Und mit welchem natürlichen geistigen Denkvermögen, Herr Lenz, ist es nachvollziehbar, dass man in einem Café für den Kaffee 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen muss, wenn man sich aber das Zeug selber kauft und es selbst zubereitet, 7 Prozent? Es bedeutet also gleich, dass der Staat wieder kassiert, auch für die Grundstoffe des Kaffees, der eigentlich einen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent hat. Der Staat kassiert da einfach 19 Prozent wieder in die eigene Tasche.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Haben Sie schon etwas vom Vorsteuerabzug gehört? Oh Mann! – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)
Wir haben hier ganz einfach wieder den Fall – wie es der Professor Arnim jetzt auch in seinem Buch über Europa darlegt –, wir leben in einem Staat, wo die Menschen nichts mehr zu sagen haben. Sie wollen die Vereinigten Staaten von Europa, wo der Mensch nichts zählt, und Sie haben hier das beste Beispiel im Parlament. Es gibt noch eine Stimme im Land, die der Nationalisten, die sich gegen Ihre Geisteskrankheit zur Wehr setzen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1310. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1310 bei Zustimmung der Fraktion der NPD mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 34: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Gesundheitsfonds verhindern, Drucksache 5/1300. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/1355 vor.
Antrag der Fraktion DIE LINKE: Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Gesundheitsfonds verhindern – Drucksache 5/1300 –
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zum 1. April 2007 ist das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in Kraft getreten.
Zum Kernstück dieses Gesetzes gehört der Gesundheitsfonds, dessen Einführung zum 1. Januar 2009 vorgesehen ist und der für das Gesundheitswesen beträcht
liche Veränderungen bringen wird. Der Einführung des Gesundheitsfonds steht nach wie vor eine starke Ablehnungsfront gegenüber.
Was heißt Gesundheitsfonds und welches sind die Ablehnungsgründe? Zum 1. November 2008 wird erstmals der GKV-Beitragssatz nicht mehr in einem Abstimmungsprozess zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern innerhalb der Selbstverwaltung ausgehandelt und festgesetzt, sondern einheitlich für alle Versicherten per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung bestimmt. Damit wird eine bedeutende Selbstverwaltungsaufgabe abgeschafft, die gerade durch den zähen Abwägungsprozess zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern über Jahrzehnte dazu geführt hat, dass Kosten minimiert wurden und das Gesundheitswesen der Bundesrepublik im internationalen Vergleich einen guten Platz einnimmt.
Beitragssätze bestimmten sich bislang in der Höhe weitestgehend am Maßstab der erforderlichen, also bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung bei relativ optimierten Kosten. Es ist vorhersehbar, dass bei Festlegung des Beitragssatzes durch die Bundesregierung beziehungsweise durch eine von ihr beauftragte Behörde sich dieser Maßstab ändern wird und nicht mehr von den Anforderungen der Gesundheitsversorgung, sondern zunehmend vom politischen Kalkül abhängen wird. So wird die Union versuchen, den Beitragssatz möglichst niedrig zu halten, um die Arbeitgeber zu schonen.
Alle Reformen der Sozialversicherungssysteme seit Mitte der 90er Jahre wurden unter anderem mit einer erforderlichen Senkung der Lohnnebenkosten zur Sicherung des Standortes Deutschland begründet und in Gang gesetzt.
Die hierbei einseitig wachsende Belastung der Versicherten wurde von allen als ein gewissermaßen solidarischer Akt der Beschäftigten mit ihren Unternehmern für selbstverständlich hingenommen. Jetzt, in einer großen Koalition, werden durch den Eingriff des Staates erstmals auch die Unternehmer deutlich höher belastet. Es wird eingeschätzt, dass mit Einführung des Fonds der durchschnittliche Beitragssatz von gegenwärtig 14,8 auf 15,2 bis 15,5 Prozent steigen wird,
Die Einführung des Fonds wird mit steigenden Beiträgen verbunden sein. Man geht davon aus, dass der Gesundheitsfonds zum Beispiel für 80 Prozent der Betriebs- und Innungskrankenkassen deutliche Beitragserhöhungen bringen wird, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern wirft der Fonds schon seine Schatten voraus.
Im vergangenen Jahr hat die AOK Mecklenburg-Vorpommern zum Zwecke ihrer schnelleren Entschuldung bereits die Beitragssätze auf 15,5 Prozent erhöht und liegt damit bundesweit an der Spitze.
Für eine Kasse, deren Mitglieder wohl zu den einkommensschwächsten in Deutschland gehören, ist das eine sehr einschneidende Maßnahme. Diese künftig staatlich festzulegenden Beiträge werden über die Kassen eingezogen und an den Fonds weitergeleitet. Mindestens 95 Prozent der Gesundheitsausgaben sollen hieraus fi nanziert werden. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung wird dadurch nicht einfacher, sondern komplizierter, denn jede Kasse erhält aus dem Fonds entsprechend der Anzahl der bei ihr Versicherten nach bis heute noch nicht klar defi nierten Kriterien eine anteilige Summe zugewiesen. Es ist ein frommer, aber unbegründeter Wunsch, darauf zu hoffen, dass MecklenburgVorpommern auf diese Weise mehr Geld erhält.
Die vorgesehene Ausgestaltung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs steht noch aus. Grundsätzlich ist natürlich ein Ausgleich zwischen den Kassen, der die Krankheiten und den sich daraus ergebenden Versorgungsbedarf berücksichtigt, zu begrüßen. Abzulehnen ist jedoch die vorgesehene Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten. So sind in einem zu Beginn des Jahres vorgelegten Gutachten des Bundesversicherungsamtes bestimmte Krankheiten gar nicht aufgeführt, die aber keine geringen Auswirkungen auf die unterschiedliche Risikostruktur der Krankenkassen haben, wie zum Beispiel Asthma, Diabetes, leichter Diabetes, Bluthochdruck oder die koronaren Herzkrankheiten.
Jährlich erhält jeder Versicherte eine Mitteilung darüber, ob die der Kasse aus dem Fonds zugewiesenen Mittel zur Finanzierung seiner Kasse tatsächlich ausreichen beziehungsweise ob durch eine individuelle kassenspezifi sche Zusatzprämie aufgestockt werden muss. Das ist eine weitere einseitige Belastung der Versicherten. Diese Zusatzprämie ergänzt bereits die heute schon allein von den Versicherten zu entrichtenden Zuzahlungen. Ich denke an die Zahnersatzversicherung, an Medikamentengebühren oder an die Praxisgebühr. Wir wissen, dass so über die Jahre bei der Finanzierung des Gesundheitswesens schon lange keine Parität mehr gegeben ist, sondern dass sich ein Verhältnis von 35 zu 65 Prozent eingependelt hat, das künftig durch diesen Zusatzbeitrag weiter zulasten der Versicherten verschoben wird. Mit diesem Fonds wird aber auch die Solidarität unter den Versicherten weiter aufgekündigt, denn sie erhalten künftig ein Wahlrecht. Wer will schon eine hohe Prämie zahlen? Der Zusatzbeitrag als kleine Kopfprämie wird also den Wettbewerb zwischen den Kassen um die sogenannten guten Risiken in einer bisher nicht gekannten Art und Weise verstärken.
Ein Grundpfeiler der gesetzlichen Krankenversicherung, ein Erfolgsrezept seit ihrer Einführung im vorvergangenen Jahrhundert, war der Grundsatz der Solidarität. Das Solidarprinzip beruht auf gesetzlicher Anordnung. Es wurde organisiert durch die gleichberechtigte Einbindung von Kranken und Gesunden, Jungen und Alten, Männern und Frauen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Arbeitslosen und in Arbeit Stehenden. Es lebte davon, dass alle im Risikofall Krankheit füreinander einstehen. Davon wird jetzt abgerückt. Selbstbehalte, Beitragsrückerstattungen sind eingeführt worden und werden weiterentwickelt. Das privilegiert eine Gruppe von Beitragszahlern und suggeriert, es würde im Ermessen eines Menschen stehen, gesund zu bleiben. Es entsteht der Eindruck, man könne eine Krankheit ausschlagen wie ein Angebot im Supermarkt.
Die Kassen bleiben trotz Einführung der Fondsbehörde in der Pfl icht, Kostenanalysen und Finanzpläne zu erstellen. Es bleibt auch der Aufwand, die Beitragshöhe zu bestimmen, Mitglieder zu informieren, Beiträge einzuziehen und zu verwalten. Diese neue Doppelstruktur, einerseits staatlich, andererseits über die Selbstverwaltung organisiert, gestaltet den Verwaltungsaufwand unübersichtlich, wird die Kosten erhöhen – Hartz IV lässt grüßen. Einer forsa-Umfrage zufolge wünschen sich drei von vier Bürgern der Bundesrepublik den Erhalt der solidarischen Krankenversicherung und lehnen individuelle Gesundheitsprämien ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, in den Gesundheitsfonds werden künftig auch Steuern für die mitversicherten Kinder eingespeist. Das hört sich erst mal gut an. Bis zum Jahr 2003 gab es kaum nennenswerte Steuerfi nanzierungen bei der GKV. Damals wurde die Tabaksteuer eingeführt. Ihnen ist bekannt, was daraus wurde. Im Interesse der Einführung des Elterngeldes wurde kurz die Tabaksteuer der GKV wieder weggenommen. Steuern im System machen das System anfällig. Meine Fraktion plädiert deshalb für eine stabile solidarische Bürgerversicherung unter Einbeziehung aller, auch der privat versicherten Bürgerinnen und Bürger. Professor Lauterbach, der Gesundheitsexperte der SPD, bezeichnete gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ den Gesundheitsfonds als „so überfl üssig wie eine Autobahnbrücke ohne Autobahn“.
Wir appellieren an die Landesregierung: Erheben Sie Ihre Stimme im Bundesrat! Helfen Sie mit, den Fonds zu stoppen!
Der Gesundheitsfonds wird das eigentliche Problem der GKV, nämlich die Wachstumsschwäche der beitragspfl ichtigen Einnahmen, nicht lösen. Dieser zentrale Grund für die ständig wachsenden Beitragssatzerhöhungen in den vergangenen Jahren bleibt bestehen. Es fi ndet künftig lediglich eine Umverteilung innerhalb des Systems zulasten der Versicherten statt und es fi ndet eine Entsolidarisierung zwischen den Versicherten statt.
Drastische Beitragssatzerhöhungen werden uns weiterhin begleiten, die wahrscheinlich nur dadurch begrenzt werden, dass weitere IGELeistungen – wer das Wort nicht kennt, weitere individuelle Gesundheitsleistungen – ausgegliedert und dem Patienten privat in Rechnung gestellt werden.
Der wachsende Verwaltungsaufwand für den Gesundheitsfonds wird von den Spitzenverbänden der Krankenkassen auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt, also auch kein Beitrag zur Beitragsminderung. Einzelne Länder wie Bayern, Baden-Württemberg wehren sich überdies nach wie vor gegen den Finanzausgleich zwischen den Ländern. Bayern ist nicht bereit, mehr als 100 Millionen Euro in den Finanzausgleich zu zahlen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei Gewinner wird es geben: die Arbeitgeber, die nicht mehr in die paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens eingebunden sind, die weiter daraus entlastet werden, und die Banken, die von der nun fröhlich einsetzenden Hin-und-Her-Überweisung zwischen Kassen und Fonds profi tieren werden. Ich denke, das sollte Grund genug sein, sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des Landes gegen die Einführung des Fonds zu positionieren und den Weg zu einer solidarischen Bürgerversicherung freizumachen. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na, dann wollen wir mal hören jetzt. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, Sie umschreiben in der Überschrift das Ziel Ihrer politischen Bemühungen: „Für ein solidarisches Gesundheitswesen“.