Protokoll der Sitzung vom 05.03.2008

(Udo Pastörs, NPD: Schließlich kommt ja auch Geld von der EU. Da wächst die Zuversicht.)

Schließlich ergeben sich dies- und jenseits der Grenze neue Möglichkeiten des Austausches von Waren und Dienstleistungen. Freier Handel schafft Voraussetzung für Wohlstand und Einkommen. Mittlerweile können wir polnische Unternehmensansiedlungen, die unseren Bürgern Arbeit bieten, verzeichnen und ebenso umgekehrt. Das wurde schon ausgeführt. Wer die Grenzöffnung nur unter dem Gesichtspunkt „billige Arbeitskräfte“ sehen will, ist weder sachgerecht noch realistisch.

(Hans Kreher, FDP: Ganz genau.)

Die prophezeiten Wanderbewegungen fi nden nicht statt. Im Gegenteil, auch Polen hat einen erheblichen Fachkräftemangel zu verzeichnen. Und dass polnische Bürger ihren Wohnsitz in den bislang von Abwanderung geprägten Orten in Mecklenburg-Vorpommern nehmen, weil die Mieten beispielsweise in Stettin deutlich über dem Niveau der deutschen Städte liegen,

(Udo Pastörs, NPD: Weil sie doch keine Arbeitsplätze für Deutsche geschaffen haben.)

gehört genauso zur Wahrheit dazu, wie die Tatsache, dass der sogenannte Einkaufstourismus mittlerweile in beiden Richtungen sehr viel an Dynamik gewonnen hat. Die positiven Auswirkungen dessen beschränken sich nicht nur auf die direkte Grenzregion, sondern wirken zum Beispiel bis hin nach Neubrandenburg.

(Udo Pastörs, NPD: Bis nach Berlin.)

Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung spätestens mit dem völligen Wegfall der Arbeitnehmerfreizügigkeit weiter an Fahrt gewinnen wird,

(Udo Pastörs, NPD: Morgen wird alles besser.)

denn das gehört auch zur Wahrheit: Bereits heute ist der Arbeitsmarkt in der Region von einem, ich habe es schon gesagt, teilweise bestehenden Fachkräftemangel bestimmt. Konsequenz dessen ist unter anderem, dass die Firmenvermittlungen des Hauses der Wirtschaft im vergangenen Jahr leicht rückläufi g gewesen sind.

Meine Damen und Herren, wir konstatieren daher, dass es das deutsch-polnische Zusammenleben und die Zusammenarbeit eingebettet im EU-Wirtschaftsrahmen wirtschaftlich voranbringt, Chancen bietet und diese vorurteilsfrei befördert werden müssen. Die Erweiterung bringt mehr Freiheit und mehr Transparenz und nicht weniger Sicherheit. Wir müssen mit der Landesregierung offensiv bei den Bürgern für die neuen Möglichkeiten werben und dafür sorgen, dass die Bürger ein offenes, europastarkes Vertrauen entgegenbringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Danke schön, Herr Waldmüller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Detlef Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!

Meine Herren der CDU, ich gebe zu, als ich das erste Mal gelesen habe, wie das Thema der Aktuellen Stunde heute lautet, habe ich mir doch so meine Gedanken gemacht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich denke, die Koalition spricht miteinander, Herr Kollege?!)

Ja, man spricht miteinander, keine Frage.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aber deshalb machen wir uns trotzdem Gedanken. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Aber Herr Kollege Lietz hat ja versucht, das noch einmal ein bisschen zu erklären, und insofern will ich das mal gelten lassen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Der Herr Ministerpräsident sieht das anders.)

Ja, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, man hat im Moment so den Eindruck, dass bei europapolitischen Fragen die Lufthoheit die kleineren europäischen Mitgliedsstaaten haben. Zum einen ist Slowenien im Moment Inhaber der Ratspräsidentschaft. Ich glaube, die machen hier einen richtig guten Job. Zum anderen ist gerade in den letzten Wochen das kleine Land Liechtenstein fast in aller Munde gewesen mit seiner Steuerpolitik, die offensichtlich für einige in unserem Land sehr interessant war. Und es ist das Land Luxemburg mit seinem kleinen Ort Schengen auch heute hier auf der Tagesordnung. Insofern muss man schon den Hut ziehen vor diesen kleinen Ländern. Denn in der Tat hat der Ort Schengen uns die Möglichkeit eröffnet. Nicht nur, dass er dem Vertrag seinen Namen gegeben hat, sondern er hat auch Inhalte vermittelt und diese ermöglichen uns jetzt seit dem Dezember 2007, dass die Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und Westpommern genauso frei reisen können wie zum Beispiel Menschen zwischen Deutschland und Frankreich oder zwischen Frankreich und Spanien. Und insofern ist es dann doch, glaube ich, schon sehr aktuell und durchaus hier in einer Aktuellen Stunde wert, darüber zu sprechen.

Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, dass die fünf Mitgliedsstaaten, die am 14. Juli 1985 auf einem Moselschiff nahe von Schengen den Beschluss fassten, einen gemeinsamen Raum ohne Grenzkontrollen zu schaffen, nicht einmal im Traum daran gedacht haben, dass 22 Jahre später europäische Bürger zwischen 24 Ländern ohne lästige Kontrollen an den Land- und Seegrenzen sich frei bewegen können. Immerhin ist nach der Erweiterung die östliche Grenze 4.278 Kilometer lang.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Ringstorff hat darauf hingewiesen, wenn man bedenkt, dass Polen erst im Jahr 1998 Mitglied der EU geworden ist und knapp neun Jahre später auch schon

dem Schengener Abkommen beigetreten ist, glaube ich, kann man erkennen, wie dynamisch der europäische Gedanke sich in Europa weiterentwickelt. Und auch darauf hat der Ministerpräsident hingewiesen, gerade wir als ehemalige DDR-Bürger können, glaube ich, am besten ermessen, welche Errungenschaft diese Grenzöffnung hier für die Menschen bedeutet. Und dass es da natürlich Vorurteile gibt, hüben wie drüben, auch darauf haben meine Vorredner hingewiesen und, ich glaube, das ist auch ganz normal. Insofern kann ich das nur unterstreichen, was hier schon gesagt worden ist. Es ist einfach wichtig, dass sich die Menschen in Zukunft noch mehr und häufi ger begegnen, um die bestehenden Vorurteile gemeinsam abzubauen. Wir als Landtag haben hier schon das eine oder andere mit dazu beigetragen. Ich denke hier insbesondere an die Jugendbegegnungen im Rahmen des Südlichen Parlamentsforums.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt natürlich auch ein anderes Medium, nämlich den Sport – und Sie werden es erahnen –, insbesondere den Fußballsport, wo man Menschen und Sportler zusammenbringen kann. Insofern gestatten Sie mir, dass ich hier einmal einen kleinen Exkurs in diesen Bereich unternehme und Ihnen schildere, wie das bei uns auch zu DDR-Zeiten schon versucht worden ist. Denn als 1985 die Schengener Idee entstanden ist, haben wir natürlich auch hier in der damaligen DDR versucht, durch Sportkontakte, durch Kontakte mit polnischen Sportmannschaften ins Gespräch zu kommen, und wir haben versucht, hier die Vorurteile dementsprechend abzubauen. Ich hatte in der damaligen Zeit das Vergnügen, als Delegationsleiter im Auftrag des Fußballverbandes das eine oder andere Mal Mannschaften nach Polen zu begleiten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und Sie sind auch wiedergekommen, ne?!)

Und wir sind auch wiedergekommen, genau.

Ich kann mich da an eine Reise erinnern, bei der wir, obwohl wir eine offi zielle Einladung des polnischen Vereins und eine Bestätigung des Fußballverbandes auf Deutsch und Polnisch dabei hatten, circa zwei Stunden vor der Grenze warten mussten, bis wir abgefertigt wurden. Und als ein Sportfreund dann nur ganz leise bei der Abfertigung sich darüber beklagte, bedeutete das für uns, dass alle 22 Sportler einschließlich der Delegationsleitung den Bus verlassen mussten und Taschen und Koffer jedes Einzelnen überprüft wurden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So war es. So war es.)

Und hätten wir nicht ein Schreiben des Fußballverbandes dabei gehabt, in dem gestanden hat, dass wir einen Satz Trikots und zwei Tornetze als Gastgeschenke mit dabei haben, hätten wir sicherlich dieses an der Grenze abgegeben müssen. Insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat uns der Grenzübertritt knappe vier Stunden gekostet und natürlich den Zeitplan völlig über den Haufen geworfen. Die geplante Begrüßung fand nicht um 19.00 Uhr, sondern um 23.00 Uhr statt. Ich will nicht verhehlen, dass sie sicherlich kürzer war, aber nicht weniger intensiv.

Nach der Wende haben wir natürlich versucht, diese Kontakte als Landesfußballverband weiterzuentwickeln. Wir haben hier gleich mit den Westpommern Verträge abgeschlossen, damit diese Dinge auch weiter gedeihen können. Die Grenzübertritte wurden dann natürlich nach der Wende einfacher. Ich kann mich hier allerdings

auch an eine Begebenheit erinnern, dass ein deutsches Schiedsrichterkollektiv nicht pünktlich zum Spielbeginn in Polen anreiste, weil am Grenzübergang Stau war. Alles das, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört zum Glück der Vergangenheit an und ich sage: Das ist auch gut so.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bei aller Euphorie und Freude über die Entwicklung muss man natürlich auch sagen, wo Licht ist, ist auch Schatten, und auch im Fußball ist es so. So waren vor 14 Tagen beim Heimspiel des FC Hansa gegen Eintracht Frankfurt auf Einladung Rostocker Problemfans circa 20 sehr gewaltbereite polnische Hooligans zu Gast. Polizei und Ordnungskräfte schätzen ein, dass hier eine neue Qualität der Zusammenarbeit entstanden ist, und sie werden diese Dinge sehr ernsthaft im Auge behalten, denn auch in anderen Stadien hier in Deutschland sind sehr gewaltbereite polnische Hooligans schon negativ aufgefallen.

Dennoch glaube ich, Bangemachen gilt nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Meine Vorredner haben darauf hingewiesen, welche Chancen die Grenzöffnung bietet. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich glaube, es wird eine Vielzahl von Chancen geben, die es gilt zu ergreifen, bei den Menschen hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern und auch bei den Menschen in Polen. Wir als Politiker sollten alles daransetzen und hier auch Unterstützung geben, dass sich der Prozess im erweiterten Schengenraum in der Tat vorurteilsfreier gestaltet. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tino Müller von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sogenannte Vorurteile haben zumeist mit der Vergangenheit zu tun. Die deutsch-polnische ist eine, wie es offi ziell so schön heißt, schwierige, sensible, belastete. Über die Geschichte dieser beiden Staaten steht alles fest, ist alles gesagt, ist alles erforscht. Diesen Schluss gewinnt man bei einer Beschäftigung mit dem, was in den vergangenen Jahrzehnten in den deutschen Landen an Gedrucktem und Gesendetem produziert wurde.

Gewiss, Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten wurden und werden immer mal wieder thematisiert, doch stets unter der Hauptzeile, Deutsche Täter, Polen Opfer, als Bestandteil des Schuldkults beziehungsweise dem längst widerlegten Märchen von der Alleinschuld Deutschlands am letzten großen Weltenbrand.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Hören Sie auf mit Ihrer Geschichtsfälschung!)

Der bei www.polskaweb.eu in der „Gazeta Wyborcza“ vor wenigen Wochen veröffentlichte Bericht über die Gräueltaten polnischer Milizen an der deutschen Zivilbevölkerung gleicht insofern einer kleinen Sensation. Ab den 20er Jahren bis 1945 wurden 15 Millionen Deutsche aus den Ostgebieten vertrieben, das größte Vertreibungsverbrechen der Geschichte. Heute haben wir es wieder mit einer Abwanderung Deutscher zu tun, innerhalb Deutschlands beziehungsweise gleich weg ins Ausland. Der Unterschied zu damals: Kaum einem deutschen Beamten oder Verwaltungsangestellten wäre es in den Sinn gekommen, seine eigenen Landsleute förm

lich wegzuekeln, so, wie das heute gerade für die unter 25-Jährigen durch besonders scharfe Regelungen bei Hartz IV gilt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das sind ja unglaubliche Vergleiche, die Sie hier anstellen. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Motto: In der DDR durften wir nicht weg, heute müssen wir.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist ja nicht zu fassen!)

Die Alternativen lauten Abwanderung oder gegebenenfalls Obdachlosigkeit. Das Vakuum, beispielsweise in Löcknitz und Umgebung anhand leer stehender Häuser und Wohnungen ersichtlich, wird zunehmend durch polnische Staatsangehörige gefüllt. Mit Recht darf von einer schleichenden Kolonisierung geredet werden. Derweil junge erwerbsfähige Deutsche außer Landes gedrängt werden, wird sich um zugewanderte Polen nahezu rührend bemüht. Heute wird die schleichende Landnahme sogar von Deutschen, wie dem linken Bürgermeister von Löcknitz, mit vorangetrieben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ärgert Sie am meisten, dass so einer Löcknitzer Bürgermeister ist.)

Gleichzeitig hören wir fast täglich das Geschrei wegen eines schon greifbaren Fachkräftemangels. Der ist aber seit Jahren bekannt und mit einer vernünftigen, koordinierten Politik unter Einbeziehung der verantwortlichen Träger noch zu beheben.

Die jetzige Verfahrensweise, Deutsche weg, Polen rein, ist durchaus im Sinne von allpolnischen Organisationen, die ankündigen, die Grenzen Polens bis an die Stadtgrenzen Berlins vorschieben zu wollen, und deren Einfl uss auf die polnische Bevölkerung nicht unterschätzt werden sollte.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das sind genauso Bekloppte wie ihr.)