Protokoll der Sitzung vom 31.01.2008

Meine Damen und Herren, wenn Sie den Tarifvertrag nehmen, den der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund geschlossen hat, der in den neuen Bundesländern in der Entgeltgruppe 1 einen Bruttostundenlohn von

5,70 Euro in den ersten sechs Monaten und anschließend von 5,77 Euro je Stunde zugrunde legt, dann wundert es mich auf der anderen Seite nicht, dass der Einzelhandel in unserem Land immer wieder über die zu niedrige Kaufkraft in Mecklenburg-Vorpommern klagt. Auch das Argument, dass Leiharbeit ein Mehr an Arbeitsplatzsicherheit biete, ist angesichts der wachsenden Zahl von Befristungen bei Leiharbeitsfi rmen nicht haltbar. Leiharbeit in ihren heutigen …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat uns aber der Minister nicht gesagt.)

Jetzt rede ja auch ich!

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich stelle das auch positiv fest.)

Leiharbeit in ihren heutigen Auswüchsen fördert daher vielfach die materielle Verarmung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und trägt gerade nicht zur Stabilisierung der Arbeitsmarktsituation bei. Diese Auswüchse führen dazu, dass die positiven Aspekte, die es durchaus gibt, die man nicht verneinen sollte, der Zeitarbeit nicht abgesprochen werden können, immer stärker in den Hintergrund gedrängt werden.

Für die SPD-Landtagsfraktion ist es daher von fundamentaler Bedeutung, dass die aufgetretenen Defi zite im Bereich der Leiharbeit beseitigt werden, sodass ihre positiven Aspekte, die Eröffnung von Einstiegschancen von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt sowie die zeitlich begrenzte Abdeckung von Auftragsspitzen und saisonalen Schwankungen wieder in den Vordergrund treten. Aus diesem Grund ist es aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion unabdingbar, dass

1. Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer den Beschäftigten des jeweiligen Entleihbetriebs gleichgestellt werden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Dies muss übrigens nicht nur für die Arbeitsentgelte zutreffen, sondern auch bei Betriebsrenten, Weiterbildungen oder Abfi ndungen. Abfi ndungen sind ein besonders schönes Beispiel. Die ersten Beschäftigten, die in Bochum von Nokia entlassen oder mehr oder weniger in die Arbeitslosigkeit geschickt worden sind, waren die Zeitarbeitnehmer, die nicht über Sozialpläne abgefedert sind.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Gerade das Beispiel von Nokia in Bochum, wo Leiharbeitnehmer tagaus, tagein Seite an Seite mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die bei Nokia fest angestellt waren, arbeiteten und dann von einem Tag auf den anderen die Tür gewiesen bekamen, zeigt doch, dass es nicht angeht, wenn sich ein Unternehmen seiner sozialen Verantwortung durch massiven Gebrauch von Leiharbeitsfi rmen entzieht. Das Equal-Pay-Prinzip beziehungsweise das Equal-Treatment-Prinzip, und darauf muss man ganz deutlich einmal hinweisen, das ja vom Grundsatz her in Paragraf 9 Nummer 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz enthalten ist, darf nicht länger durch eine Vielzahl von Ausnahmen, auch tarifl icher Art, wie die zuvor geschilderte, perforiert werden wie ein Schweizer Käse.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der Grundsatz „Gleiche Arbeitsbedingungen und gleiches Geld bei gleicher Leistung“ muss für alle Beschäftigten gelten.

2. In diesem Zusammenhang ist es aus Sicht der SPDLandtagsfraktion dringend geboten, dass auch in der Leiharbeiterbranche Mindestlöhne eingeführt werden. Ausländische Leiharbeitsbetriebe müssen durch die Aufnahme in das Entsendegesetz an den Mindestlohn gebunden werden, auch das gibt es in Mecklenburg-Vorpommern.

3. Ziel muss es sein, die Übernahme von Leiharbeitnehmern in die Stammbelegschaft tatsächlich zu fördern. Ich denke, Herr Minister Seidel, da sind wir durchaus im Konsens, dass das ein Ziel sein muss, an dem wir weiterhin gemeinsam arbeiten, damit die Beschäftigten in einem Betrieb nicht gespalten werden und die Leiharbeitnehmer letztendlich dort ausgegrenzt werden. Dem Betriebsrat des entleihenden Betriebes muss daher nach Auffassung der SPD-Landtagsfraktion ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach Paragraf 99 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz eingeräumt werden, wenn statt Leiharbeit ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis im Betrieb möglich wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Da spricht dann durchaus nicht dagegen, dass die bisher sinnvolle Praxis, das saisonale Schwankungen oder Auftragsspitzen durch Leiharbeit abgearbeitet werden können, weiterhin erhalten bleibt. In diesem Zusammenhang muss auch, wie früher gesetzlich geregelt, die maximale Verleihzeit an einen Betrieb begrenzt werden. Ob das dann, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, sechs Monate sind, das will ich einmal dahingestellt sein lassen, aber da wird man sicherlich eine vernünftige Lösung fi nden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist aber die Einarbeitungszeit. Das ist in Ordnung so.)

4. Es muss per Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Höchstquote für die Leiharbeiter innerhalb der Belegschaft festgelegt und deren Einsatzzweck vereinbart werden können.

5. Die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, um so sicherzustellen, dass Leiharbeitsfi rmen ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigen müssen. Wie in anderen Wirtschaftszweigen besteht auch in der Zeitarbeitsbranche keine Veranlassung dafür, dass allein die Beschäftigten das betriebswirtschaftliche Risiko einer nicht durchgängigen Auslastung ihres Unternehmens tragen. Und dass das, was Herr Wirtschaftminister Seidel hier ausgeführt hat, vom Grundsatz her die Zielsetzung sein muss, unabhängig, ob der Beschäftigte in dem Entleihbetrieb beschäftigt werden kann oder nicht, nicht dazu führen darf, dass der Verleihbetrieb eine Kündigung ausspricht, ist genau die Auffassung, die die SPD-Landtagsfraktion vertritt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Landtagsfraktion hält es nicht nur im Interesse der Beschäftigten in den Zeitarbeitsunternehmen, sondern auch im Interesse sowohl der Beschäftigten in den Entleihbetrieben als auch im Interesse all jener Zeitarbeitsfi rmen, die mit und nicht nur auf Kosten ihrer Beschäftigten prosperieren wollen, für dringend erforderlich, dass die bundesgesetzlichen Regelungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung im vorgenannten Sinn geändert werden. Die

SPD-Fraktion geht davon aus, dass die Landesregierung in Gänze ihre zugegebenermaßen begrenzten Einfl ussmöglichkeiten auf die zuständigen Ministerien in Berlin wahrnehmen wird,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, davon war bei der Einbringungsrede aber nichts zu hören. – Irene Müller, DIE LINKE: Wahrhaftig nicht.)

um an einer interessensgerechten Lösung mitzuwirken. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDPFraktion Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der hier vorliegt, soll eine Willensbekundung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern sein zu einem Vorhaben, was sich auf Bundesebene gerade entwickelt, nämlich das Thema Entsendegesetz. Das heißt, wir beschäftigen uns heute mit einer Willensbekundung, mit dem, was der Bund machen will. Das möchte ich einfach einmal zum Anfang feststellen.

Zweitens. Wenn man sich den Antrag anschaut, dann wundert man sich schon ein bisschen über die beiden Namen der Fraktionen, die draufstehen. Dass das ein Antrag von CDU und SPD ist, das hätte ich im Leben nicht gedacht. Wenn jetzt stehen würde DIE LINKE und SPD, dann wäre das in Ordnung. Das wäre für mich auch ein nachvollziehbarer Antrag. Aber dass die CDU hier so einen Antrag im Parlament unterstützt, das fi nde ich schon sehr erstaunlich.

(Regine Lück, DIE LINKE: Der geht uns nicht weit genug, Herr Roolf.)

Eigentlich, meine Damen und Herren, haben wir doch heute wieder einmal eine versteckte Mindestlohndebatte, vielleicht nur unter einem etwas charmanteren Deckmantel.

(Regine Lück, DIE LINKE: Die ist ja auch notwendig.)

Ich will dazu einmal die „WirtschaftsWoche“ vom 21.01. zitieren: „Ohne Realitätsbezug ist auch die Politik der Mindestlöhne. Selbst dem letzten Deppen müsste klar sein, dass durch die Post-Mindestlöhne der Wettbewerb auf der Strecke bleibt und Arbeitsplätze vernichtet werden. Obwohl das so ist, weiten die Koalitionäre in einem heroischen Akt der Realitätsverweigerung Mindestlöhne fl ächendeckend aus. Der Staat reißt immer weitere Bereiche der Lohnfi ndung an sich – und drängt die Tarifparteien beiseite.“ Das dazu.

Meine Damen und Herren, begeben wir uns doch einmal in das Spannungsfeld der Tarifautonomie. Da hören wir auf der einen Seite den Bundesverband für Zeitarbeit, der sagt: Die Zeitarbeit ist reif für die Aufnahme in das Entsendegesetz. Auf der anderen Seite hören wir den CGB, den Christlichen Gewerkschaftsbund, der sagt, ich zitiere: „Es gibt in unserer Branche funktionierende Tarifvereinbarungen“...

(Helmut Holter, DIE LINKE: Welche denn?! – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Lassen Sie mich doch zu Ende zitieren!

(Reinhard Dankert, SPD: Ja. – Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

... „und keine Ausbeutung von Arbeitgebern gegenüber schutzlosen Arbeitnehmern“.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Das sagt der Christliche Gewerkschaftsbund hier in diesem Land.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Wenn ich mir das einmal anschaue, meine Damen und Herren, dann müssen wir an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Diese Form der Mindestlohndebatte ist einfach nicht zielführend, nicht redlich und auch nicht richtig.

(Reinhard Dankert, SPD: Wir reden über Zeitarbeit, Herr Roolf! – Irene Müller, DIE LINKE: Sie haben den falschen Antrag. – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Das sage ich ganz deutlich: „Ich werde massiv gegen Mindestlohn in der Zeitarbeit eintreten“. Und wenn ich sage, ich werde massiv gegen Mindestlohn in der Zeitarbeit eintreten, bin ich das wirklich gar nicht selber,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?!)

sondern das ist ein Zitat von Günther Oettinger, allen bekannt vom 04.12.2007.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Helmut Holter, DIE LINKE: Von vorgestern! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und ich frage Sie von der CDU: Was machen Sie hier in diesem Parlament, wenn Ihre eigenen Parteifreunde solche sinnvollen und richtigen Aussagen treffen?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Reinhard Dankert, SPD: Herr Oettinger ist in Baden-Württemberg. Der hat einen ganz anderen Stand.)

Herr Fraktionsvorsitzender, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Schulte?