Protokoll der Sitzung vom 20.11.2008

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Holznagel von der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Forderung nach einer Nationalen Küstenwache ist nicht neu. Sie ist in diesem Landtag nicht neu, sie ist insbesondere für meine Fraktion nicht neu, sie ist auf der Bundesebene nicht neu und sie ist in unseren Nachbarländern auch nicht neu. Sie ist vor allen Dingen aber auch nicht so einfach und nicht so einfach umzusetzen, wie dies mit dem vorliegenden Antrag suggeriert wird.

Es handelt sich dabei um ein Thema von vielen Maßnahmevorschlägen, die seit der Havarie der „Pallas“ vor zehn Jahren vor der Küste von Amrum zur Erhöhung der Schiffssicherheit diskutiert werden. Der Vorschlag einer Nationalen Küstenwache ist nur im Komplex mit dem Thema maritime Sicherheit zu sehen. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat das Thema maritime Sicherheit seit mehr als acht Jahren zu einem seiner Schwerpunktthemen insbesondere in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gemacht. Das Thema war Gegenstand zahlreicher Debatten und Beschlüsse in diesem Haus. Wir waren und sind anerkanntermaßen auf parlamentarischer Ebene der Motor für dieses Thema im gesamten Ostseeraum und darüber hinaus. Wir haben es im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenz vorangetrieben, über die Ostseeparlamentarierkonferenz hinaus und unmittelbar im Rahmen der Ausübung des Beobachterstatus der Landtagspräsidentin bei der HELCOMKonferenz auf der europäischen Ebene.

Dabei hat uns die Erkenntnis umgetrieben, dass ein großer Tankerunfall vor unseren Küsten die Gefahr in sich birgt, dass die Tourismuswirtschaft in diesem Bereich für Jahre zum Erliegen kommt oder kommen könnte. Von daher konnte es kaum etwas Wichtigeres geben, als sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die dieses Risiko so weit wie möglich minimieren. Es gilt, Umwelt, Ostseereinheit und Küsten zu bewahren. Viele Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass die Ostsee trotz ständig steigenden Verkehrsaufkommens sicherer geworden ist. Dabei geht es um Maßnahmen auf internationaler Ebene, auf der europäischen Ebene und auf der nationalen Ebene.

Lassen Sie mich vielleicht einige davon schlaglichtartig aufzählen, um die gesamte Dimension der Entwicklung zu verdeutlichen. Zu den Maßnahmen auf der Ebene der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) gehören die Verschärfung von Sicherheitsstandards und Bauvorschriften für Öltanker, die Einführung bordeigener Notfallpläne bei Meeresverschmutzungen durch schädliche flüssige Stoffe, die Neufassung des Kapitels 5

des SOLAS-Übereinkommens, mit dem die Welthandelsflotte verpflichtet wurde, sich nach einem genauen Einphasungsplan mit Schiffsidentifizierungstranspondern, AIS und Schiffsdatenschreibern auszurüsten, die IMO-Entschließung zur Beschleunigung der Ausphasung von Einhüllentankern – der letzte Einhüllentanker wird 2015 hoffentlich verschwinden –, die Ausweisung der Ostsee als besonders empfindliches Meeresgebiet. Im Zuge dessen sind weitere Maßnahmen geplant. Die betreffen die Verkehrsüberwachung, ferner neue Routensysteme, zum Beispiel in der südlichen Ostsee, den Einsatz von Begleitschleppern, um Grundberührungen zu vermeiden, verbesserte Lotsendienste, insbesondere in gefährdeten Meerengen, und die Benennung von Gebieten, die vom Schiffsverkehr zu meiden sind.

Zu den Maßnahmen auf europäischer Ebene gehören unter anderem das sogenannte „Erika“-Paket – darauf haben wir schon Bezug genommen –, zum anderen verschiedene Richtlinien und Verordnungen zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr und zur Vermeidung von Umweltverschmutzungen durch Schiffe sowie zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen.

Unter den getroffenen Maßnahmen haben wir die Einführung eines maritimen Verkehrssicherungssystems mit Verkehrszentralen an den wichtigsten Schifffahrtsstraßen, eine Vereinbarung mit privaten Unternehmen zur Vorhaltung von Hubschrauberkapazitäten zum raschen Einsatz von Notfällen, das Konzept der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, eine küstenweite funktechnische Abdeckung des gesamten deutschen Bereichs der Nord- und Ostseeküste mit AIS, Landesempfangsstationen und entsprechender AIS-Infrastruktur aufzubauen, die Weiterentwicklung des Seelotsenwesens und viele andere Dinge. Natürlich gehört dazu eben auch die Einrichtung eines Havariekommandos mit allem, was schon ausgeführt wurde.

Ich denke, meine Damen und Herren, es ist also in den vergangenen Jahren eine ganze Menge zur Verbesserung der maritimen Sicherheit geschehen. Nur eine Nationale Küstenwache gibt es noch nicht. Dabei geht es im Kern um die unterschiedlichen Bundes- und Länderzuständigkeiten in diesem Bereich.

Diese Zuständigkeiten, meine Damen und Herren von der FDP, sind im Grundgesetz geregelt, wie Sie es schon richtig gesagt haben. Wenn wir diese ändern wollen, dann müssen wir das Grundgesetz ändern. Und das geht mit Sicherheit nicht so leicht, dass die Landesregierung sich mal fix auf der Bundesebene für eine Nationale Küstenwache einsetzt. Dazu muss in der ganzen Republik auf Bundes- und Länderebene der Wille dafür da sein, das Grundgesetz zu ändern.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und dann müssen auch die Bundesländer, die nicht an der Küste liegen, und der Bund davon überzeugt sein, dass eine solche Änderung vorgenommen werden soll und dass sie so wichtig ist.

Meine Damen und Herren von der FDP, es ist ja nicht so, als wenn wir nicht auch dieses schon versucht hätten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist der Punkt. – Gino Leonhard, FDP: Aha!)

Im Rahmen der vergangenen Föderalismusreform waren wir, der Landtag Mecklenburg-Vorpommern und der Landtag Schleswig-Holstein, sogar bereit – und dies war

im Rahmen der damaligen Diskussion schon ein außergewöhnlicher Vorgang –, Länderkompetenzen an den Bund abzugeben,

(Gino Leonhard, FDP: Guck an!)

um genau zu dieser Konzentration der Zuständigkeiten in diesem Bereich zu kommen.

(Michael Roolf, FDP: Also ist sie doch sinnvoll!)

Dazu haben wir über die Parlamentspräsidentenkonferenz die Einführung einer Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes vorgeschlagen zum Zweck der Bündelung der Aufgaben der maritimen Dienste im Bereich des Küstenmeeres, zur Verbesserung der maritimen Sicherheit sowie zur Schaffung einer europatauglichen nationalen Verwaltungsstruktur im Bereich der hoheitlichen Aufgaben auf See.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Konkret ging es um die Änderung des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 21, des Artikels 87 und des Artikels 89 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die entsprechenden Formulierungsvorschläge, meine Damen und Herren der FDP, kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen, damit Sie damit bei Ihren Länderkollegen nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und vor allem auch in Bayern zur Unterstützung Ihres Anliegens für die Unterstützung einer entsprechenden Grundgesetzänderung werben können.

Diese Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes fußten auf entsprechenden Beschlüssen der Landtage Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hatte sich dazu im Rahmen einer Entschließung bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfes zur Verbesserung des gemeinsamen Unfallmanagements auf der Nord- und Ostsee positioniert.

Meine Damen und Herren, im Rahmen seiner inhaltlichen Schwerpunktsetzung maritime Sicherheit im Ostseeraum hatte es der Landtag Mecklenburg-Vorpommern als notwendig angesehen, eine einheitliche und mit umfassenden und weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Küstenwache einzurichten

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

sowie ein daraus hervorgehendes Havariekommando mit einer gegenüber allen auf See zuständigen Behörden weisungsbefugten Führung einzusetzen, dessen Verantwortung und Entscheidung in einer Hand liegt. Dazu war auch eine entsprechende Grundgesetzänderung als notwendig angesehen worden und das haben wir bereits im Landtag debattiert. Die Einrichtung des Havariekommandos auf der Grundlage eines Staatsvertrages zwischen dem Bund und den Küstenländern war vom Landtag nur als ein Zwischenschritt auf dem Weg zur notwendigen weiteren Kompetenzbündelung der hoheitlichen maritimen Dienste angesehen worden. Der Landtag war hier schon wesentlich weiter als heute.

Der Landtag hatte daher einen Beschluss vom 25. Juni 2002 – Sie können es nachlesen – zur Verabschiedung der entsprechenden Bund-Länder-Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den fünf Küstenländern zur Errichtung eines Havariekommandos für die Nord- und Ostsee gefordert. Dass weitergearbeitet werden muss, gehörte zu dieser Forderung, um eine grundlegende Neustrukturierung des maritimen Sicherheitskonzeptes der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen.

Eine gemeinschaftliche Wahrnehmung von Bundes- und Länderaufgaben auf See muss das Ziel sein, aber es geht nur durch eine Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung. Und da liegt der Hase auch heute noch oder besonders heute im Pfeffer.

(Gino Leonhard, FDP, und Michael Roolf, FDP: Wasser!)

Nach Auffassung des Landtages war die Optimierung der Kooperation vieler Einrichtungen auf der Grundlage der gegenwärtigen grundgesetzlichen Kompetenzverteilung an ihre Grenzen angelangt. Vielleicht lag diese Einsicht auch daran, dass damals die Havarie noch in guter Erinnerung war. Zur weiteren Verbesserung der Sicherheit war die Schaffung einer modern ausgerüsteten, in Nord- und Ostsee operationsfähigen und ständig präsenten echten Küstenwache als erforderlich angesehen worden, die bei Zwischenfällen gegenüber fremden Schiffen sofort eingreifen kann und von diesen auch respektiert wird.

Der Landtag hatte anerkannt, dass mit der Gründung des Havariekommandos die bisherige Situation zwar verbessert war, aber auch hervorgehoben, dass eine europäische Küstenwache oder eine gemeinsame Küstenwache für die Ostsee selbst als Fernziel nicht realisierbar sein kann, solange nicht der erste Schritt – eine leistungsfähige deutsche Küstenwache – eingerichtet ist.

(Michael Roolf, FDP: So ist es.)

Die Landtagspräsidentenkonferenz hat diese Vorschläge der Landtage von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein in einem grundlegenden Positionspapier aufgegriffen. Eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes fand jedoch nicht die notwendige Unterstützung und Mehrheit. Daher wurde dies von der Liste gestrichen. So ist es gewesen.

Auch weil die Havarien vielleicht in dieser Hinsicht nicht ausgewertet und analysiert wurden, daran liegt es nämlich im Besonderen, ist die Einsicht gerade bei den Ländern, die nicht zu den Ostseeanrainern gehören, wohl etwas schwierig gewesen. Von daher konnte es nur noch darum gehen, die Zusammenarbeit der verschiedenen Zuständigkeitsbereiche auf der Grundlage der vorgegebenen Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes weiter zu optimieren. Herr Dr. Timm hatte das ausgeführt.

Daran ist mit den oben genannten Maßnahmen gearbeitet worden, weitere Bündelungen scheinen – sicherlich theoretisch, aber ich hoffe, auch praktisch – ohne die Änderung der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes gegebenenfalls noch auf der Ebene des Bundes möglich zu sein. Darauf hatte ich im Rahmen der maritimen Sicherheitskolloquien der Molinari-Stiftung gegenüber den zuständigen Bundestagsabgeordneten, den Vertretern der Bundesministerien und der Bundeswehr schon ausdrücklich hingewiesen. Es handelt sich dabei allerdings um Fragen der Organisationsverteilung innerhalb der Bundesregierung, die schon seit Jahren diskutiert werden. Sicherlich ist das auch Anlass, hier noch genau darüber nachzudenken, wie die einzelnen Kompetenzen der Schiffe, die vor Ort das Geschehen regeln, gebündelt oder verbessert werden können. Ich sage hier nur ein Wort: Wir brauchen in der Hinsicht ein Seesicherheitsgesetz, das auch dieses regelt.

Meine Damen und Herren, darüber hinausgehende Bündelungen scheinen in Anbetracht der Chance, zu einer entsprechenden Grundgesetzänderung zu kommen, sehr schwierig und auf absehbare Zeit nicht möglich. Da reicht

es auch nicht, wenn die FDP im März dieses Jahres einen entsprechenden Antrag im Bundestag eingebracht hat, der im Übrigen bis heute ja noch nicht beraten wurde.

(Gino Leonhard, FDP: Die Anhörung hat stattgefunden.)

Aber es wurde noch nicht zu Ende beraten.

(Gino Leonhard, FDP: Immer noch nicht.)

Meine Damen und Herren, eine lockere Formulierung dahin gehend, die Landesregierung möge sich doch mal dafür einsetzen, ist der Komplexität und der Dimension der Thematik nicht angemessen. Deshalb müssen wir heute Ihren formulierten Antrag ablehnen. Wir sehen aber die Notwendigkeit, dass wir uns des Themas in dem Sinne, wie wir es schon vor sechs Jahren behandelt haben, sicherlich erneut annehmen sollten. Der schleswig-holsteinische Landtag hat dies in der vergangenen Woche auf einer sehr sachgerechten Grundlage in die Wege geleitet. Dort wurde ein Beschluss gefasst, mit dem die Landesregierung zunächst einmal die Entwicklung der vergangenen Jahre aufbereitet, damit man sich dann des Themas auf einer fundierten Grundlage annehmen kann. Einer solchen Vorgehensweise könnten wir uns sicher sehr gerne anschließen.

Das Thema ist wichtig, ohne Frage, wir müssen es aber so behandeln, dass wir die Komplexität der Thematik angemessen berücksichtigen, die bisherigen Entwicklungen in den Bemühungen, zu einer verstärkten Bündelung der Kompetenzen und Abläufe zu kommen, richtig einschätzen, um dann auf dieser Grundlage sachgerechte Vorgehensweisen formulieren und einfordern zu können. Von daher lehnen wir heute Ihren Antrag ab,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

kündigen Ihnen aber gleichzeitig an, dass wir uns des Themas auf einer ausgereiften und der Problematik angemessenen Grundlage in absehbarer Zeit annehmen werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Vizepräsidentin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beleuchten wir den Küstenschutz doch mal von einer anderen Seite.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Spätestens seit dem 11. September 2001 ist eine globale Gewaltspirale in Gang gekommen, die sich bislang in Terroranschlägen wie den in London oder Madrid manifestierte. Doch auch Deutschland ist gefährdet.