Protokoll der Sitzung vom 23.10.2008

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und worüber wollen wir jetzt diskutieren?)

in der Hoffnung, dass solche Situationen hier nie auftreten werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Reinhardt, ja, liberal, Freiheit.

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Nee, Herr Heydorn.

(Marc Reinhardt, CDU: Ich habe nichts gesagt.)

Herr Heydorn, noch mal: liberal, Freiheit.

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sehr wohl ein komplexes Thema. Es ist bedauerlich aus unserer Sicht, dass es häufig nicht vor dem Hintergrund realer Sicherheitsfragen diskutiert wird, und das zeigt einmal mehr heute der Antrag der Fraktion DIE LINKE. Selbst die Großwetterlage in Berlin lässt derzeit wieder viel Raum für Diskussionen. Statt ständig Anträge zu stellen, für die wir nicht zuständig sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, so, wie es DIE LINKE heute einmal mehr tut, sollten wir hier besprechen, wie wir als Bundesland, als unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, für mögliche Krisen oder Bedrohungslagen ausreichend gewappnet sind.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na, da können Sie ja dann einen Antrag zu machen.)

Das finde ich mit keinem Wort im Antrag der LINKEN, lieber Kollege Herr Bluhm.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: War ja auch nicht beabsichtigt. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Die Position der FDP und auch der Bundestagsfraktion der FDP, meine Damen und Herren, ist hier ganz klar. Wir lehnen zum derzeitigen Zeitpunkt den Einsatz der Bundeswehr im Innern kategorisch ab. Unstreitig darf die Bundeswehr in einem Verteidigungs- oder im Spannungsfall zur Unterstützung von Polizei und Bundesgrenzschutz herangezogen werden. Es ist überdies unstreitig, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass im Rahmen der Rechts- oder Amtshilfe ein entsprechendes Vorgehen gerechtfertigt wäre. Wir Liberalen werden aber jedem Versuch, die Bundeswehr zu einer Hilfspolizei zu machen, eine klare Absage erteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und deshalb dürfen Sie sich auch sicher sein, dass es keine Zweidrittelmehrheit des Bundesrates für die derzeit diskutierte Grundgesetzänderung geben wird. Dafür werden die Bundesländer sorgen, wo wir als FDP mit in der Regierung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Unser Nein …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich denke, das ist keine Landesangelegenheit.)

Herr Ritter, Sie können ja, Herr Ritter, Sie können ja gleich, nach mir.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Unser Nein zum Bundeswehreinsatz im Inneren folgt allerdings anderen Ansätzen als denjenigen, welche die LINKE anführt. Wir Liberalen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen eben keinen Bedarf für eine militärische Hilfspolizei. Aus unserer Sicht sollte es stattdessen eine starke, materiell und personell gut ausgestattete Landespolizei geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Hans Kreher, FDP: Richtig.)

Das macht jedweden Ruf nach einem Einsatz der Bundeswehr unnötig. Im Übrigen hat sich die Bundeswehr vor geraumer Zeit von dem Konzept „Bundeswehr in der Fläche“ hier in Mecklenburg Vorpommern

insbesondere verabschiedet und ein gestrafftes Standortkonzept entwickelt. Die Verfügbarkeit von Bundeswehrkräften scheint vor diesem Hintergrund nicht ganz so schlüssig zu sein. Wenn die Bundeswehr, und das ist doch wohl in unserem Sinne, nicht als Hilfspolizei eingesetzt werden soll und explizit nur in rechtlich sehr begrenzten, klar umrissenen Aufgaben arbeiten soll, dann müssten wir die anstehenden Aufgaben erst einmal klar definieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und das genau können wir zum heutigen Zeitpunkt eben nicht.

Wir Liberalen werden uns den veränderten Sicherheitsgegebenheiten klar und deutlich stellen. Deshalb sagen wir:

Erstens. Unsere Landespolizeikräfte müssen bestmöglich ausgestattet und positioniert sein.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zurufe von Jörg Heydorn, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)

Zweitens. Jedes Bundesland sollte dabei seine eigenen Hausaufgaben machen, dann bedarf es auch keines Rufes nach der Bundeswehr und dann bedürfte es auch nicht ständiger bundespolitischer Scheindebatten hier im mecklenburg-vorpommerschen Landesparlament.

Wir lehnen den Antrag ab und über den NPD-Antrag brauche ich nicht zu reden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der SPD, der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meinem Innenminister noch mal kräftig unter die Arme greifen und ihm sagen, dass auch ich persönlich, das heißt, das ist meine persönliche Meinung, den Einsatz der Bundeswehr während des G8-Gipfels für nicht verfassungswidrig halte. Das ist so, der ist in Ordnung gewesen aus meiner Sicht.

Hart an der Grenze fand ich den Tiefflug des Tornados über dem Camp,

(Irene Müller, DIE LINKE: Hart an der Grenze? Da ist aber die Grenze überschritten.)

aber wir haben im Innenausschuss erfahren, dass genau das offensichtlich auf ein persönliches Fehlverhalten eines Flugzeugführers zurückzuführen ist, für das es auch erhebliche Konsequenzen in der Bundeswehr gegeben hat, personelle Konsequenzen. Also insofern, denke ich, ist dieser Einsatz noch im Rahmen des Machbaren gewesen, über Artikel 35 abgesichert. Und wer daran zweifelt, muss auf das Gerichtsurteil warten, das das Bundesverfassungsgericht irgendwann sprechen wird.

Meine Damen und Herren, wenn wir über die Bundeswehr hier reden, dann ist aus meiner Sicht zunächst erst mal ein Dank fällig, und zwar ein Dank an die Bundeswehr und alle bei ihr Beschäftigten, die immer wieder in unermüdlichem Einsatz für uns da sind, nicht nur zur Landesverteidigung, sondern auch bei Katastrophen wie dem Elbehochwasser oder der Vogelgrippe.

Der vorliegende Antrag selbst spricht zwar in der Überschrift von militärischen Einsätzen, aber er bezieht sich dann im Text auf einen prominenten Fall der Amtshilfe durch die Bundeswehr. Bei dem Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm im Jahre 2007 waren Sanitäter der Bundeswehr im Einsatz und eben auch die angesprochenen Tornados. Hier ging es darum, durch die Bundeswehr Leistungen zu erbringen, die nach Art und Umfang die Möglichkeit unserer Landespolizei überstiegen. Inwieweit dabei die rechtlichen Grundlagen eingehalten wurden, ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht.

Meine Damen und Herren, die SPD in MecklenburgVorpommern hält fest an der strikten Trennung zwischen polizeilichen Aufgaben und der Aufgabe der Landesverteidigung. Während Landes- und Bundespolizei gemeinsam die innere Sicherheit, die innere Ordnung unserer Gesellschaft sichern, ist die Bundeswehr für die Verteidigung gegen Angriffe von außen zuständig. Dazwischen liegt eine klare verfassungsrechtliche Grenze. Das schließt eine Amtshilfe nach Artikel 35 wie gesagt nicht aus. Aber wenn die Bundeswehr mit ihren Geräten oder auch der Kompetenz ihrer Mitarbeiter hilft, dann muss klar sein, dass es allein um eine technische Unterstützung geht. Natürlich darf die Bundeswehr helfen, aber sie darf nicht selber eingreifen und sie darf nicht hoheitlich tätig werden, und schon gar nicht aus eigener Entscheidung heraus.

Meine Damen und Herren, auch mir ist bekannt, dass es auf Bundesebene Bestrebungen gibt, im Kampf gegen die neuen Bedrohungen die Möglichkeiten der Bundeswehr auszuweiten. Da wird gern eine Lücke beschworen, die zwischen den Kompetenzen der Bundeswehr und denen der Polizei sei und die dann geschlossen werden müsse. Um die angebliche Lücke zu schließen, soll im Grundgesetz für besonders schwere Unglücksfälle die Möglichkeit vorgesehen werden, dass die Bundesregierung – die Bundesregierung! – über den Einsatz der Bundeswehr im Innern entscheidet. Dann soll die Bundeswehr auch mit militärischen Mitteln eingreifen können. Wenn Gefahr im Verzug ist, und das wird bei einem besonders schweren Unglücksfall eher die Regel sein, dann wird die Entscheidungsbefugnis sogar auf den zuständigen Bundesminister, wer immer das auch sein mag, übertragen. Der Bund soll hier über den Einsatz der militärischen Mittel für Polizeiaufgaben entscheiden, nicht die eigentlich für die Gefahrenabwehr zuständigen Bundesländer. Die Länder sollen nach dem Text der zurzeit diskutierten Grundgesetzänderung nur über den Bundesrat die Aufhebung der Maßnahme einfordern können.

Ich halte diese Grundgesetzänderung für einen Angriff auf unsere Rechtsordnung. Ich sehe keine Lücke zwischen den Kompetenzen der Bundeswehr und denen der Polizei. Und ich wehre mich dagegen, die Bundeswehr als Joker im Kampf gegen alle Bedrohungen einzusetzen, denen gegenüber man sich vielleicht unterlegen fühlt. Auch in extremen Sondersituationen wie dem 11. September gibt es Zuständigkeiten, und ich vertraue darauf, dass die Verantwortlichen dann ihre Möglichkeiten sorgfältig prüfen und auch nutzen.

Meine Damen und Herren, selbst wenn jemand aus einer Notsituation heraus eine nachvollziehbare, gewissenhafte Entscheidung für eine formal rechtswidrige Rettungshandlung trifft, dann wird der in unserem Rechtsstaat nicht bestraft. Da gibt es Entschuldigungsgründe, so nennen das die Juristen. Das heißt, das war

zwar nicht in Ordnung, das war nicht rechtmäßig, aber es ist entschuldigt.

Die Lösung ist für mich angemessen. Wir können unseren rechtlichen Vorgaben und auch den Verantwortlichen trauen, dass sie diese richtigen Entscheidungen treffen und auch dafür einstehen. Es gibt keine Alternativen. Wenn wir für solche extremen Situationen wie dem 11. September die Verfassung ändern und Vorschriften entwickeln, mit denen wir als Gesellschaft Menschenleben zur Disposition stellen, dann schaffen wir nur neue Gefahren des Missbrauchs,

(Hans Kreher, FDP: Genau.)

dann würden wir Sicherheit gegen Freiheit ausspielen und das finde ich unverantwortlich.

(Hans Kreher, FDP: Jawohl.)

Die klare Trennung von Polizei und Militär gibt uns das Grundgesetz vor. Ich garantiere Ihnen, eine sozialdemokratisch geführte Regierung unseres Landes wird einer solchen Änderung der Verfassung nicht zustimmen, die militärische Einsätze der Bundeswehr im Innern ermöglicht.