Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

Meine Damen und Herren, wer heute für den Gesetzentwurf stimmt, der setzt sich über die zahlreichen, nicht abschließend geklärten Fragen hinweg.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Aber es sind auch datenschutzrechtliche Aspekte, die im Hinblick auf die Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Hier will ich ausdrücklich die Anmerkung des Landesdatenschutzbeauftragten erwähnen, aber auch die Stellungnahme des Verfassungsrechtlers Professor Dr. Ewer, übrigens von den Koalitionären als Sachverständiger benannt.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Dessen Stellungnahme kann man ebenfalls verschiedene Verbesserungsvorschläge entnehmen. Auch wenn die Änderungen im Wesentlichen im engen Zusammenhang mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz des Bundes stehen, hätte es den Koalitionsfraktionen gut zu Gesicht gestanden, insbesondere die Anmerkungen des von ihnen selbst benannten Sachverständigen entsprechend zu würdigen.

(Michael Roolf, FDP: Sie hören ja nicht zu.)

Bei der Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes geht es vorrangig um die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten in herkömmlichen Papierakten sowie in elektronischen Akten. Hier besteht ja durchaus das Risiko, dass Daten sogenannter Randpersonen eingeholt und gespeichert werden. Diese Daten können dann später gegebenenfalls nicht mehr gelöscht werden. Hierzu gibt es ebenfalls keine abschließende zufriedenstellende Lösung.

Im Hinblick auf die Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes bestehen bei der Regelung für die Informationsübermittlung durch nichtöffentliche Stellen ebenfalls noch offene Fragen. Adressatenkreise bei der Einholung von Bestandsdaten über Vertragsverhältnisse, über Postdienstleistungen und Telemediendienste werden nicht eingegrenzt. Bei den sogenannten Verkehrs

daten werden möglicherweise Daten eingeholt, die nur in irgendeinem Zusammenhang mit den Aufgaben des Verfassungsschutzes stehen. Und weiterhin besteht das Risiko der Schaffung von sogenannten Bewegungsprofilen.

Der Sachverständige der Koalitionäre, Herr Professor Dr. Ewer, hat insoweit darauf hingewiesen, bei einem gleichzeitigen Gebrauchmachen von den jeweiligen Befugnissen ist es, so der Sachverständige, praktisch möglich, ein vollständiges Bewegungsprofil der betroffenen Personen zu erstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und zuletzt ist auch das gesamte Verfahren der parlamentarischen Beratung – das ist hier im Wesentlichen auch durch den Minister eingeräumt worden – sehr kritisch zu hinterfragen. Die Beratungszeit war unüblich knapp. Das ist dem Beratungsgegenstand jedenfalls nicht angemessen. Auch das sehen wir so. Und wie viele Adressaten wird es eigentlich im Hinblick auf die Änderung des Kommunalwahlgesetzes bei der Kommunalwahl in diesem Jahr überhaupt betreffen?

(Gino Leonhard, FDP: Die Frage haben wir nicht beantwortet bekommen.)

Oder werden entsprechend der im Gesetz vorgesehenen Übergangsregelung die meisten Kommunen oder sogar alle Kommunen das alte Recht anwenden? Wenn Letzteres der Fall ist, dann sollte man auch sagen, dass der vorliegende Gesetzentwurf nur teilweise für die kommende Kommunalwahl gilt. Auch wenn die Übergangsvorschrift richtig ist, so bedeutet das doch, dass nebeneinander zwei verschiedene Kommunalwahlgesetze bei ein und derselben Kommunalwahl zur Anwendung kommen. Allein das ist einmalig in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Gesamtsumme lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Vielen Dank, Herr Schnur.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. Timm für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Auch wenn es mich reizen würde, Frau Měšťan, über die Verfahrensfragen und Formalitäten auch noch einiges zu sagen, mit der Annahme der Gelben Karte durch den Innenminister, der nun allerdings nicht im Raum ist, wie ich sehe –

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Hat sich das erübrigt. – Peter Ritter, DIE LINKE: Er sitzt da hinten.)

er sitzt da hinten –, hat sich das Thema erledigt für meine Begriffe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Für uns nicht, für uns nicht.)

Deswegen würde ich gerne auf einige inhaltliche Aspekte eingehen. Nach meiner Einschätzung sind sich bei dem, worum es in diesem Gesetzentwurf geht, die vier demokratischen Fraktionen in diesem Landtag überwiegend einig, bei einigen Punkten sind wir uns auch nicht einig. Und ich glaube, wir sollten beides herausstellen. Einig sind wir uns darin, dass in diesem Bundesland niemand zum Bürgermeister, und zwar zum haupt- oder ehrenamtlichen Bürgermeister oder zum Landrat ernannt werden darf, der keinen Amtseid auf unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung ablegt.

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Wir sind uns auch darin einig, dass wir keinen Bürgermeister oder Landrat haben wollen, der vor seiner Ernennung zwar den Wortlaut des Amtseides spricht, bei dem aber Wort und Tat auseinanderfallen. Es ist jedenfalls theoretisch denkbar, meine Damen und Herren, dass sich ein Mitglied der NPD oder einer anderen rechtsextremistischen Gruppierung öffentlich für die Abschaffung unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates einsetzt

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

und nach erfolgter Wahl dennoch der Öffentlichkeit ein Treuegelöbnis auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zumutet.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine verehrten Damen und Herren, was machen wir in so einem Fall?

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Da ist jemand gewählt, der nicht ernannt werden darf

(Stefan Köster, NPD: Das bestimmen Sie, ja?)

und, ich füge hinzu, solange die Bundesrepublik Deutschland als freiheitlicher Rechtsstaat existiert, niemals ernannt werden darf. Da hilft es wenig zu sagen,

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

gewählt ist gewählt, denn die Wahl ist kein Selbstzweck, sondern sie ist ein demokratisches Verfahren, um für eine Kommunalverwaltung eine integre Persönlichkeit zu ermitteln, die für den Dienst als hauptamtlicher Bürgermeister oder Landrat geeignet ist.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das überlassen Sie doch den Wählern!)

Das kleine Wörtchen „geeignet“ sagt nach dem Beamtenrecht bereits alles, worum es geht. Diese Person steht in einer besonderen Nähe zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat deutlich näher jedenfalls als jeder andere Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland. Und da ist es absolut undenkbar, dass sie diese Position benutzt, um genau diesen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat beschädigen oder beseitigen zu wollen, meine Damen und Herren. Und dieses Problem, um das es geht, müssen wir als Gesetzgeber lösen.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Diese besondere Stellung des Beamten zur staatlichen Verwaltung – und da macht der kommunale Wahlbeamte nicht nur keine Ausnahme, sondern dieses gilt ganz besonders für ihn – hebt ihn von den anderen Staatsbürgern ab, man kann auch sagen, schränkt seinen frei

heitlichen Spielraum ein. Er hat besondere Pflichten, die ein „normaler“ Bürger nicht hat, allen voran die Treue zum Staat. Aber danach zählt auch, dass er zum Dienst fähig und persönlich, also auch charakterlich zum Dienst geeignet sein muss, was seine Vorbildhaftigkeit vor anderen heraushebt. Er darf nicht vorbestraft sein und vieles mehr.

Nun kann man natürlich sagen, in so einem Fall, in dem nach einer Wahl eine Person, die gewählt wurde, nicht ernannt werden kann, in so einem Fall müssen wir noch einmal wählen lassen. Aber, meine verehrten Damen und Herren, in so einem Fall ist der Schaden für unsere Demokratie immens. Schon heute haben wir bei Landratswahlen gelegentlich eine Beteiligung von unter 30 Prozent.

(Stefan Köster, NPD: Da ist die NPD schuld, oder was? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich bin mir sicher, wenn wir mit den Bürgerinnen und Bürgern diese Problematik gründlich ausdiskutieren würden, dann würden wir zu hören kriegen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Dann würde gar keiner mehr zur Wahl gehen.)

wer gewählt ist, muss auch ernannt werden können, oder umgekehrt, wer nicht ernannt werden kann, der kann auch nicht zur Wahl zugelassen werden. Und genau das ist die Auffassung der Regierungskoalition.

Ich habe der zurückliegenden Diskussion entnommen, meine Damen und Herren, dass die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der FDP diese Position nicht teilen. Auch wir, das will ich hervorheben, wir Sozialdemokraten werden selbstverständlich mit allen anderen demokratischen Parteien und Gruppierungen dafür kämpfen, und zwar mit großem Nachdruck, dass dieser Fall, über den wir jetzt diskutieren, in unserem Bundesland niemals eintritt. Aber bei diesem Gesetzgebungsverfahren geht es um eine andere Frage. Es geht darum, wie der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern den besonderen Ausnahmefall regeln will, der wie gesagt von niemandem unter uns Demokratischen gewünscht wird.

(Stefan Köster, NPD: Mein Gott, Sie müssen ja richtig Angst haben. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende der Weimarer Zeit sind die Nationalsozialisten durch allgemeine, freie und gleiche Wahlen an die Macht gekommen.