Protokoll der Sitzung vom 31.01.2008

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Vielfalt gemeinsam erleben“, so lautet das Motto des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs. Dieses Motto ist gut gewählt, denn es benennt zentrale Aufgaben, vor denen nicht nur die Landesregierung, sondern die europäischen Unionsbürger heute insgesamt stehen. Der Wandel in Europa lässt uns ungehindert aller kulturellen und sonstigen Unterschiede näher zusammenrücken. In der Europäischen Union sind wir Teil einer gemeinsamen Kultur und haben die Vision einer Europäischen Unionsgemeinschaft fest im Blick. Uns verbindet nicht nur eine Interessengemeinschaft, sondern wir teilen grundlegende Ziele und Werte. Der Wandel ist also eine Chance und eine Herausforderung zugleich.

Sind wir in Mecklenburg-Vorpommern auf den Wandel vorbereitet? Ich denke, ja. Aber wir müssen unser Wissen voneinander verbessern, damit auch die Idee einer Europäischen Gemeinschaft bei den Bürgern mehr Vertrauen gewinnt. Ich begrüße deshalb die Initiative der EU, ein Europäisches Jahr des interkulturellen Dialogs auszurufen. Während des Jahres sollen das wechselseitige Verständnis und das Zusammenleben verschiedener Kulturen verbessert werden. Viele interkulturelle Projekte wird es geben. Dabei sollen so viele Menschen und so viele Bereiche wie möglich einbezogen werden.

Bildung, meine Damen und Herren, ich kann es nicht oft genug wiederholen, ist der Schlüssel zu Wohlstand und sozialer Anerkennung. Das gilt in Deutschland, das gilt in Frankreich oder allen anderen Ländern Europas. In Mecklenburg-Vorpommern existieren bereits zahlreiche und vielfältige Konzepte für Aktivitäten im Bildungs-, Hochschul- und Kulturbereich, die den interkulturellen Dialog intensiv fördern. Ich möchte nur drei Beispiele aus den Bereichen Bildung, Hochschule und Kultur nennen:

Erstens. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat intensiv am interkulturellen Projekt „Education Gate“ mitgearbeitet. Zusammen mit den Bildungsverwaltungen verschiedener EU-Regionen haben wir ein Konzept entwickelt für die inhaltliche Ausgestaltung einer Schule mit europäisch ausgerichteten Bildungs- und Erziehungsinhalten. Es ist darauf ausgerichtet, die Interkulturalität, Sprachenvielfalt und Mobilität junger Leute zu fördern. Eine Reihe von Schulen in Mecklenburg-Vorpommern erfüllen bereits Teile des europäischen Collegegedankens dieser Konzeption mit Leben. 2008 wird daran weitergearbeitet, das beschriebene Schulmodell in ausgewählten europäischen Regionen auch in MecklenburgVorpommern zu etablieren. Daneben soll ein Projekt zur europäischen Lehrerausbildung sowie ein Projekt zur grenzüberschreitenden interkulturellen Bildung „Zusammenarbeit mit Polen“ stattfi nden, Letzteres vor allem im Bereich Schule und Ausbildung für den gemeinsamen Arbeitsmarkt. Im Rahmen dieser Projektarbeiten wird es verschiedene Veranstaltungen geben, die darauf abzielen, den interkulturellen Dialog zu fördern.

Zweitens. Die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern leisten ihren Beitrag zur Förderung des interkulturellen Dialogs, indem sie sich zunehmend international öffnen und versuchen, ihre Attraktivität für ausländische Studierende und Wissenschaftler durch verschiedene Maßnahmen zu erhöhen. Hierzu zählen insbesondere strukturelle Maßnahmen wie die Umstellung der bisher in Deutschland üblichen Studiengangsformen auf das international kompatible Graduierungssystem. Im Rahmen der Umsetzung des Bologna-Prozesses wurden zum Wintersemester 2007/2008 von den insgesamt 308 Studiengängen der Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern 87 als Bachelor- und 76 als Masterstudiengänge angeboten, was einer Quote von insgesamt 52,9 Prozent des Gesamtstudienangebots entspricht. Die Hochschulen nutzen außerdem relevante Förderprogramme des DAAD, zum Beispiel Erasmus Mundus. Darüber hinaus bieten die sechs Hochschulen des Landes auch in diesem Jahr viele Einzelmaßnahmen an mit dem Ziel, die Interkulturalität der Hochschulen vor Ort erlebbar und begreifbar zu machen.

Drittens. Ein wichtiger Teil des interkulturellen Dialogs ist es, nicht nur andere Kulturen selbst kennenzulernen, sondern auch anderen die eigene Kultur zu präsentieren, ausländische Gäste über unsere Kultur zu informieren und diese lebensnah zu vermitteln. Das Bildungsminis

terium wird in diesem Jahr gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut einen Deutschkurs für höhere EU-Beamte und Verwaltungsmitarbeiter europäischer Regierungen in Schwerin durchführen, bei dem gerade das praktische Kennenlernen der landestypischen Kultur zentrales Ziel zur Vermittlung der Sprachkultur ist.

(Udo Pastörs, NPD: Bonzen bedienen Bonzen!)

Die Beamten sollen dabei gezielt mit Vertretern ihres praktischen Arbeitsbereiches zusammenkommen, um mehr von einem interkulturellen Austausch der Arbeitswelten zu erfahren.

(Michael Andrejewski, NPD: Das hört sich sehr gepfl egt an.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kulturelle Vielfalt, Gemeinsinn und das Bewusstsein der Verschiedenartigkeit gehören untrennbar zusammen. Einiges wurde in den vergangenen Jahren auf diesem Feld bereits erreicht oder in Bewegung gesetzt. Das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs soll den Nutzen der kulturellen Vielfalt veranschaulichen und den interkulturellen Dialog fördern. Dieses Ziel ist erreichbar, wenn sich alle Beteiligten über das Jahr 2008 hinaus engagieren. Substanzielle Beispiele gibt es genug, ich habe einige von ihnen genannt.

Dass die kulturelle Vielfalt dauerhaft und nachhaltig erlebbar wird, ist nicht allein Aufgabe der Landesregierung. Die Eigenverantwortung jedes Einzelnen ist dabei ebenso gefordert wie das Engagement von gesellschaftlichen Initiativen. Auch hier fi nden sich in MecklenburgVorpommern viele Ideen und Projekte. Erwähnt seien an dieser Stelle das Bündnis für Demokratie und Toleranz, „Kultur macht Schule“ und „Stärkung zivilgesellschaftlicher, demokratischer Strukturen (CIVITAS)“.

Ich meine, dass diese Beispiele anspornen und ermutigen. Wir brauchen noch viel mehr davon. Das Ziel, Vielfalt gemeinsam leben, ist der Landesregierung ein Herzensanliegen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Initiativen besser vernetzt werden und deutlicher ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, auch über das Jahr 2008 hinaus.

Und Ihnen kann ich nur sagen, uns allen ist gestern sehr deutlich ins Bewusstsein gerückt, wie Sie mit der Vergangenheit umgehen. Ich glaube, das Bild ist um die Welt gegangen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wir reden über etwas, von dem Sie wahrscheinlich sowieso nichts verstehen, nämlich über Kultur. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kuhn von der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner, Frau Borchardt und unser Bildungsminister Herr Tesch, haben, denke ich, das Thema schon sehr eindrucksvoll beschrieben.

(Irene Müller, DIE LINKE: Frau Borchardt war die Vorrednerin.)

Ich denke, wir sind uns alle hier im Hause einig – bis auf die Fensterfraktion –, dass das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs, das sicher ein schwerer Slogan ist,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

schon die richtige Absicht zeigt. Denn wenn das Haus Europa gebaut werden soll aus 27 Nationalstaaten, dann muss es natürlich so sein, was den Bereich der Sprache, der Kultur und der religiösen Fundamente betrifft, die doch im Grunde die christlichen sind,

(Raimund Borrmann, NPD: Noch, noch! Wie lange noch?)

dass man sich schon miteinander verständigen sollte, um sich dort das eine oder andere Mal auch in ganz interessanten Projekten auszutauschen und die eigene Lebensphilosophie einfach besser verstehen zu können. Und da sind die Aktivitäten auf Landesseite, gerade im Bereich des Bildungsministeriums, was die Universitäten betrifft, was die Schulen betrifft, was Sportaktivitäten betrifft, vom Minister bereits beschrieben worden. Ich will nur noch hinzufügen, dass die Umsetzung dieses Jahres in Deutschland direkt in die Kompetenz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingebaut worden ist, das zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfl ege das Jahr des interkulturellen Dialogs untersetzt.

Nicht zu vergessen ist diesbezüglich, glaube ich, dass gerade in unserem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, aber auch auf Gemeinde-, Stadt- und Kreisebene sehr viele Partnerschaften innerhalb der EU mit den angrenzenden Ländern entstanden sind, ob das nun mit der Republik Polen ist oder ob das weiter nördlich nach Skandinavien geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

In meiner Heimatgemeinde sind sehr starke Aktivitäten entstanden, in Zingst und Rügenwalde, die sich jetzt mittlerweile über etliche Jahre schon sehr stark in ihren partnerschaftlichen Aktivitäten gegenseitig inspirieren. Es ist eine helle Freude, wenn man sieht, wie viel Herzerfrischendes jeweils von den doch sprachlich ganz anders ausgerichteten kulturell-religiösen Polen zu uns nach Mecklenburg-Vorpommern in ein Land kommt, das über die Jahre hinweg,

(Jörg Heydorn, SPD: Genauso ist es.)

was die christlichen Fundamente betrifft, doch schon etwas beeinträchtigt worden ist. Es ist auch interessant, wie viel hochinteressante Dinge dort miteinander beredet werden und wie viel Freundschaften entstehen. Insofern, glaube ich, sind wir da auf dem richtigen Weg.

Ob es jetzt erforderlich ist – wie es Frau Borchardt hier beantragt hat –, dass unbedingt ein Bericht der Landesregierung über sämtliche Aktivitäten vorzulegen ist, das bezweifl e ich. Ich glaube, dass wir uns in den zuständigen Ausschüssen im Rahmen einer Selbstbefassung über die dort laufenden Dinge unterhalten können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hätten Sie ja beantragen können.)

Wir sollten das letztendlich nicht immer nur in eine Richtung betreiben und sagen, da muss die Landesregierung aktiv werden und wir brauchen unbedingt eine Istzustandsanalyse und einen Bericht darüber, damit wir genau im Bilde sind. Ich glaube, hier ist eigenes Handeln

viel, viel wichtiger. Jeder sollte sehen, wie er in seiner Heimatgemeinde solche Dinge befördern kann, dann werden wir innerhalb Europas auch viel besser miteinander umgehen und uns besser verstehen können. Erzählt euch eure Geschichten, dann versteht ihr eure Geschichte! Ich muss Ihnen leider sagen, dass wir Ihren Antrag jetzt ablehnen müssen, ansonsten stimmen wir aber sehr mit Ihnen überein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Oh!)

Danke, Herr Kuhn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borrmann von der NPD.

Bürger des Landes!

Herr Borrmann, Sie haben immer wieder gesagt bekommen, wie wir uns hier im Landtag zu verhalten haben, dass es hier bestimmte Formen gibt. Da Sie immer wieder dagegen verstoßen, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das macht er immer um diese Zeit. Wahrscheinlich will er eher Feierabend machen.)

Die Europäische Union mit ihren himmlischen Heerscharen in Straßburg und im Rat der Götter in Brüssel hat einen Beschluss gefasst und mit Paukenschlag und Trompetenschall verkünden lassen: 2008 wird das Jahr des interkulturellen Dialogs. So einfach geht das. Die Götter hätten auch das Jahr der brennenden Autos verkünden können, aber das haben wir schon in Frankreich,

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

oder das Jahr des Drogenkonsums mit frischer Ware aus Afghanistan, wo die Bundeswehr neben Deutschland auch Mohnfelder am Hindukusch verteidigt, oder das Jahr des Schweigens ausrufen können,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

damit deutsche Rentner nicht mehr mit ihren antiquierten Moral- und Wertevorstellungen Ausländer drangsalieren.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Aber das Schweigen ist wohl die härteste Strafe in den Sphären der Oberschicht. Obwohl inzwischen das Jahr angebrochen ist, hat Mecklenburg-Vorpommern wie gewöhnlich mit dem Schöpfungsakt noch nicht begonnen, und zwar nach Auffassung der LINKEN. So können unsere lieben LINKEN wieder einmal zeigen, dass sie ihre Hauptaufgabe nicht in der Beseitigung des Kapitalismus sehen, auf der die Errichtung eines demokratischen Sozialismus folgt. Was ist denn das Wesen der Europäischen Union? Sie ist das Machtinstrument der ökonomisch herrschenden Globalisierungsklasse für Ausplünderung der Völker durch Entmachtung, Kompetenzentziehung, durch Teilen und Beherrschen. Sie, liebe LINKEN, wollen Knechtebüttel des Kapitals werden, wenn Sie es nicht schon sind, und bemänteln dies mit philantrophischem Geschwätz und der Vergottung der Europäischen Union. Früher tönte es wenigstens: „Was der 13. Parteitag bestimmt, muss Wirklichkeit werden“,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da waren Sie noch Staatsbürgerkundelehrer!)

und heute fl ötet es: „Was das Europäische Parlament und der Rat beschloss, muss mit Leben erfüllt werden.“

Früher donnerte es selbstbewusst: „Proletarier, aller Länder vereinigt euch!“,