Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Schulgesetz wollen wir die Verantwortung der einzelnen Schule für ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit stärken. Mit dem Projekt Selbstständige Schule beschreiten wir einen Weg zu einer hohen qualitätsorientierten Selbststeuerung an Schulen. Das Land setzt in erheblichem Umfang finanzielle Mittel ein, um Schulleiter, Lehrkräfte, Interessenvertreter sowie Eltern auf diese Aufgabe vorzubereiten und sie zu begleiten. So werden alleine Schulleiter umfassend auf ihre neue Führungsrolle vorbereitet. Mehr als 800 Lehrkräfte werden zu Themen wie Qualitätsmanagement, Schulprogramm und Methoden zur individuellen Förderung fortgebildet, aber auch Eltern erhalten zukünftig die Möglichkeiten, an Fortbildungen teilzunehmen.
Eine qualitätsorientierte Selbststeuerung an Schulen bedeutet bestmögliche individuelle Förderung für das Kind. Dazu brauchen wir die handlungsfähige Selbstständige Schule. Unser Ziel ist es:
1. den Schulen ein größtmögliches Maß an Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Kompetenzen in pädagogischer, finanzieller und personeller Hinsicht zu übertragen
2. dass die Schulen damit spezifischer und flexibler auf ihre konkreten Bedingungen sowie veränderten Zielstellungen reagieren können
Kurze Verwaltungswege ermöglichen aus meiner Sicht schnelle und interessengerechte Lösungen zugunsten unserer Kinder, wie wir zum Beispiel beim Thema Absicherung des Vertretungsunterrichtes sehen können.
5. das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung – so bei den Prozessen der Schulentwicklungsplanung – festzulegen und zu festigen
Die Kommunen haben umfassendere Rechte innerhalb der Schulkonferenz. Ich erinnere Sie daran, wir wollen die Schulträger sozusagen mit Sitz und Stimme in der Schulkonferenz ausrüsten und darüber hinaus, wenn Sie so wollen, mit einem Vetorecht beim Haushalt.
Letztendlich ist mit der Selbstständigen Schule auch das Recht eines jeden Kindes verbunden, die weiterführende Schule frei zu wählen.
All diese Veränderungen sind kein Selbstzweck. Selbstständige Schulen sind in der Lage, eigenständig konzeptionelle Arbeit zu leisten. Damit lässt sich ebenso die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern. Durch individuelle Förderpläne werden sie gezielt unterstützt und das bereits ab Jahrgangsstufe 1 fortlaufend, solange der jeweilige Schüler dieser Begleitung bedarf. Und ab Jahrgangsstufe 7 wird die Fachleistungsdifferenzierung in den nichtgymnasialen Bildungsgängen zugunsten der Bildung klasseninterner Lerngruppen geöffnet. Durch verschiedene schulische Angebote werden Schülerinnen und Schüler zum individuell bestmöglichen Schulabschluss geführt. All dies wird möglich, weil mit der Selbstständigen Schule die schülerbezogene Lehrerstundenzuweisung eingeführt wird. Das sind nur einige wenige Auszüge aus neuen Regelungen des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Ziel ist Bildungsgerechtigkeit. Jeder Schüler soll den Zugang zu allen Bildungsgängen haben. Nicht die soziale Herkunft, sondern die Leistung soll entscheiden. Es ist deshalb wichtig, über die Schülerbeförderung auch die Bedingungen hierfür zu sichern. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht deshalb vor, bisher vorhandene Benachteiligungen bei der Beförderung hochbegabter Schüler aufzuheben, eine Forderung, mit der sich der Petitionsausschuss des Hohen Hauses, Frau Borchardt, sehr, sehr oft beschäftigt hat. Wir haben hier sozusagen eine Gesetzesänderung zugesagt und wir haben Wort gehalten und bitten auch um Ihre Unterstützung.
Wir wollen ebenfalls, dass Kindern aus sozial schwächeren Familien eine Möglichkeit gegeben wird, zum Beispiel gymnasiale Bildungsgänge zu besuchen. Viele Schreiben von Bürgern haben gezeigt, dass hohe Schülerbeförderungskosten für die gymnasiale Oberstufe von vornherein Eltern davon abgehalten haben, ihre Kinder zu einem solchen Bildungsgang zu schicken. Wie im Detail dieser konnexe Sachverhalt ausgestaltet wird, das werden die konstruktiven Beratungen im Bildungsausschuss ergeben.
Denkbar wäre aus meiner Sicht, dass der Vorschlag der kommunalen Seite sein könnte, die im Gesetzentwurf enthaltene Elternbeteiligung durch einen Prüfauftrag zu ersetzen, der aufzeigen soll, wie im Verhältnis zum Öffentlichen Personennahverkehr die Schülerbeförderung wirklich zusätzliche Kosten verursacht. Bis heute ist es nach langer Diskussion nicht gelungen, hier eine klare
Kostentransparenz herzustellen. Ich finde, dass nicht gerade die Kinder und ihre Bildungschancen die Leidtragenden hier sein sollten. In vielen Fällen – und das wissen alle hier in diesem Raum, einschließlich der Gäste – ist der Schülerbus der einzige Bus im ländlichen Raum, der noch als örtlicher Personennahverkehr gilt.
Ohne Schülerbeförderung gäbe es diesen schon gar nicht mehr. Also lassen Sie uns bitte gemeinsam um die beste Lösung streiten. Dabei müssen wir immer im Blick haben, dass es schon heute um lange Schulwege für unsere Kleinsten geht und nicht zuletzt auch um deren Bildungschancen. Das gilt ebenso für die Regelungen der freien Schule. Also, lassen Sie uns bitte konstruktiv über diesen Sachverhalt diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Bildungsgerechtigkeit gehört nach unserer Auffassung auch, dass umfangreiche Ganztagsangebote unterbreitet werden. Internationale Entwicklungen zeigen, dass Ganztagsschulen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Bildungsniveaus leisten können, wenn sie richtig gemacht und gut ausgestattet sind. Viele Eltern sind heute den ganzen Tag damit beschäftigt, den Unterhalt für ihre Familie zu sichern. Deshalb brauchen wir bedarfsgerechte Bildungsangebote. Gerade in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Familienland zu werden, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf höchste Priorität besitzen. Die Ganztagsschule eröffnet unseren Kindern neue Chancen. Die Ganztagsschule ist eben mehr als Unterricht. Sie wird zum Lern- und Lebensort für viele unserer Kinder. Gleichzeitig müssen wir aber unbedingt darauf achten, dass über Jahrzehnte gewachsene Freizeitangebote, Vereinsstrukturen und kirchliche Gemeindearbeit in die Konzeptionierung der Ganztagsschule, ob offen oder gebunden, eingebunden werden. Gerade im ländlichen Raum führt die Akzeptanz dieser Angebote nur über den Respekt gegenüber dieser gewachsenen Struktur.
Meine Damen und Herren, einen wichtigen Bereich aus der Schulgesetznovelle, der in letzter Zeit zu erheblichen Diskussionen geführt hat, will ich nicht aussparen. Das ist die finanzielle Förderung der Schulen in freier Trägerschaft, wie sie im Gesetz genannt werden. Die Schulen in freier Trägerschaft haben die Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten bereichert und viele von ihnen leisten in der Tat Außergewöhnliches. Und es gibt staatliche Schulen, die bisher unter kaum vergleichbaren Rahmenbedingungen ebenso Außergewöhnliches geleistet haben.
Deshalb hat das Land diese Schulen mit erheblichen finanziellen Beträgen unterstützt. Niemand wird uns den Vorwurf machen können, dass wir bei der Privatschulfinanzierung zu wenig geleistet hätten. Auch wenn das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die Einrichtung und Existenz von freien Schulen garantiert hat, ist dennoch keine konkrete Förderhöhe vorgegeben worden.
Ich bin überzeugt, dass wir unsere Schulen in freier Trägerschaft bisher und auch mit dem zukünftigen Finanzhilfeverfahren sehr gut unterstützen.
Schulen in freier Trägerschaft sind gewollt und werden auch in Zukunft unsere Unterstützung erfahren. Nunmehr versetzen wir unsere staatlichen Schulen in einen Zustand, der eine Vergleichbarkeit mit freien Schulen ermöglicht. Auch hier ist Selbstständigkeit das zentrale Element. Wenn Eltern morgen Schule wählen wollen und können, dann soll die staatliche Schule ebenso eine richtige Chance haben. Unsere staatlichen Schulen sind gut. Wie bei den freien Schulen auch, gibt es zwischen ihnen auch weniger gute, aber die im Schulgesetz vorgesehenen Elemente der Evaluierung und Schulberatung werden eine Hilfe sein, damit diese Schulen besser werden. Für mich ist jeder Schüler gleich.
Für mich ist jeder Schüler gleich, ob er nun eine freie oder eine staatliche Schule besucht. Daran wird sich die Finanzierung der freien Schulen orientieren. Wir haben in die Schulgesetznovelle entsprechende Übergangsfristen eingearbeitet, die es weniger finanzstarken Schulen ermöglichen sollen, ihre Wirtschaftlichkeit nach einem neuen Finanzhilfesystem auszurichten. Wir wollen die Mittel aus dem Bildungshaushalt zum Wohl unserer Kinder und für gute Schulen einsetzen. Dazu gehört die nachhaltige Sicherung des Schulnetzes, bestehend aus staatlichen und freien Schulen.
Meine Damen und Herren, bei all unseren Bestrebungen geht es uns stets darum, Schule noch besser zu machen. Mit der Schulgesetzänderung kommen wir alle gemeinsam weiter, denn gemeinsam tragen wir die Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder. Regelungen unterhalb der Gesetzesebene reichen nach dem bisher Erreichten eben nicht mehr aus.
Lassen Sie mich zum Ende noch einmal auf den Beginn meiner Rede zurückkommen und den Gedanken Wilhelm von Humboldts aufgreifen: Bildung ist „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, nach der umfassenden, detaillierten sachlichen Darstellung durch den Minister ist jeder nachfolgende Redner, jede nachfolgende Rednerin vielleicht doch gehalten, das eigene Konzept mal ein bisschen zu überdenken.
Richtig, ich denke mal, da kommen ganz andere Aspekte hin und ich wollte ja auch gleich noch ergänzen, Gott sei Dank hatte ich keine vorbereitete Rede, weil ich mir genau das schon gedacht habe, dass man hier nicht
mehr über uns ohnehin vorliegende Inhalte im Detail reden muss – dafür können wir im Grunde ja auch alle lesen und dafür werden wir uns dann in den Ausschüssen mit den Details befassen –, sondern wir sollten hier schon im politischen Raum die Dinge ansprechen, die vielleicht im Kontext dieses Schulgesetzes für uns einfach noch mal wichtig sind.
Ich möchte zum Ersten betonen: Dieses Schulgesetz ist Kontinuität, denn es greift die Dinge auf, die wir im Grunde seit Jahren im Stück entwickeln. Und es hebt sie auf eine neue Qualität. Ich glaube, das ist erst mal für Mecklenburg-Vorpommern keine ganz alltägliche Feststellung, wenn man über die Schulpolitik nachdenkt: Kontinuität über Legislaturperioden hinaus.
Das Modell Selbstständige Schulen, da erinnern sich alle noch in diesem Hause, ist ja quasi als Modellprojekt mit 20 freiwilligen Beginnern hier im Land eingesetzt worden. Mit der wissenschaftlichen Begleitung dieses Modellprojektes und den zugegebenermaßen auch hübschen Extrabedingungen für diese Schulen, ist, denke ich, zwingend nachgewiesen worden, dass das der Weg der Zukunft sein muss. Wenn wir unsere Schulen für die Zukunft vernünftig aufstellen wollen, dann müssen wir diesen Schulen mehr Freiraum gewähren, dann müssen wir den Gestaltungsspielraum – der bislang sehr, sehr klein war für die Einzelschule – gehörig erweitern. In Klammern: Ich sage aber auch, das wird ein langjähriger Prozess sein. Das ist jedem klar, der die Randbedingungen für Schule von heute kennt. Ich sage nur Lehrerpersonalkonzept mit den notwendigen Planungsparametern, das schließt natürlich zurzeit auch aus, dass die Eigenverantwortung fürs Personal in vollem Umfang wahrgenommen werden kann. Und, da betonen wir auch noch mal Kontinuität, das Lehrerpersonalkonzept ist auch heute alternativlos. Aber ich denke, wir werden in einigen Jahren an dem Punkt sein, wo es sich quasi von alleine erledigt hat,
Das Thema Selbstständige Schule umfasst ja viele Einzelbausteine. Ich muss, denke ich mal, dem Minister da nichts hinzufügen, aber ich will eins auch noch mal deutlich machen: Diese Selbstständigkeit kann auch nur Schritt für Schritt erfolgen und sie muss immer gekoppelt sein mit der gleichzeitigen Unterstützung dieser Schule, diese Selbstständigkeit auch verantwortlich wahrnehmen zu können. Es ist also auf der einen Seite „freilassen“ angesagt, aber dazu gehören natürlich auch die Hilfsangebote und die Kontrolle dieser Entwicklung.
Wenn wir in die Entwicklung anderer Bundesländer schauen, dann sehen wir, dass wir gar nicht umhinkommen, diesen Weg auch zu gehen, obwohl wir an der Stelle ja sogar ganz schön weit vorne sind, das darf man für uns ja auch mal sagen, weil die Modellphase ja schon vor einigen Jahren angefangen wurde. Dass es damit verbunden eine freie Schulwahl geben muss, daran erinnern wir uns eigentlich auch seit Jahren, dass diese Diskussion ohnehin immer geführt wurde.
Ich räume so für mich persönlich ein, ich war da immer gespalten, weil ich natürlich sage, dass Eltern für mich absolut das Recht haben, ihr Kind an eine Schule zu bringen, die vielleicht ihrem Fahrweg, ihrem Arbeitsplatz
oder auch ihrer Wahl näher ist, als gerade die Kreisgrenze es zulässt, da waren ja ganz schön Betonmauern. Aber auf der anderen Seite weiß ich auch, dass Schulträger, die viel Geld für ihre Schulen ausgeben, natürlich auch ein großes Interesse haben, dass die Kinder in ihrem Einzugsbereich auch in diese Schule gehen, denn ansonsten sind sie ja gleich zweimal dabei, einmal bei der Ausstattung ihrer eigenen Schule und dann auch noch für den Schullastenausgleich bei Schülern, die sich anderswohin entscheiden. Herr Kreher nickt, er weiß das ja aus eigener Erfahrung, wie das mit den Schulen so läuft. Insofern haben wir uns bislang nicht aufraffen können, diesen Schritt der freien Schulwahl zu gehen. Ich meine, er kann auch nur gekoppelt sein mit dem gleichzeitigen der örtlich Zuständigen, denn das aufzuheben, würde eben völliges Planchaos bedeuten, würde auch die Zuständigkeit eines Trägers einer Schule ganz schön ins Schwanken bringen. Ich meine, das ist schon die vernünftige Kombination damit für Planbarkeit.
Selbstverständlich kann das Ganze nur funktionieren, wenn Schullastenausgleich anders geregelt wird. Denn wenn bei diesem jetzt möglichen Hin und Her von Schülern das auch noch die Gemeinden auf Dauer untereinander ausarbeiten sollten, wäre das ein zusätzlicher Aufwand, der die Leistung nicht bringt. Darum – der Minister hat es angekündigt – muss man natürlich langfristig überlegen, ist Schullastenausgleich über das FAG ganz anders zu regeln in Zukunft. Das Gleiche gilt auch für die Beförderungskosten von Schülern in diesem Zusammenhang.
Um noch einen letzten Kontext anzusprechen, der mir heute sehr wichtig ist: Wie passt dieses Schulgesetz in den von unserem Parlament in Auftrag gegebenen Bericht der Expertenkommission, der sich ja zeitlich quasi ein bisschen überschnitt?
Ich meine, man hat den Prozess sehr klug organisiert. Ich will es auch gleich mal begründen. Es war ja klar, dass erst bis Ende Juni dieser Bericht vorliegen würde, das haben wir als Parlament ja so beschlossen, also müssen wir uns darüber auch nicht wundern. Also war auch klar, dass das Schulgesetz vorher in Gang gebracht werden muss, denn wenn man die ganz notwendigen Regelungen, ich sage da bloß mal Schülermindestzahlen, die wir teilweise ja ändern, um auch kleine Standorte zu erhalten, wenn die zum nächsten Jahr greifen sollen, dann musste das Schulgesetz jetzt zu diesem Zeitpunkt spätestens eingebracht werden. Also galt es zu organisieren, dass man mit diesem Schulgesetz …
(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Die Zahlen haben wir aber nicht geändert. Die Zügigkeit haben wir rausgenommen.)