Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeitarbeit ist ein, gerade in einer Zeit, wie wir sie jetzt erleben, also einer besser laufenden Konjunktur, ganz wichtiges Instrument, um Arbeitsspitzen zu beherrschen. Dieses Instrument, das wurde gerade eben angeführt, das ist aber wichtig, dieses noch einmal zur Kenntnis zu nehmen, wurde deshalb unter Rot-Grün in der vorhergehenden Bundesregierung weiter fl exibilisiert. Und nun ist es, wie oft im Leben, so, dass es auch schwarze Schafe gibt, die Regeln ausnutzen. Diese kritischen Fälle sind allerdings für mich kein Argument, die Zeitarbeit sozusagen unter Generalverdacht zu stellen.
Sie sind auch kein Argument für Vorschläge, wie wir sie zur Kenntnis genommen haben von der Fraktion DIE LINKE, mit denen dann Zeitarbeit völlig unattraktiv und bedeutungslos würde.
(Irene Müller, DIE LINKE: Für die Arbeitgeber ist das wirklich gut, das stimmt. – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Michael Roolf, FDP)
Die Regierungsfraktionen wollen deshalb das Instrument Zeitarbeit erhalten und bestenfalls behutsam weiterentwickeln. Warum? Die Wirtschaft braucht die Zeitarbeit für die schon genannten Auftragssituationen.
Meine Damen und Herren, es geht letztlich darum, saisonale konjunkturelle Schwankungen der Auftragslage abzufedern und Arbeitsmarktengpässe zu überbrücken. Die Zeitarbeit ermöglicht fl exible Reaktionen zu kalkulierbaren Kosten, und es muss gesagt werden,
(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist ja interessant, dass es da Firmen gibt, die selber Zeitarbeitskräfte vermitteln.)
Zeitarbeit verbessert natürlich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ihrer Beschäftigten am Standort in Deutschland.
Im Übrigen, dass will ich auch sagen, hilft sie – das ist auch eine Situation, die wir gegenwärtig feststellen – zum Beispiel in Unternehmen, entweder Überstunden zu vermeiden oder diese abzubauen. Zeitarbeit hat ohne Zweifel auch Vorteile für Arbeitnehmer, wenn die Dinge nicht ausgenutzt werden. Arbeitslose und Berufsanfänger erhalten durch Zeitarbeit Einstiegschancen, die sie ansonsten kaum hätten.
Rund zwei Drittel der Beschäftigten von Zeitarbeitsfi rmen waren vor Eintritt in die Firma ohne Beschäftigung.
Mit der Qualifi zierung im Rahmen der Arbeit leistet die Zeitarbeit einen wichtigen Beitrag zum Berufseinstieg und zur Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit.
Generell – das ist vorhin schon gesagt worden – führt Zeitarbeit im Durchschnitt in Deutschland bei jedem Dritten zur folgenden Festanstellung. Man kann es also gewissermaßen als Chance bezeichnen, um in eine unbefristete Beschäftigung zu kommen.
Besteht im Leihunternehmen kein Bedarf mehr an Leiharbeit – das ist ja dann noch einmal zu schildern –, dann wird der Arbeitnehmer eben nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen, sondern er bleibt im Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Dort trägt auch der Arbeitgeber das Beschäftigungsrisiko. Der Zeitarbeiter in Deutschland erhält bei seiner Verleihfi rma einen schriftlichen und auch unbefristeten Arbeitsvertrag mit den üblichen Leistungen wie Sozialversicherung, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und gesetzlicher Kündigungsschutz. Und das unterscheidet uns eben von vielen europäischen Ländern. In Frankreich zum Beispiel ist der Arbeitsvertrag des Zeitarbeitnehmers verbunden mit dem Einsatz im Kundenbetrieb ohne langfristige Beschäftigungs sicherheit.
Meine Damen und Herren, zu Beginn dieser Phase, wie wir sie jetzt erleben – also eines gewissen Aufschwungs, wenn ich das einmal vorsichtig so bezeichnen darf –, sind in der Zeitarbeitsbranche viele neue Arbeitsplätze entstanden. Das ist richtig. Die Unternehmen haben zunächst verstärkt auf Zeitarbeitskräfte zurückgegriffen, klar, weil sie gewissermaßen auch Unsicherheit damit zum Ausdruck bringen.
Das zeigt, dass die wichtige Funktion der Zeitarbeit für die Wirtschaft und die Beschäftigung auch greift.
Der Anteil von Zeitarbeitnehmern an allen Erwerbstätigen in Deutschland liegt unter 2 Prozent. Man muss sich die Relationen auch vor Augen halten. Dies ist im europäischen Vergleich gering, das wurde gesagt. Ich kann Ihnen aber die Zahlen noch einmal nennen: In Großbritannien und den Niederlanden liegt dieser Anteil bei über 4 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern liegt dieser Anteil im Übrigen mit 1,2 Prozent deutlich unter dem deutschen Durchschnitt. Wir haben im Land 8.800 Zeitarbeitnehmer. Das ist zumindest die Zahl, die uns per 30.06.2007 vorliegt.
Insbesondere größere Unternehmen nutzen dieses Instrument zur Flexibilisierung und zur Abarbeitung von Auftragsspitzen. Zum Beispiel waren am 30.09.2007 rund 850 Zeitarbeitnehmer für die Werften in MecklenburgVorpommern tätig. Bei 4.700 Festangestellten ist das eine Quote von 18 Prozent.
Meine Damen und Herren, die Zahl der Erwerbstätigen in Mecklenburg-Vorpommern stieg im Jahr 2007 um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das waren 11.200 neue Arbeitsplätze. Im produzierenden Gewerbe des Landes waren es 4.000 neue Arbeitsplätze. Übrigens gehörten dazu dann keine Zeitarbeitnehmer, denn die werden in der Statistik zu den Unternehmensdienstleistern gerechnet. Diese Zahlen sprechen deutlich gegen den Vorwurf: Zeitarbeit verdrängt reguläre Beschäftigung. Zeitarbeitsfi rmen sprechen bereits davon, dass sie kaum noch die gesuchten Mitarbeiter fi nden, weil die Unternehmen auch direkt einstellen. Das ist auch gut so, um das einmal klar zu sagen.
Zudem sei der sogenannte Klebeeffekt – ich fi nde das Wort nicht sehr schön, habe aber kein besseres, es geht um die Übernahme eines Zeitarbeiters durch den Kunden –, inzwischen auch gestiegen. Bei uns sind es bereits 40 Prozent.
Also man spürt auch, dass der Wirtschaftsaufschwung tatsächlich greift, zumindest in dem Bereich, der die Nachfrage nach Arbeitskräften betrifft. Das führt am Ende auch zu höheren Einkommen, das muss man den Menschen sagen. Es wird so sein.
Meine Damen und Herren, mein vorrangiges Ziel ist es, die Wirtschaft zu stärken und ihr zu ermöglichen, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei setzen wir auf Bildung, Qualifi zierung, Innovation und ganz besonders auf hochwertige Arbeitsplätze in erfolgreichen Unternehmen. Diese müssen für ihre Wettbewerbsfähigkeit notwendige Flexibilität und unternehmerische Freiheit erhalten. Zeitarbeit bietet Chancen und Vorteile sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber. Aber, auch das ist richtig, solch eine Entwicklung bietet eben auch Risiken.
Missbrauchsfällen sollten wir mit zielgerichteter Weiterentwicklung des Rechtsrahmens begegnen. Die beste Lösung heißt hier aber nicht mehr Beschränkung, mehr Bürokratie und weniger Freiheit. Wenn Politik überzogen reagiert – das haben wir immer wieder festgestellt – und vermeintlich sozial gerechte Lösungen in Form von staatlich getroffenen Regulierungen sucht, dann hat dies im Regelfall im Ergebnis eine höhere Arbeitslosigkeit zur Folge und damit weniger soziale Gerechtigkeit. Lösungen dürfen also nicht dazu führen, dass diejenigen, denen man eigentlich helfen will, am Ende vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden und zurückfallen in die Abhängigkeit staatlicher Fürsorge. Es gilt, Auswüchse zu verhindern, aber die Schutzmauern nicht so hochzusetzen, dass es am Ende vielleicht gar nichts mehr zu schützen gibt. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also ich muss sagen, der Antrag hat uns einigermaßen erstaunt.
Sie erinnern sich, meine Fraktion hat im November vergangenen Jahres einen Antrag unter dem Titel „Bedingungen für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter verbessern“ eingebracht. Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, haben ihn rundweg abgelehnt.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Ein kleines, ein kleines, ein kleines. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Flöckchen. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Sieht man sich aber den Antrag genauer an, hält sich unsere Euphorie in Ihrem Sinneswandel doch ziemlich in Grenzen.
Die Überschrift lautet: „Rahmenbedingungen für Zeitarbeit in Mecklenburg-Vorpommern weiter verbessern“. Für diejenigen, die mit Zeitarbeit viel Geld verdienen, sind die Bedingungen hervorragend, und das in ganz Deutschland. Spätestens seit die rot-grüne Bundesregierung durch die unsäglichen Hartz-Gesetze alle Schleusen geöffnet hat, sieht es für die Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter ganz anders aus. Deren Bedingungen müssen dringend verbessert werden. Durch das Streichen der Begrenzung der Überlassungsdauer im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz kann von der Abdeckung von Auftragsspitzen keine Rede mehr sein. Gestiegene Anforderungen an Flexibilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern heißt konkret: Unsicherheit pur! „Heuern und Feuern“ ist das Motto der Zeit. Es ist der Gipfel der Untertreibung, wenn in Ihrem Antrag steht, ich zitiere, „dass Zeitarbeit auch zur Umgehung von Tarifverträgen und Lohndumping missbraucht wurde“. Wo leben Sie eigentlich?