Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Auf der ersten Sitzung des Konjunkturrates wurde die Absicht der Landesregierung bekundet, es dem Bund gleichzutun und die beschränkte Ausschreibung bis zu einem Auftragswert von 1 Million Euro anzuwenden, und das ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb. Und das sieht dann so aus: Es werden fünf bis sieben Firmen aufgefordert, ihr Angebot abzugeben. Es sollen hauptsächlich Firmen aus der Region ihre Angebote abgeben, aber das wird in Mecklenburg-Vorpommern bei Auftragswerten bis zu 1 Million Euro schon schwierig.

Sehen Sie sich die Betriebsstrukturen und die knappe Eigenkapitaldecke der hiesigen Unternehmen an. Ein Beispiel: Wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von acht Prozent vom Auftragswert geleistet werden muss, ist die Handlungsfähigkeit der Baufirma erschöpft. Wenn bei 1 Million Auftragswert 80.000 Euro in bar hinterlegt oder durch eine Bankbürgschaft gesichert werden müssen, fehlt dieses Geld für Material, das vorgehalten werden muss. So konkret ist die Wirklichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Jede Baufirma hat zwar ein kleines Materialkontingent bei den Baustoffhändlern, aber wer mehr braucht, kommt nur vom Hof gegen Barzahlung. Und der Materialanteil macht im Schnitt die Hälfte des Auftragswertes aus. Deshalb ist bei einer Erhöhung der Wertgrenze für beschränkte Vergabe zu befürchten, dass überregional agierende Baufirmen oder Bauholdings mit guter Kapitaldecke den Zuschlag erhalten. Die hiesigen Kleinstbetriebe werden dann weiter wie seit Jahren schon als Subunternehmen angeheuert.

Und noch eine Anmerkung zur Leiharbeit: Leiharbeit ist in der Baubranche im Allgemeinen verboten, aber sie findet in verdeckter Form dennoch statt, beispielsweise durch den Einsatz von Subunternehmen oder manchmal auch in Form von Scheinselbstständigkeit. Personalpolitik in der Baubranche mit Fremdpersonal gilt als normal. Meine Adressaten für diesen Antrag sind die Bauhandwerker und die baugewerblichen Kleinstunternehmer, denn diesen nützt eine Anhebung der Wertgrenze bei

beschränkter Ausschreibung nichts. Deshalb ist diese Option auch nicht Gegenstand meines Antrages.

Nun noch weitere Gründe, die für die beantragte Änderung des Wertgrenzenerlasses sprechen:

Erstens. Unser Land muss nicht warten, bis das Konjunkturpaket II durch Bundestag und Bundesrat abgesegnet wird und die Mittel tatsächlich verteilt wurden. Auf Kommunal- und Landesebene gibt es schließlich auch planmäßige Bauarbeiten, sei es nun im Werterhaltungsbereich oder im Neubau. Dort könnte eine vereinfachte Vergabe von Bauaufträgen sofort wirken.

Zweitens. Wie schon erwähnt, sind für beschränkte und öffentliche Vergabe Unterlagen notwendig, für die ein entsprechender Planungsvorlauf gebraucht wird. Bei freihändiger Vergabe könnten die zur Angebotsabgabe aufgeforderten Betriebe auch selbst den Leistungsumfang ermitteln und Angebote abgeben. Damit könnten auch die Kommunen, die eben nicht fertige Projekte aus der Schublade ziehen können, profitieren.

Zum Punkt 2 meines Antrages will ich noch betonen, laut aktueller Städtebauförderrichtlinie können die Rechnungen vor Anforderung der Zuwendungen beim Landesförderinstitut schon bezahlt worden sein, müssen sie aber nicht. Wie lebensfremd ist das eigentlich? Einerseits kann sich jeder bei der Haushaltslage der Kommunen an den Fingern abzählen, dass die meisten Kommunen, selbst wenn sie wollten, nicht in Vorleistung gehen können, andererseits ist es geradezu ein Aufruf an die Zuwendungsempfänger, mit der Bezahlung der Rechnung an die Handwerker noch zu warten, bis das Geld vom Landesförderinstitut eingetroffen ist. Außerdem werden überwiegend Kleinstaufträge abgearbeitet, sodass manchmal Wochen vergehen, bis der Mindestabrufwert von 20.000 Euro erreicht wird.

Und in Richtung Landesregierung, den Vergabestellen sollten nachfolgende Hinweise zur Handhabung gereicht werden:

Erstens. Bei Auftragswerten bis zu einer Bagatellgrenze von beispielsweise 1.000 Euro sollte man nicht mindestens drei Firmen um Angebote bitten, sondern einen Handwerker.

(Michael Roolf, FDP: Oh, oh, oh!)

Der Aufwand für die Bieter, sich vor Ort über Inhalt und Umfang der vorgesehenen Arbeiten zu informieren, steht in keinem Verhältnis zum Auftragswert.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Mann, Mann, Mann!)

Zweitens. Nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen ist es durchaus möglich, auch auf eine Sicherheitsleistung zu verzichten, insbesondere dann, wenn der Auftragnehmer bekannt ist. Und das trifft für ortsansässige Firmen sehr wohl zu.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Oh, oh, oh!)

War es bisher schon schwer, eine Bankbürgschaft zu erhalten, dürfte dies angesichts der Krise nicht leichter geworden sein.

Drittens. Angesichts der geringen Eigenkapitaldecke sollten sich die Auftraggeber von sich aus auf regelmäßige Abschlagszahlungen einrichten.

Viertens. Eine exakte Statistik muss geführt werden, um jederzeit die Kontrolle darüber zu haben, dass kein Unternehmen bevorzugt oder benachteiligt wird, Angebote abgeben zu dürfen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich appelliere an die Vergabestellen, sehr verantwortungsvoll zu agieren. Ich will nicht verhehlen, dass es durchaus Unsicherheiten gibt, ob man überhaupt das Vergaberecht lockern sollte. Deshalb sollte dies auch nur zeitlich begrenzt erfolgen. Das hatte ich bei meiner Einbringung ja erwähnt. Die Vergabestellen haben es in der Hand, durch Umsicht und hohe Transparenz sicherzustellen, dass nicht einer Vetternwirtschaft Tür und Tor geöffnet wird. Ich meine, wir müssen dieses Risiko eingehen und gegensteuern, wenn es aus dem Ruder läuft. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Wohl der Bauwirtschaft am Herzen liegt. Wie die Diskussion jetzt abgelaufen ist, entnehme ich, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Ich kann Ihnen sagen, ich kann nur mein volles Unverständnis dafür zum Ausdruck bringen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

denn das wäre eine vernünftige Reaktion in der jetzigen Situation.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Lück.

Es hat noch einmal der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern um das Wort gebeten. Herr Wirtschaftsminister, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, ich will mich nur ganz kurz zu Wort melden.

Frau Lück, bei aller Freundschaft, wir können uns hier ja gute Vorschläge machen, das ist alles in Ordnung. Nur ich muss dem Vorschlag vehement widersprechen, den ich jetzt gerade gehört habe, bei beschränkter Ausschreibung am besten nur einen zu beteiligen. Das ist dann keine beschränkte Ausschreibung, das ist mehr oder weniger freihändige Vergabe.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Eben, eben. Das ist Schummelei!)

Insofern folgen wir dem Vorschlag, den uns die Wirtschaft gemacht hat, der heißt: Nutzt die Möglichkeiten, die das Bundesrecht euch im Paket II jetzt gibt, aber schafft auch größtmögliche Transparenz. Und dabei bleibe ich. Das Ganze hat durchaus zwei Seiten, das will ich gar nicht verhehlen, aber ich muss mich deutlich gegen solche Vorschläge wenden, wie Sie sie hier gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Regine Lück, DIE LINKE: Lesen Sie in Ruhe noch mal nach!)

Um das Wort hat noch mal Herr Holter von der Fraktion DIE LINKE gebeten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beschränkte Ausschreibung hat natürlich mit mehreren Dingen zu tun, nicht mit einem, das ist ganz klar. Aber ich will die Gelegenheit nutzen, nachdem Herr Seidel hier gesprochen hat, die mir zur Verfügung stehende Zeit zu verwenden, um einige Dinge klarzustellen.

Normales Verfahren ist, dass 14 Tage vor der Landtagssitzung alle Fraktionen ihre Anträge abgeben. Nie

mand weiß von dem anderen, welche Anträge gemacht werden. Das, glaube ich, ist erst einmal die Normalität. Frau Schildt, Sie haben einen Antrag eingebracht, der die Konjunkturpakete unterstützen soll und auf zügige Umsetzung in Mecklenburg-Vorpommern setzt. Wir halten das für einen Schaufensterantrag. Wir halten das für überflüssig, deshalb haben wir ihn abgelehnt. Wir haben in der Debatte sehr wohl gesagt, dass wir dafür sorgen müssen, dass diese Maßnahmen zügig umgesetzt werden.

Herr Waldmüller, Sie haben vollkommen recht, und ich habe dazwischengerufen, dass es mir nicht darum geht, ob der Wirtschaftsminister aufgrund unseres Antrages im Konjunkturrat diese Frage mit dem Wertgrenzenerlass aufgerufen hat. Also hier geht es nicht um Copyright oder wer ist Hase und wer ist Igel. Wichtig ist, dass wir an dem Wertgrenzenerlass arbeiten und ihn verändern.

Deswegen will ich das Unverständnis meiner Kollegin Regine Lück – und es ist ihre Initiative und es ist unser Antrag, der hier eingebracht wurde – noch mal zum Ausdruck bringen. Ich verstehe Sie einfach nicht, hier geht es um ganz konkrete Vorschläge, wie wir in einer Krise, aber nicht nur in einer Krise das Bauhandwerk und die Bauindustrie unterstützen können. Warum Sie diesen Antrag jetzt ablehnen, obwohl er einen ganz konkreten Aspekt dessen erfasst, was Sie angeblich auch mit Ihrem Globalantrag erfassen wollen, das erschließt sich mir nicht. Ich frage mich, warum Anträge der Opposition, die tatsächlich einen guten Inhalt haben und einen Beitrag leisten, damit die Wirtschaft vorangebracht werden kann, von Ihnen als Koalition abgelehnt werden. Das ist einfach unverständlich und auch ein Stück Überheblichkeit. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Macht. – Ute Schildt, SPD: Das ist Wissen, nicht Macht. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Danke, Herr Holter.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2148. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2148 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und Ablehnung der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und NPD abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Keine Verjährung für Sexualstraftaten, Drucksache 5/2152.

Antrag der Fraktion der NPD: Keine Verjährung für Sexualstraftaten – Drucksache 5/2152 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Lüssow von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie hatten jetzt zweimal die Gelegenheit in diesem Hause, sich deutlich zum Opferschutz in diesem Land zu bekennen. Die NPD-Fraktion hat in den letzten zwei Jahren zwei Vorstöße unternommen, damit unsere

Kinder vor sexuellen Übergriffen geschützt werden können.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Sie hatten zweimal die Möglichkeit, einem Zentralregister zuzustimmen, das für die Kinder Sicherheit bedeutet hätte, für die Eltern Ruhe und für pädagogische Einrichtungen Verlässlichkeit. Zweimal haben Sie sich mit Ihrem kleinkarierten parteipolitischen Getue hier hingestellt

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Weil es falsch ist, weil es einfach falsch ist.)

und die Vorschläge unserer Fraktion abgelehnt, weil sie von der NPD kommen.