Protokoll der Sitzung vom 26.09.2008

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ich möchte das nur noch einmal unterstreichen und rede auch gemeinsam für die Koalitionsfraktionen, also für den Kollegen Nieszery mit. Damit können Sie erkennen, dass wir, was diese Sachverhalte betrifft, eine große Übereinstimmung erzielt haben, wenn es auch in Einzelfragen noch unterschiedliche Auffassungen gibt.

Es ist richtig, es existiert eine gesetzliche Deckelung des Krankenhausbudgets. Wir haben es heute erläutert bekommen. Gleichwohl steigt aber dieses Budget jährlich um 0,64 Prozent, so auch im Jahr 2008, und das ist auch notwendig. Wir wissen selber, welche Lohnkostensteigerungen wir in den Krankenhäusern zu verkraften haben, was sicher auch für die Mitarbeiter sehr gut und stimulierend wirkt. Die Energiekosten sind in einer Größenordnung gestiegen, sodass wir darauf tatsächlich immer wieder große Obacht geben müssen. Auch die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union hat uns in den letzten Monaten streckenweise großes Kopfzerbrechen bereitet. Wir reden also eher über ein Mehr im Haushalt. Der Topf ist, zumindest was die Kosten deckung betrifft, größer geworden.

Zum Zweck der jährlichen Budgeterhöhung gibt das Bundesgesundheitsministerium vor den Budgetverhandlungen eine sogenannte Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen bekannt. Herr Minister hat das bereits erläutert. Diese Veränderungsrate ist dann die Obergrenze für die Erhöhung des Krankenhausbudgets des folgenden Jahres. Diese Budgetdeckelung ist also seit 1993 schon eingeführt worden. Die Krankenhausausgaben der Krankenkassen sollten dann natürlich einigermaßen unter Kontrolle bleiben. In MecklenburgVorpommern betrifft den Bereich der Kosten in der stationären medizinischen Versorgung vom Gesamtbudget ein Volumen von fast 36 Prozent. Damit liegen wir im Durchschnitt über den Ausgaben prozentual, die wir in Deutschland haben. Der Rest ist stationär und Pflege. Deshalb, denke ich, ist es für uns natürlich immer wieder notwendig, dass wir das Augenmerk auf solche bundespolitischen Rahmenbedingungen legen. Ich glaube aber, wir sind in Mecklenburg-Vorpommern mit unseren Krankenhäusern gut aufgestellt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist auch so ein Modewort: „Wir sind gut aufgestellt“.)

Wir haben fast alle Häuser durchsaniert und damit medizinisch und technisch exzellente Rahmenbedingungen. Wir können glücklicherweise verzeichnen, dass wir Pfleger, Pflegerinnen und medizinisches Personal nicht abbauen müssen, sondern es eigentlich noch suchen. Das ist auch für die verantwortungsvolle Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Krankenhäusern in der stationären medizinischen Versorgung eine Botschaft, die heute hinaus ins Land gehen soll.

Dass natürlich auch in anderen Bundesländern höchst schwierige Situationen existieren, haben wir bei den Demonstrationen, die in den letzten Tagen in Berlin gewesen sind, mitbekommen. Und dass dort auch die Forderung in eine Richtung ging, die 3 Milliarden Euro, über die die Bundesregierung jetzt verhandelt hat, respektive das Bundesgesundheitsministerium, reichen nicht aus, um diese zusätzlichen Kosten zu kompensieren, können wir erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Richtung 6,7 Milliarden Euro gehen soll. Aber die 3 Milliarden Euro bedeuten für uns in Mecklenburg-Vorpommern 60 Millionen Euro zusätzliches Geld im nächsten Jahr. Möglicherweise bekommen wir dieses Jahr schon Tranchen davon, was uns sehr freuen würde. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass wir die wohnortnahe flächendeckende medizinische, stationär-medizinische Versorgung realisieren können. Das ist als weicher Standortfaktor in Mecklenburg-Vorpommern auch ganz wichtig.

Was uns natürlich auch Sorge bereitet, und da sind auch einige von denen, die da gestern demonstriert haben, eher in einer Lage, dass sie erst die Krankenhäuser aus dem kommunalen Bereich an die Privaten verkauft haben, sich hinterher wundern, dass man einen so hohen Kapitaldienst für Fremdkapital zu zahlen hat. Rendite will natürlich der eine oder andere als Kapitalanleger auch noch haben und dann staunt man im Anschluss darüber,

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

wie denn solche Systeme funktionieren, wenn der Stellenkegel nicht immer schmaler werden soll. Deshalb – und das will ich an dieser Stelle auch ganz offen sagen – bin ich der Auffassung, dass das Geld, das auch in der stationären medizinischen Versorgung, sprich in den Kran

kenhäusern, erwirtschaftet wird, im System bleibt und nicht herausgezogen wird. Das wäre eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam widmen sollten.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sehr schön.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Krankenkassen sind jetzt mit der neuen Strukturierung auch Möglichkeiten gegeben worden, dass sie an den Verbänden vorbei separat Verhandlungen führen können,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Ralf Grabow, FDP: Also, Herr Kuhn!)

die möglicherweise von den DRGs weg, die ganz klar die Kostenerstattung regeln, Separatverträge anstreben dürfen. Herr Kollege Glawe, Sie haben vor Kurzem darüber berichtet. Ich bin nicht der Auffassung, dass das ein gangbarer Weg sein sollte und wir schon für die Leistungen, die unsere Häuser erbringen, auch ganz klar über die DRGs die entsprechende Vergütung bekommen sollten.

Die Forderungen nach der Bürgerversicherung, auch in Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, zum wiederholten Mal vorgebracht, wir wissen selber, dass auch Privatversicherte natürlich in ihrem direkten Versicherungssystem nicht nur Beiträge einzahlen, die Größenordnungen haben, sondern auch Leistungen erwarten. Diese Leistungen würden sie genauso erwarten können, die stehen ihnen auch zu, wenn sie in einer kompletten Bürgerversicherung mit eingebunden werden. Und wenn wir die dort rausrechnen, dann ist das eher eine Systemfrage, in welche Richtung man da marschieren will. Wir haben das – der Minister hat das gesagt – mit dem neuen Gesundheitsfonds relativ gut reguliert. Diesbezüglich, denke ich, gerade was Mecklenburg-Vorpommern betrifft, sind wir auf einem guten Weg.

(Udo Pastörs, NPD: Wir sind alle auf einem guten Weg.)

Wir müssen wachsam bleiben. Aber ich freue mich sehr, dass die stationäre medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern auf einem hohen Niveau ist,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass sie finanzierbar ist und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Freude daran haben, ihre Aufträge zu erledigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Irene Müller, DIE LINKE: Der Weg ist das Ziel.)

Danke schön, Herr Kuhn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem bei der gegenwärtigen Finanzlage der Krankenhäuser ist, dass wir den Kliniken nicht den notwendigen Rahmen geben, damit sie ihren gegenseitigen Wettbewerb um eine bessere Versorgung, um innovative Konzepte und um Einsparungen erzielen, damit sie Wirtschaftlichkeitsreserven aufbauen beziehungsweise diese nutzen können. Wir geben den Krankenhäusern einen starr reglementierten Rahmen von Budgeteinsparungen und immer mehr Vorgaben.

(Toralf Schnur, FDP: Genau.)

Wir ermöglichen ihnen letztlich nicht, Kostensteigerungen an diejenigen weiterzuleiten, die das alle finanzieren. Dazu hat die schwarz-rote Koalition meines Erachtens erheblich beigetragen. Und wenn sie es jetzt abbaut, dann hat das auch wirklich nichts mit dem Fonds zu tun.

Im Jahr 2007 ist das Budget statistisch um 0,56 Prozent gestiegen, netto gab es eine Steigerung um 0,28 Prozent. Gleichzeitig haben wir aber Kostensteigerungen um 4 Prozent, die dem gegenüberstehen. Man braucht kein großer Mathematiker zu sein, um zu sehen, dass diese Differenz, die die Krankenhäuser auszugleichen haben, insgesamt 1,3 Milliarden Euro beträgt. Rationalisierungsreserven bei den Krankenhäusern sind nur insoweit vorhanden, als Personal abgebaut werden kann, denn bei den Krankenhäusern sind circa 60 bis 70 Prozent der Kosten Personalkosten. Das heißt, die Rationalisierung, die die Krankenhäuser im Moment durchführen, geht zulasten der Versorgung der Patienten.

Zu erwähnen ist eine weitere Entscheidung, welche die schwarz-rote Koalition in Berlin zu verantworten hat. Dabei geht es um die Kostensteigerungen, die die Krankenhäuser zu schultern haben. Ich will noch einmal aufzählen, was die Krankenhäuser erlebt haben: Sie haben eine Mehrwertsteuererhöhung erlebt – 500 Millionen Euro Kostensteigerung, sie haben eine Tarifsteigerung erlebt – 1,5 Milliarden Euro Kostensteigerung, sie haben Energiekostensteigerungen erlebt, sie haben ein Arbeitsplatzgesetz, was bedeutet, dass sie mehr Personal einstellen müssen, weil Bereitschaftszeit auch Arbeitszeit wird, ebenfalls eine Kostensteigerung. Den Krankenhäusern werden unter dem Stichwort „integrierte Versorgung“ 500 Millionen Euro von der Rechnung abgezogen. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Krankenhäuser nicht die Möglichkeit haben, dieses Geld, das ihnen von der Rechnung abgezogen wird, über Verträge zur integrierten Versorgung wieder hereinzuholen.

Vor diesem Hintergrund kommt die Berliner Koalition nicht etwa auf den Gedanken, zu fragen, wie unterstützen wir die Krankenhäuser dabei, mit dieser Kostensteigerung umzugehen, nein, sie streicht den Krankenhäusern auch noch 0,5 Prozent von jeder Rechnung. Das macht summa summarum 300 Millionen Euro und ist der sogenannte Sanierungsbeitrag. Mit dem Sanierungsbeitrag soll doch nur eine schlechtgemachte Gesundheitsreform verdeckt werden. Der Bund braucht Geld, um die versprochenen Leistungsverbesserungen zu ermöglichen, aber der Sanierungsbeitrag ist von ihnen inhaltlich überhaupt nicht begründet worden. Das wird auch von den Gerichten bestätigt.

Zu Recht klagen einige und wollen vor Gericht begründet sehen, warum diese Sanierungsbeiträge erhoben werden. Meine Hauptkritik ist, der Sanierungsbeitrag ist nicht begründet und trifft in den schwierigen Situationen der Krankenhäuser pauschal alle Krankenhäuser. Ich bin dafür, dass wir über wettbewerbliche Modelle Wirtschaftlichkeitsreserven erheben. Wir wollen einen wirklichen Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander, denn es gibt gut geführte Krankenhäuser. An dieser Stelle haben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Und, Herr Kuhn, es gibt auch gute private Träger, die nicht nur Kohle aus Krankenhäusern ziehen. Das will ich an dieser Stelle sagen. Es gibt auch gute Träger, die Krankenhäuser führen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Egbert Liskow, CDU: Das gibt es gar nicht. Dafür haben die kein Geld. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Grabow.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Kliniken droht der Kollaps

Schwestern hetzen über die Stationsflure. Sie betreuen immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit. Zuwendung und ein gutes Wort für den Kranken bleiben häufig auf der Strecke.“

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Wann waren Sie denn das letzte Mal im Krankenhaus?)

„Die Pflegekräfte sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit“, so die „Ostsee-Zeitung“ am 25. September 2008.

Etwa 130.000 Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte und weiteres Klinikpersonal machten gestern in Berlin auf ihren Frust über die Situation in den Krankenhäusern aufmerksam. Während die Qualität in den Kliniken vom Personal nur durch Überstundenverzicht und Verzicht auf freie Tage halbwegs aufrechterhalten werden kann, steigen die Krankenhausausgaben rasant an: 51 Milliarden Euro im Jahr 2007. 1993 wurde die Budgetdeckelung eingeführt und sollte erreichen, dass die Krankenhausausgaben der Krankenkassen nicht stärker steigen als ihre Einnahmen, wodurch wiederum die Beitragsstabilität gewährleistet werden sollte. Dennoch wurde keine Beitragsstabilität erreicht. Diese wäre in der Logik des Deckelungssystems nur zu erreichen, wenn in den jährlichen Verhandlungen nur so viel Budgeterhöhung für das nächste Jahr vereinbart wird, wie die beitragspflichtigen Einkommen der Kassenmitglieder im nächsten Jahr steigen werden. Dieses kann natürlich niemand vorhersagen. Um überhaupt eine Zahl vorgeben zu können, wird gegenwärtig die Veränderungsrate eines zurückliegenden Jahreszeitraumes als Obergrenze für ein folgendes Jahr verwendet. Hier wird sich wie so häufig vollkommen verrechnet. Aber das kennen wir ja auch vom Sozialminister.

Wichtiger noch als die unlösbaren technischen Probleme der Budgetdeckelung ist aber, dass die Deckelung im Widerspruch zu den zentralen Zielen der staatlichen Krankheitspolitik steht. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat im Rahmen der Daseinsvorsorge für seine Bürger zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung mit leistungsfähigen Krankenhäusern. So schreibt der Paragraf 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes vor, dass das überragende Ziel staatlicher Krankenhauspolitik nicht Beitragssatzstabilität ist, sondern die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung der Bevölkerung. Da die Budgetdeckelung die Leistungsfähigkeit vieler Kliniken gefährdet, steht sie im Widerspruch zu den zentralen Zielen staatlicher Krankenhauspolitik. Es ist unverantwortlich, dass die Beschäftigten in den Krankenhäusern die Konsequenz der Sparpolitik der Bundesregierung tragen müssen. Die Pflegekräfte und Krankenschwestern sind extrem demoralisiert und überlastet. Das ist das Ergebnis des Stellenabbaues seit über zehn Jahren.

Nach einer Studie von ver.di wurden in den letzten zehn Jahren 100.000 Stellen abgebaut, davon allein schon 50.000 in der Pflege. Im Gegenzug dazu steht die Patientenzahl, die seit zehn Jahren um 670.000 Patienten gestiegen ist. Klar und deutlich bedeutet das, dass eine Pflegekraft für 52 Patienten sorgen muss. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt das Verhältnis von einer Pflegekraft bei nur 24 Patienten.

Die ursprüngliche Deckelung sollte Krankenhäuser vor übermäßigen Kostensteigerungen schützen und die Krankenversicherungsbeiträge stabilisieren. Dies ist aber nicht gelungen. Als Allererstes geht es darum, den Budgetdeckel abzuschaffen, eine umgehende Besetzung der fehlenden Personalstellen einzuleiten sowie eine volle Refinanzierung der Tarifsteigerung 2008/2009 zu ermöglichen. Ansonsten: Lichter aus im Krankenhaus!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke schön, Herr Köster.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich ein bisschen irritiert war durch die Wortbeiträge des Herrn Minister und von Herrn Kuhn, weil ich immer überlegt habe, stimmen Sie nun zu oder werden Sie ablehnen. Ich vermute aber, Sie werden diesen Antrag ablehnen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Aber dass Sie ihn so ernsthaft behandelt haben und abgewogen haben, das möchte ich schon anerkennen. Das empfinde ich als eine gute Sache.

(Udo Pastörs, NPD: Schwätzer!)

Ja, Sie vor allen Dingen!

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Friedliches Wochenende!)