Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende der Weimarer Zeit sind die Nationalsozialisten durch allgemeine, freie und gleiche Wahlen an die Macht gekommen.
Dann haben Sie die Demokratie als Grundprinzip staatlichen Handelns durch das Führerprinzip ersetzt.
Daraufhin sind die schlimmen Gräueltaten Zug um Zug – und wir hatten gestern den 27. Januar – in Gang gesetzt worden,
die unaussprechliches Leid über Deutschland und die ganze Weltgemeinschaft gebracht haben, auf die die Abgeordneten der NPD in diesem Hohen Hause heute stolz sind offensichtlich. Uns Demokraten in Deutschland wurde immer wieder die Frage gestellt: Wie konnte dieses geschehen? Warum habt ihr das nicht verhindert?
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es seit nunmehr 60 Jahren in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Es gibt unter uns Personen, meine Damen und Herren, die die Würde des Menschen antasten, die der Herrenideologie anhängen, wonach es bessere und niedere Menschen gibt,
die Ausländern die Menschenwürde absprechen, die in einem aggressiv kämpferischen Verhalten dieses ganze System, wie sie es nennen, beseitigen wollen, die einer Rassenideologie anhängen, die nichts, aber auch gar nichts mit diesem Grundrecht zu tun hat, welches unsere freiheitliche Demokratie konstituiert.
Auf dieses Grundrecht berufen wir, die Demokraten, uns und darauf, meine Damen und Herren, dass es Aufgabe und Verpflichtung nicht nur der politischen Auseinandersetzung, sondern vor allem auch Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist, genau dieses demokratische Grundrecht zu schützen. Der Landtag von MecklenburgVorpommern hat deshalb im Jahr 2007 in Artikel 18a die Landesverfassung ergänzt um folgenden Wortlaut, ich zitiere: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker oder der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zu stören und insbesondere darauf gerichtet sind, rassistisches oder anderes extremistisches Gedankengut zu verbreiten, sind verfassungswidrig.“
Wir haben hierzu Anlass gehabt und es als Verpflichtung für unser Land angesehen, dieses in der Verfassung für Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf Artikel 1 des Grundgesetzes klarzustellen. Und wir haben selbstverständlich in großer demokratischer Übereinstimmung viele weitere Initiativen in Parlament, Regierung und in der Öffentlichkeit auf den Weg gebracht, um die Demokratie zu stärken und den Rechtsextremismus zurückzudrängen.
Wir Koalitionsfraktionen verstehen die heutige Änderung des Kommunalwahlrechtes in diesem Artikelgesetz als einen weiteren Schritt, im Rahmen unserer Verfassungsordnung die Demokratie zu schützen und weiter zu stärken.
Meine Damen und Herren, gewiss hat diesen Weg noch niemand beschritten und, ich füge hinzu, auch noch nie beschreiten müssen. Insofern liegen auch noch keine praktischen Erfahrungen mit dieser Aufgabe bei den Wahlausschüssen in Kommunen und mit der Weitergabe von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes über die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde bei diesen vor.
Die Experten haben bei der Anhörung im Innenausschuss auf diese und auf jene praktische Hürde hingewiesen, meine Vorredner aus der FDP und von der Fraktion DIE LINKE, Frau Měšťan, ebenso. Aber eine Alternative zu diesem Weg habe ich auch in dieser heutigen Debatte nicht gehört.
Auf die Frage bei der Anhörung im Ausschuss, welche Alternative es dann gibt, wenn wir den Vorschlag der Landesregierung in diesem Gesetzentwurf fallen lassen würden, sagte Herr Professor Battis, und Herr Rechtsanwalt Ewer hat sich ähnlich geäußert, keine, keine Alternative zu diesem Weg.
Gehen Sie diesen Weg! Er ist nicht ohne rechtliches Risiko und nicht ohne praktische Probleme, aber er passt zu Ihnen und zu Ihren bisherigen parlamentarischen und administrativen Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern, zu Ihrem politischen Leitbild und besonders zu Ihrer Ergänzung in Artikel 18a der Landesverfassung.
Meine verehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten sehen dieses genauso. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche diesem Gesetzentwurf die Mehrheit in diesem Hause. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie chaotisch geht es eigentlich im Landesinnenministerium zu? Seit sieben Jahren war bekannt, dass im Jahr 2008 Landratswahlen in Ostvorpommern und Ludwigslust stattfinden würden und anderswo auch. Dass es die NPD gibt und diese vielleicht Kandidaten aufstellen könnte, war auch nicht so unwahrscheinlich. Man hätte alle Zeit der Welt gehabt, um das Kommunalwahlgesetz so abzuändern, dass die Teilnahme systemunverträglicher Bewerber zumindest zunächst einmal ausgeschlossen worden wäre. Was immer die Gerichte dazu gesagt hätten, die Verfahren könnten schon längst beendet und die letztinstanzlichen Urteile könnten schon längst gesprochen sein. Stattdessen hat das Ministerium endlos vor sich hingetrödelt. Im Frühjahr 2008 stellt es dann überrascht fest, huch, bald sind Landratswahlen in mehreren Landkreisen. Obwohl der Innenminister nicht müde wird, vor der rechten Gefahr zu warnen,
scheint er mit der Möglichkeit, die NPD könnte sich vielleicht beteiligen, gar nicht gerechnet zu haben. Aufgeweckt aus seinem Tiefschlaf appelliert er dann an die ach so unabhängigen Wahlausschüsse, wo ich unter anderem auch den Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion gesehen habe, der natürlich total unparteiisch geurteilt hat,
Kein Wort davon, dass damals Zweifel an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage bestanden, sonst wäre das neue Gesetz gar nicht nötig. Wäre er damals ehrlich gewesen, hätte er den Wahlausschüssen sagen müssen, eigentlich sind wir der Meinung, dass eine Änderung des Kommunalwahlgesetzes notwendig ist, um eine Ablehnung von NPD-Kandidaten zumindest rechtlich möglich zu machen. Es gibt da Mängel, die abgestellt werden müssen, um Verbesserungen zu machen. Leider haben wir den Landratswahltermin verpennt, sodass die Gesetzesänderung nicht mehr rechtzeitig wirksam werden kann. Bedenken Sie das bitte bei Ihrer Entscheidung, meine lieben politischen Freunde im Landeswahlausschuss.
Stattdessen ließ Herr Caffier die Öffentlichkeit glauben, die vorhandenen Gesetze wären absolut geeignet für den Zweck, die Kandidatenliste in seinem Sinne zu säubern. Jetzt heißt es plötzlich, es gibt keine Alternative zu einer Gesetzesänderung. Wozu eigentlich? Alles in bester Ordnung, hieß es damals.
Zur Erinnerung: Die Landratswahlen waren im Mai 2008. Überall, nur nicht im Innenministerium, war auch bekannt, dass im Juni 2009 Kommunalwahlen abgehalten werden würden, zu denen auch die Abstimmung über ehrenamtliche Bürgermeister gehören würde. Wiederum jede Menge Zeit für Gesetzesänderungen, aber das Innenministerium blieb sich treu. Im allerletzten Moment fällt der Blick des Innenministers auf den Kalender und siedendheiß durchfährt es ihn, bald sind Kommunalwahlen. Alle fünf Jahre finden die statt,
die letzen waren im Mai 2004. Wann wäre wohl mit den nächsten zu rechnen gewesen? Und auf einmal ist nicht mehr wahr, was man gerade noch verkündet hat, dass Paragraf 61 Kommunalwahlgesetz in der alten Fassung in Verbindung mit Paragraf 8 Landesbeamtengesetz eine zureichende Rechtsgrundlage für den Ausschluss von NPD-Bewerbern darstellen würde, was man immer behauptet hat. Interessant ist dabei, dass die Landesregierung bei ihren Nachbesserungen Kritikpunkte aufgreift, die NPD-Bewerber bei ihren Anhörungen vor den Wahlausschüssen vorgebracht haben. Unter anderem haben wir darauf hingewiesen, dass diese Gremien gar nicht über die Qualifikation verfügen und die Information und die Zeit, um die vom Gesetz und von der Rechtsprechung geforderte individuelle Prüfung der Bewerber vorzunehmen.
Die mangelnde Verfassungstreue eines Kandidaten für den öffentlichen Dienst kann nicht einfach aus seiner Parteimitgliedschaft gefolgert werden, nicht einmal, wenn er bei der LINKEN ist. Vielmehr ist aufgrund einer Vielzahl von Fall zu Fall wechselnder individueller Beurteilungselemente ein prognostisches Urteil über die Persönlichkeit zu erarbeiten. Das kann nur die Personalabteilung einer Behörde und nicht irgendein Wahlausschuss. Dazu reichen ein paar Zeitungsausschnitte mit ein paar Äußerungen und wenige Tage Zeit nicht aus. Wenn ein Bewerber für den öffentlichen Dienst nachweisen könnte, dass sein Fall so schlampig und oberflächlich bearbeitet wurde, wie der Wahlausschuss und die Wahlausschüsse das bei den Kandidaten der NPD gemacht haben, hätte er vor Gericht gute Chancen, seine Einstellung einzuklagen.
Das soll nun nachgebessert werden. Jetzt sollen die Wahlausschüsse mehr Zeit für die Prüfung erhalten und die Zuarbeit der Rechtsaufsichtsbehörde, letztlich also des Innenministeriums. Nett, dass wenigstens einige der kleineren Mängel dank der entsprechenden Hinweise der NPD abgestellt werden. Das war uns eine Ehre.
Aber erstens geschieht dieses alles wieder einmal auf den letzten Drücker. Lesungen des Gesetzentwurfs und die Verkündung müssen im Eiltempo durchgepeitscht werden und kommen doch so spät, dass Wahlleiter im ganzen Land schon in ernsthafte Terminschwierigkeiten geraten, obwohl jede Menge Zeit war, und zweitens verbleiben immer noch erhebliche rechtliche Bedenken. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat zwar in erster Instanz, wie der Innenminister sagte, gegen mich entschieden, aber mit einer Begründung, die in höheren Instanzen ganz andere Urteile zulässt. Es gibt im Verfassungsrecht etwas, was sich praktische Konkordanz nennt. Damit bezeichnet man die Abwägung verschiedener Grundrechte gegeneinander.
Ein Eingriff in die Glaubensfreiheit kann gerechtfertigt sein, wenn die Ausübung der Religion die Meinungsfreiheit eines anderen verletzt und Letzteres als schwerwiegender angesehen wird. Beim Ausschluss von NPDBewerbern von Bürgermeister- oder Landratswahlen wurden Wahlrechtsgrundsätze gegeneinander abgewogen. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat in seinem Urteil eingeräumt, dass meine Nichtzulassung zur Landratswahl in den Grundsatz der allgemeinen Wahl eingreife. Da ich nicht antreten durfte, mir also das passive Wahlrecht entzogen wurde, war die Wahl nicht mehr allgemein.
Hätte ich aber antreten dürfen, so das Gericht weiter, wäre der Grundsatz der gleichen Wahl verletzt worden. Denn da ich nach gewonnener Wahl, so schreibt das Gericht, wegen meiner mangelnden Linientreue voraussichtlich nicht verbeamtet werden würde, fielen die Stimmen meiner Wähler gleichsam unter den Tisch. Lieber eine Partei, die an der 5-Prozent-Hürde scheitert. Der Erfolgswert dieser Stimmen wäre geringer als der der anderen, sodass die Wahl nicht gleich wäre. Außerdem fürchtete das Gericht um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, wenn ich ständig die Wahl gewinne und mir dann immer wieder die Verbeamtung verwehrt würde, steht so im Urteil.
Bei der Abwägung von allgemeiner Wahl einerseits und gleicher Wahl andererseits plus Funktionsfähigkeit der Verwaltung hat das Gericht zu ungunsten des allgemeinen Wahlrechts entschieden. Aber gerade solche verfassungsrechtlichen Abwägungen haben es an sich, dass ein anderes Gericht das auch ganz anders sehen kann. Es kommen noch zwei Instanzen, Ober- und Bundesverwaltungsgericht, dann ist Verfassungsbeschwerde möglich. Und da es für NPD-Bewerber einfach ist nachzuweisen, dass sie durch das neue Gesetz hier unmittelbar selbst und gegenwärtig betroffen sind, können sie dagegen gleich direkt Verfassungsbeschwerde erheben.
Das allgemeine Wahlrecht ist ein hohes Gut. Dass es letztendlich schwerer wiegt, kann durchaus vom Bundesverfassungsgericht so gesehen werden, und auch, dass es …
… dem Wähler überlassen bleiben sollte, für wen er sich entscheidet, ohne dass eine selbsternannte Inquisition ihn entmündigt, indem sie eine Vorauswahl trifft. Das erinnert an die Kindersicherung am Fernsehapparat, durch die einige Programme gesperrt werden. Aber die Wähler sind erwachsene Menschen und haben auch dem Innenministerium gegenüber einen Anspruch darauf, so behandelt und nicht bevormundet zu werden.
Für die NPD birgt die Sache keine Risiken. Bei einem verlorenen Prozess können wir immer mit Recht sagen, die Justiz ist eben von lauter Parteibuchinhabern unserer Gegner durchsetzt.
Die ein paar Tausend Gerichtskosten kriegen wir auch noch zusammen und wir haben jede Menge kostenlose Propaganda.