Also nächster, sozusagen letzter Punkt. Sie haben das Gespür, ohne Zweifel wie wir alle, für ein richtiges Thema gehabt, aber aus Ihrem Antrag wird deutlich, dass Sie gar nicht wissen, was wir machen sollen. Und das ist auch nicht schlimm, das ist ein schwieriges Thema. Nur,
was macht eigentlich ein Parlamentarier, wenn er noch nicht ganz genau weiß, wie die Problemlage ist?
(Hans Kreher, FDP: Dann geht das in den Ausschuss, dann geht das in den Ausschuss. – Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)
Was macht ein Parlamentarier, wenn er noch nicht ganz genau weiß, wie die Problemlage ist, wie Lösungen aussehen könnten? Dann macht er eins auf alle Fälle nicht, er beauftragt nicht die Regierung, irgendetwas zu tun, sondern er macht das, was die Koalitionsfraktionen gestern getan haben. Er beantragt eine nicht öffentliche Anhörung zum Thema „Zukunft der Lehrerbildung“ beziehungsweise „Situation der Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern“. Unser Vorschlag ist, dass wir uns im Ausschuss von den Betroffenen überhaupt erst mal anhören, wie sie die Problemlage einschätzen. Und wenn wir uns dann einen vernünftigen Überblick verschafft haben über die Sachlage, macht es auch Sinn, einen Antrag an die Regierung zu stellen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Die frohe Botschaft zuerst: Ihr Antrag ist von der Landesregierung schon erhört worden. In den „Lübecker Nachrichten“ vom Mittwoch kündigt der Ministerpräsident die Einrichtung einer Arbeitsgruppe an, ich zitiere, „die nach Wegen suchen soll, den Lehrerberuf in Mecklenburg-Vorpommern attraktiver zu machen.“ Ende des Zitats.
Die schlechte Botschaft ist, dass damit die Begründung für die Ablehnung Ihres Antrages auch schon vorliegt. Sie lautet wie immer: Das macht die Regierung schon. Es bedarf dieses Antrages nicht.
Auch wir werden einer Überweisung dieses Antrages nicht zustimmen und ich versuche, das jetzt nachfolgend darzustellen.
Das Problem des bevorstehenden Mangels an Lehrkräften ist nicht neu. Ein bisschen erinnert mich die Diskussion zum Lehrermangel an die Diskussion zu den zurückgehenden Schülerzahlen am Anfang der 90er-Jahre und ich möchte es Ihnen einfach ins Stammbuch und in Ihre Geschichtsentwicklung sozusagen einschreiben. Es gab damals eine Stundentafelreduzierung in Größenordnungen, die zu 4.600 Entlassungen im Schuldienst führte,
vor allem junge Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes betraf. Das war die CDU-FDP-Koalition, der Sie damals angehörten, und es war sozusagen absehbar, welche Folgen diese Entscheidung
Es war also lange vorher abzusehen, wie sich auch diese demografische Entwicklung der Kinder entwickeln wird. Das wollte damals nicht jeder wirklich wahrhaben, der in Verantwortung war.
Und erst in der 2. Legislaturperiode, in der Großen Koalition aus SPD und CDU, gab es dann das Lehrerpersonalkonzept. Mit dem wurde dann auf diese sich vollziehende Entwicklung reagiert. Wir hatten damals als Fraktion kritisiert, dass mit dem Lehrerpersonalkonzept aus unserer Sicht mehr Stellen abgebaut werden sollen als erforderlich. Es wäre möglich gewesen, die Stundentafeln wieder aufzustocken, Zusatzaufgaben hätten vergütet werden können. Das hätte zwar mehr Geld gekostet, aber es hätte auch für mehr Beschäftigung gesorgt. Aber das sollte nicht so sein. So viel zu Ursachen und Wirkungen, so, wie sie sich heute eben auch darstellen.
Trotzdem, in der Tat, das Problem ist da, wir brauchen ohne Zweifel eine Lösung und diese Lösung brauchen wir relativ zügig. Die von Ihrer Fraktion, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, im Antrag genannten Schwerpunkte sind allerdings sehr allgemein und führen aus unserer Sicht nicht in die richtige Richtung. Herr Brodkorb hat darüber schon geredet. Sie zielen vor allem auf die Steigerung der Motivation von Lehrkräften und Deregulierung. Und ich konnte mich beim Lesen des Eindrucks nicht erwehren, dass es im Kern darum geht, über diesen Weg die Schulen weiter zu liberalisieren, Herr Leonhard hat es im Tagesordnungspunkt davor deutlich erklärt, das Lehrerpersonalkonzept als Solidarkonzept der Lehrerinnen und Lehrer abzuschaffen
weil sich damit das Problem überhaupt nicht lösen lässt. Es wird nur auf eine andere Ebene verlagert, Herr Kreher. Schulen dürfen eben nicht einem ungezügelten marktliberalen Wettbewerb ausgesetzt werden. Ein solcher Wettbewerb würde zudem die Situation der Lehrkräfte nicht verbessern, sondern sie massiv verschlechtern.
Der Mangel an Lehrkräften ist ein bundesweites Problem. Wenn gestern und heute die Kultusminister bei uns im Lande dazu tagen, dann macht das dies auch deutlich. Das macht natürlich Lösungen für unser Land auch nicht unbedingt einfacher. Und es gibt so manche Problem
lagen, die sich auch in Ost- und West-Problemen darstellen. Es gibt eben noch Unterschiede in der Bezahlung zwischen Ost und West, es gibt auch Unterschiede in der Eingruppierung in den entsprechenden Entgeltgruppen. Im Westen werden die Lehrkräfte zumeist verbeamtet, die Finanzkraft vieler westlicher Bundesländer ist in den meisten Fällen höher und eröffnet den dortigen Landesregierungen viel größere Spielräume.
In den alten Bundesländern ist Teilzeit eher eine Ausnahme. Wir haben also in Mecklenburg-Vorpommern ziemlich schlechte Karten. Und hinzu kommen die massiven und hoch egoistischen Werbekampagnen, die zulasten aller neuen Bundesländer gehen, nicht nur Mecklenburg-Vorpommerns. Aber es ist so, wie es ist, selbst wenn die Kultusminister heute in Stralsund eine Befriedung verkünden.
Es zeigt sich hier wiederum, dass der Föderalismus im Bildungswesen Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Wir können also unter den gegebenen Bedingungen nur mit eigenen Komponenten, mit eigenen Konzepten reagieren und das mit eigenen Mitteln des Landes umsetzen. Ja, ein längerfristiges Programm für die Sicherung des Bedarfs an Lehrerinnen und Lehrern in diesem Land muss ziemlich schnell auf den Tisch. Eine Beschränkung nur auf junge Lehrkräfte greift zu kurz.
Es muss den gesamten Lehrkörper berücksichtigen und über das magische Jahr 2020 hinausgehen, denn Mitte der 20er-Jahre werden wir erneut einen relativ großen Schülerrückgang in diesem Lande haben. Das Programm muss aus unserer Sicht neben mittel- und langfristigen Maßnahmen auch Sofortmaßnahmen berücksichtigen, aber es müssen solche Dinge sein, die das Land auch selbst gestalten und lösen kann.
Erstens wäre da natürlich die Verbesserung der Bedingungen von Studierenden und Referendaren. Die Überlast in der Lehrerausbildung bei uns im Land ist sichtbar. Gehen Sie an die Universitäten, gucken Sie sich die Hörsäle, gucken Sie sich die Seminarräume an!
Was spricht im Übrigen dagegen, zusätzlich Stipendien für Studierende mit Lehramt aus Landesmitteln zu vergeben oder das BAföG landesseitig sozusagen zusätzlich aufzustocken? Auch Stipendien analog dem Meister-BAföG für Seiteneinsteiger, die eine pädagogische Zusatzqualifikation erwerben wollen, wären denkbar. Auch die Erhöhung der Vergütung der Referendarinnen und Referendare wäre eine Variante. In diesen Fällen wäre es möglich, diese Sonderzahlung mit einer Verpflichtung zu einer Aufnahme einer Tätigkeit in unserem Land zu koppeln, auch zeitlich befristet. Die Leerlaufzeit vom Referendariat bis zur Übernahme in die Schulen ist aus unserer Sicht abzuschaffen. Die Referendariatszeit könnte unter Beachtung der hochschulrechtlichen Vorschriften verkürzt werden. Und auch, wenn ich weiß, dass ich mich damit im Widerspruch zu den Gewerkschaften befinde: Warum nicht ein Vollzeitangebot für junge Lehrkräfte? Das wäre sicherlich denkbar. Aber der Vorschlag einer Teilverbeamtung nur für junge
Lehrkräfte, das, so, wie das der Minister im „Nordmagazin“ vorgeschlagen hat, ist mit Verlaub eine Schnapsidee.
Zweitens. Die Angebote von Lehramtsstudiengängen an Universitäten des Landes müssen am Bedarf ausgerichtet sein und durch ihre Attraktivität Studierende aus dem eigenen Bundesland und anderen anziehen. Bleibt die Lehramtsausbildung weiter Bestandteil der alleinigen Hochschulautonomie oder müssen wir nicht wieder mehr Landeseinfluss auf die Frage der Lehrerausbildung gesetzlich im Hochschulgesetz regeln?
Das angekündigte Lehrerbildungsgesetz muss den perspektivischen Anforderungen entsprechen und vielfältigere Einsatzmöglichkeiten sicherstellen. Auch über die Zweckmäßigkeit der bisherigen Einteilung in starre Lehrämter wäre in diesem Zusammenhang sinnhaft zu diskutieren.
Drittens geht es um die Festsetzung eines verbindlichen Endtermins für das Ende der Teilzeitregelung nach dem jetzigen Lehrerpersonalkonzept. Die jetzige Ankündigung, im Jahre 2014 einen Beschäftigungsumfang von 80 Prozent zu haben, ist auch ein wesentlicher Grund für die Abwanderung, und nicht nur von jungen Lehrerinnen und Lehrern.
Eine weitere Möglichkeit für die Bindung an das Land ist die Änderung der Beförderungspolitik. Wer sich die Antwort auf meine Kleine Anfrage auf Drucksache 5/2174 ansieht, erkennt das Dilemma. Es gab in den Jahren 2006, 2007 und 2008 sage und schreibe 216 Aufstiege beziehungsweise Beförderungen im gesamten Bereich aller Lehrkräfte in allgemeinbildenden Schulen, Beruflichen Schulen und bei den PMSA.
Und was die Arbeitsbedingungen betrifft, gibt es ebenfalls Handlungsbedarfe. Nach wie vor muss für jede Stunde im Rahmen der Ganztagsschule eine zusätzliche Stunde unentgeltlich geleistet werden. Aufsichtspflicht zählt nicht als Arbeitszeit. Und schon heute ist klar, dass mit der Einführung der Selbstständigen Schule ein zusätzlicher Arbeitsaufwand entsteht, der mit der schülerbezogenen Stundenzuweisung, dieser sogenannten Flatrate, nicht annähernd abgedeckt ist. Das heißt im Klartext: Mehrarbeit für Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land ohne Vergütung. Es könnte die Ankündigung im Rahmen der Pflichtstundenerhöhung umgesetzt werden, die besagt, dass, wenn es dem Land finanziell wieder besser geht, die damalige Erhöhung wieder zurückgenommen wird. Ich sage dies ausdrücklich an meine Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der SPD, da wir diese Zusage damals gemeinsam gegeben haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele der genannten Vorschläge sind durch politische Entscheidungen des Landes umsetzbar. Entscheidend ist wie immer die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln. Mit der Diskussion um den neuen Doppelhaushalt wird es deshalb die Nagelprobe geben, wie ernst es die Landesregierung und ihre neue Arbeitsgruppe meint, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Abwanderung stoppen und die auch die Arbeitsbedingungen derjenigen verbessern, die hier bei uns im Lande bleiben. Mit Blick jedenfalls auf die Bedeutung des Berufsstandes der Pädagoginnen und Pädagogen für die kommenden
Generationen ist das Geld immer gewinnbringend investiert. Das unterscheidet sie in der Tat von vielen Banken. Es ist wohl schwer zu begründen, warum wir Zockern mit Milliarden an Steuergeldern aus der Klemme helfen und danach zu Sparsamkeit aufrufen, wenn es um die Bildung geht.
Also, meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass natürlich durch die Landesregierung, durch das Parlament entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet werden müssen, die den gesamten Komplex berücksichtigen. Eine Liberalisierung, so, wie es in Ihrem Antrag das Thema ist, sozusagen als Überschrift, halten wir für die grundsätzlich falsche Richtung, denn die Frage der Umsetzung des bisherigen Lehrerpersonalkonzepts war eine große, sozial gerechte vereinbarte Maßnahme, die für Beschäftigung der in diesem Bereich Tätigen gesorgt hat. Und wenn Sie jetzt meinen, das Lehrerpersonalkonzept aufkündigen zu wollen, ich habe Ihnen das schon mehrfach erklärt, dann würde es automatisch gemäß bundesdeutschem Recht und Arbeitsrecht wieder dazu führen, dass zuallererst junge Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden müssten. Das ist doch aber etwas, was wir alle gemeinsam nicht wollen. Deswegen vergessen Sie nun endlich ein für alle Mal Ihre Forderung der Abschaffung des Lehrerpersonalkonzepts!