Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der FDP zur Änderung der Kommunalverfassung stellte die Herabsetzung der Fraktionsstärken in kommunalen Parlamenten fest. Ich wiederhole mich zum letzten Mal.
(Heinz Müller, SPD: Na, na, na! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist aber jetzt ein Versprechen, Herr Schnur.)
Herr Ringguth, das ist ja wohl nicht schlimm, wenn man etwas Richtiges sagt, dass man sich wiederholt.
Mit der Novellierung der Kommunalverfassung im Jahre 2004 und der damit verbundenen Anhebung der Fraktionsstärken haben die damalig im Landtag vertretenen Parteien der Demokratie in unserem Land keine Hilfe geleistet. Auch das steht fest. Nicht nur, dass sie nicht in der Lage waren, jemals zu beweisen, dass die bis dahin festgesetzten Fraktionsgrößen zu Problemen geführt haben, sie konnten nicht einmal beweisen, dass es überhaupt Änderungsbedarf an der Norm gab.
Sie evaluieren diese Situation nicht und Sie werden sehen, dass das über kurz oder lang auch in die Hose geht, denn klagt erst mal einer, können Sie sich sicher sein, dass Sie verlieren. Und mein sehr geschätzter Kollege Ringguth hat ja beim letzten Mal darauf hingewiesen – ich hatte einen Fehler, das gebe ich auch offen zu –, dass das Landesverfassungsgericht in seiner Entscheidung eine Verletzung der Chancengleichheit von politischen Parteien nicht gesehen hat. Das stimmt. Aber die Frage, ob die Chancengleichheit zwischen den Vertretern in einer Vertretung selbst verletzt ist, die wurde natürlich im Urteil nicht berücksichtigt, und zwar ausschließlich aus einem Grund, weil es verfahrenstechnische Mängel gibt oder gab. Und auch das wissen alle hier im Hause.
Allein die vorgetragenen Argumente sind in der Sache bis heute immer noch an den Haaren herbeigezogen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sage ich Ihnen auch, Sie tun der Demokratie damit keinen Gefallen.
Die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretungen soll angeblich gefährdet sein. Deshalb müsste die Einführung der höheren Hürden beziehungsweise der Größe der Fraktion angepasst werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist blanker Unsinn.
Sie selber haben es ja in der Begründung gegenüber dem Landesverfassungsgericht nicht einmal richtig begründet. Sie haben ja nicht einmal weitere Ausführungen zum Thema gemacht, weil Sie natürlich ganz genau wussten, dass es nicht stimmt. Die Mehraufwendungen wären angeblich unverhältnismäßig. Also steigende Kosten mit der Anzahl der Fraktionsstärken würden steigen. Auch das ist Ihnen vom Landesverfassungsgericht um die Ohren gehauen worden. Auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Herr Meier stellt im Schweriner Kommentar zur Kommunalverfassung fest, dass dieser Eingriff substanziell nicht unterlegt ist.
Bemerkenswert ist insgesamt jedoch, dass gerade in den ostdeutschen Bundesländern – auch das hatte ich beim letzten Mal gesagt – eine Abkopplung von Rechten der Mitbewerber in Kauf genommen wird. Hier muss die Entwicklung, insbesondere auch in Brandenburg – auch das hatte ich beim letzten Mal gesagt –, sehr stark hinterfragt werden. Ein Segen für die Demokratie ist diese Entwicklung nicht.
Mit der derzeitig gültigen Regelung gibt es faktisch – auch das hatte ich gesagt, man wiederholt sich ja an der Stelle – Vertreter erster und zweiter Klasse. Das bestreiten Sie ja immer wieder, aber sie gibt es, und das wissen Sie. Sie können es ruhig sagen, dass Sie genau das aber auch wollen.
Die Vertreter erster Klasse – auch das habe ich gesagt – können Sitzungen der entsprechenden Vertretungen nach freiem Ermessen einberufen. Sie können Bürgermeister, Landräte und Beigeordnete zu einer Stellungnahme vor der Vertretung zitieren und Sie können sie zwingen, sich zu einem bestimmten Sachverhalt zu äußern. Die in der Praxis jedoch sehr wichtigen Rechte, wie das Vorschlagsrecht bei Personalwahlen, die Akteneinsicht und die namentliche Abstimmung, die haben die Vertreter zweiter Klasse nicht. Übrigens ist auch das gewollt.
Natürlich sind auch wir der Auffassung, dass es in einigen Situationen problematische Situationen geben kann.
Unabhängig davon gibt es in den kommunalen Vertretungen nicht einmal die Diskussion darüber, nach welchen Kriterien sich Fraktionen überhaupt zusammensetzen dürfen. Herr Müller, ich habe Ihnen das beim letzten Mal schon gesagt, ich sage es Ihnen auch diesmal wieder: Es ist nicht irgendein Gericht gewesen, es ist das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gewesen, übrigens das des größten Bundeslandes, zumindest von der Einwohnerzahl, das festgestellt hat, dass eine Fraktion nur dann zusammengehen kann, wenn sie auch inhaltlich in ihrer Meinung übereinstimmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einmal alles zusammenfassen. Sie zeigen mit Ihrem Verhalten lediglich eins: Sie haben Angst vor politischen Mitbewerbern,
Sie zeigen Ihre Furcht vor Mitbestimmung, Sie zeigen Ihre Furcht vor Mitwirkung und Sie haben Angst vor mehr Teilhabe. Ich kann Ihnen aber sagen, dass Sie gar nicht so lange warten müssen. Dann werden Sie diesen Status ändern, und das, ob Sie wollen oder nicht, denn wenn Sie heute diesen Gesetzentwurf ablehnen, dann werden Sie irgendwann Ihren Gerichtsprozess bekommen und dann werden Sie es ändern müssen.
Glauben Sie mir, wir als FDP kriegen das auch in Mecklenburg-Vorpommern hin, dass die Fraktionsstärke wieder zurückgedreht wird, selbst wenn Sie es noch hundertmal ablehnen. Und es wird Ihnen natürlich klar sein, um es auch den Bürgern vor Ort und den Bürgerbewegungen sagen zu können, wer hier in diesem Hohen Haus die Fraktionsstärken nicht absenken will, wer will, dass weniger Teilhabe von bürgerlichen Gruppierungen in den kommunalen Vertretungen stattfindet, deshalb beantragen wir namentliche Abstimmung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt bekanntlich Dinge auf dieser Welt, die werden besser, wenn man sie liegen lässt:
Whisky zum Beispiel oder Wein und in gewissen Grenzen auch Camembert. Aber ich glaube, FDP-Anträge gehören nicht dazu.
Und den Vergleich mit dem Camembert möchte ich jetzt hier lieber nicht weiter aufgreifen, obwohl es durchaus einen gewissen Reiz hat.
Und das, was vor einigen Wochen im Oktober Unsinn war, das ist auch jetzt kurz vor Weihnachten Unsinn.
Und die Argumente, die wir Ihnen im Oktober gesagt haben, die gelten natürlich nach wie vor. Es hat sich seither keine, überhaupt keine neue Situation ergeben, weder pro noch kontra neue Argumente.
(Toralf Schnur, FDP: Herr Müller, wer was Falsches wiederholt, macht es dadurch nicht richtiger. – Zuruf von Hans Kreher, FDP)