bild, das wohl eher der klassischen Tragödie entnommen ist, scheint Ihr Ratgeber zu sein. Nur wo, frage ich Sie, um im Bild zu bleiben, ist dann die Läuterung? Bei diesem Regiekunstgriff wundert man sich nicht, dass auch gleich der Schuldige an der Gesamtmisere geliefert wird. Und natürlich gilt es nun, diesen zu läutern.

Es ist wieder einmal die kreisliche Ebene. Zitat: „Der jetzige Reformansatz beschränkt sich auf die kreisliche Ebene.“ Noch eins: Nicht zielführender sind die allgemeinen Ziele Ihres Leitbildes, „Schaffung nachhaltig tragfähiger und effi zienter Verwaltungsstrukturen“ und „Erhalt und Stärkung der ehrenamtlich ausgeübten kommunalen Selbstverwaltung“. Und dann heißt es unter dem Punkt 4 bezeichnend weiter: „Mit der Reform sollen Strukturen geschaffen werden“. Wo aber, frage ich Sie, ist Ihr Bild von der Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns? Welches Handeln muss erfolgen, um dieses Ziel zu erreichen? Wo ist Ihr motivierendes Konzept, das allen Beteiligten und vor allem den Bürgerinnen und Bürgern verständlich darstellt, welche positiven Anreize zu erwarten sind, wenn alle Reformanstrengungen erfolgreich umgesetzt wurden?

Ihr Leitbild gibt hierauf keine Antworten, es ähnelt eher einer Bauanleitung. Das gilt im besonderen Maße für Ihre Leitlinien. Die Angabe von Flächengröße und Einwohnerzahlen macht den Bausatz dann auch endgültig komplett.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das müssen wir so tun, weil das Gericht es so will.)