Protokoll der Sitzung vom 06.03.2009

Also, meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass natürlich durch die Landesregierung, durch das Parlament entsprechende Maßnahmen in die Wege geleitet werden müssen, die den gesamten Komplex berücksichtigen. Eine Liberalisierung, so, wie es in Ihrem Antrag das Thema ist, sozusagen als Überschrift, halten wir für die grundsätzlich falsche Richtung, denn die Frage der Umsetzung des bisherigen Lehrerpersonalkonzepts war eine große, sozial gerechte vereinbarte Maßnahme, die für Beschäftigung der in diesem Bereich Tätigen gesorgt hat. Und wenn Sie jetzt meinen, das Lehrerpersonalkonzept aufkündigen zu wollen, ich habe Ihnen das schon mehrfach erklärt, dann würde es automatisch gemäß bundesdeutschem Recht und Arbeitsrecht wieder dazu führen, dass zuallererst junge Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden müssten. Das ist doch aber etwas, was wir alle gemeinsam nicht wollen. Deswegen vergessen Sie nun endlich ein für alle Mal Ihre Forderung der Abschaffung des Lehrerpersonalkonzepts!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen!

Sehr guten Morgen, Frau Lehrerin! Sehr guten Morgen, Herr Lehrer! Sehr guten Morgen, sehr geehrte Kollegen! Auch schon wach? Eigentlich muss man den BadenWürttembergern ja dankbar sein, dass es ihnen gelungen ist, das Thema Lehrerinnen und Lehrer so in der Öffentlichkeit zu platzieren, dass es tatsächlich überall öffentlich, also breit in der Gesellschaft ankommt und diskutiert wird. Die süddeutsche Werbekampagne könnte als witzig durchgehen, aber vielen Lehrern ist beim Versuch des Lachens einmal mehr bewusst geworden, wo die Unterschiede und Probleme liegen – hausgemacht, sowohl bei uns im Land Mecklenburg-Vorpommern als auch in der ganzen Bundesrepublik.

Heute und hier fällt uns auf die Füße, was in den vergangenen Jahren in der Bildungspolitik in MecklenburgVorpommern nicht angepackt wurde. Heute und hier fällt uns in ganz Deutschland auf die Füße, was die Länder nicht geschafft haben, gemeinsam zu koordinieren, zu planen und zu bedenken. Potenzieller Nachwuchs ist jahrelang mit Gehaltskürzungen und Schmähreden gegen unsere Pauker verschreckt worden. Einstellungen gab es nur nach Haushaltslage. Problemlösungen wurden regelmäßig in die Zukunft verschoben. Die Pensionierungswelle hat man tatenlos auf sich zurollen lassen. Lehrerkollegien wurden nicht verjüngt, Lehrer wurden praktisch nicht eingestellt. Auch in Mangelfächern ist Teilzeit auf der Tagesordnung. Reduzierte Stellen wurden per Konzept verordnet. An Stellschrauben wie Klassen

stärken oder Stundenkontingent wurde gedreht, ohne langfristig personelle Konsequenzen zu beachten.

Nun können wir weiter darüber lamentieren, aber das ist nicht unsere Art, die Probleme anzupacken. Ich bin Bildungsminister Henry Tesch sehr dankbar, dass er bereits im Herbst des letzten Jahres als Erster mehr als deutlich auf die Notwendigkeit geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung drohenden Lehrermangels in unserem Land hingewiesen hat. Und ich kann der „Schweriner Volkszeitung“ vom 27.02. nur recht geben, wenn sie feststellt: „Als Schulleiter weiß Tesch, es ist höchste Zeit. Aber er ist der erste Bildungsminister in MV, der das Problem anpackt.“

Weit bevor die durch Baden-Württemberg losgetretene Debatte öffentlich Raum gegriffen hat, machte der Bildungsminister unseres Landes darauf aufmerksam, dass wir dringend ein Personalentwicklungsprogramm für die Lehrer brauchen. Klare Analyse, klare Antwort, weit weg vom Zeitgeist und politischer Sensationslust und dem Schielen auf Wahlergebnisse. Das, was wir wirklich brauchen, geht über den Antrag der FDP hinaus. Der Bildungsminister hat öffentlich ein Junglehrerprogramm gefordert. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er im Herbst dafür gelobt oder in seinen Bemühungen unterstützt wurde. Mit Lob in der Politik ist es ohnehin eine seltsame Sache.

Ihr Antrag von der FDP ist leider auch keine wirkliche Unterstützung. Er ist mir etwas zu dürftig, er ist einfach zu kurz gesprungen. Deshalb werden wir ihn heute auch ablehnen. Auf der politischen Tagesordnung steht doch nicht die Liberalisierung eines vorhandenen, auskömmlichen Lehrerpersonalmanagements. Es geht um viel mehr. Es geht um ein zeitgemäßes Programm zur Bewältigung manifester Personalprobleme. Wir reden hier nicht mehr, aber auch nicht weniger über die Zukunft des Berufsstandes der Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land. Wir reden hier nicht mehr und nicht weniger auch über die Entwicklungschancen und Bildungschancen unserer Kinder, die stark von der Qualifikation und der Qualität der künftigen Lehrerinnen und Lehrer abhängt, und nicht zuletzt über die Zahl junger Lehrer, die uns angesichts anstehender Pensionierungen in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen müssen und die vorhandenen Stellen besetzen müssen.

Unsere Aufgabe ist viel größer. Es geht wieder einmal um grundsätzliche Fragen, welchen Stellenwert wir der Bildung in unserem Land beimessen und wie wir mit denjenigen umgehen, die die Hauptlast täglich tragen. Wir müssen weiter springen, wir müssen uns heute die entscheidenden Weichenstellungen vornehmen. Wir müssen geeignete Strategien der Nachwuchsgewinnung finden und mit einem in die Zukunft gerichteten Personalentwicklungskonzept für die Lehrer Vorsorge treffen.

(Udo Pastörs, NPD: Binsenweisheit.)

Wir müssen quantitativ und qualitativ die Unterrichtsversorgung auch in den nächsten Jahren sichern, und zwar an allen Schulstandorten in der gesamten Fläche unseres Landes.

(Hans Kreher, FDP: Das ist aber auch sehr all- gemein: Wir müssen, wir müssen, wir müssen. Nicht: Wir wollen?! Wir müssen, wir müssen!)

Warten Sie doch ab! Wir reden ja noch ein wenig. Ich komme noch dazu, Herr Kreher.

Wir müssen zugleich darauf achten, dass die Balance zwischen Lehrernachwuchs und bewährten Lehrern gewahrt bleibt. Wir brauchen neue Ideen ebenso wie die Erfahrung der im Dienst befindlichen Lehrer/-innen. Wir brauchen die einen und die anderen. Wir wollen keinen verprellen. Angesichts der verschiedenen Aktivitäten verschiedener Bundesländer sind wir auch gehalten, so attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten, dass die mobil ortsunabhängigen jungen Lehrer nach ihrer Ausbildung in unserem Land bleiben. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Würdigung dieses Berufsstandes, bei dem wir nicht müde werden, und das alle zusammen, ihm in politischen Sonntagsreden immer wieder zu danken und zu loben. Aber getan haben wir wenig für unsere Lehrerinnen und Lehrer.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: War das jetzt Selbstkritik?)

Es ist sowohl Kritik als auch Selbstkritik, Herr Bluhm.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ah ja, gut.)

Ich nehme hier keinen davon aus.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Okay.)

So ähnlich haben Sie es in Ihrer Rede auch getan.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja.)

Die Ereignisse haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Viele nehmen seit Langem wieder mal wahr, dass der Berufsstand Lehrerin und Lehrer sowohl einer neuen Wertschätzung bedarf als auch diese erlangt. Die Werbekampagne von Baden-Württemberg zeigt zugleich die Veränderung auf dem Arbeitsmarkt. Daher werbe ich schon heute von dieser Stelle aus darum: Lassen Sie uns gemeinsam mit dem Bildungsminister Henry Tesch geeignete Maßnahmen ergreifen, um die bestehenden Probleme schnellstens zu lösen.

Die Handlungsfelder hat der Bildungsminister bereits genannt:

Erstens. Eine Verdopplung der Referendarstellen im Vorbereitungsdienst zum Beispiel ist eine unabdingbare Vorsorgemaßnahme, um im Zyklus der Ausbildung eines Lehrers rechtzeitig die nötige Zahl der Absolventen für frei werdende Stellen zur Verfügung zu haben.

Zweitens. Der Einstellungskorridor für junge Lehrerinnen und Lehrer von gegenwärtig 170 muss auf jährlich mindestens 300 Stellen erhöht werden. Zu beachten ist, dass es uns schon heute nicht gelungen ist, diesen Einstellungskorridor auszuschöpfen. Schon in den Jahren 2000 bis 2006 konnten wir diesen Korridor nur bis zu 50 Prozent in Anspruch nehmen. Heute können wir nahezu 100 Stellen besetzen.

Damit verbindet sich die nächste Herausforderung. Für die Einstellung junger Lehrer müssen wir attraktive Konditionen definieren. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, angesichts eines überlebten Lehrerpersonalkonzeptes den Lehrerinnen und Lehrern heute gerecht zu werden und eine Balance zu halten zwischen neuen und bewährten Lehrkräften. „Die Besten für die Jüngsten“ ist eine Formel des Bildungsministers für die künftige Auswahl derer, die Lehrer und Erzieher werden wollen. Lassen Sie uns schnell das Lehrerbildungsgesetz verabschieden, um damit der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern eine moderne Ausrichtung zu geben.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Dann legen Sie es doch vor! – Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Der Minister verfolgt den konsequenten Ansatz, dass jeder Student, der Lehrer werden will, dies auch schon im ersten Semester seines Studiums merkt, dass er Lehrer werden soll. Verstärkte Anstrengungen sind notwendig, um vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und in den Fremdsprachen Lehrer zu gewinnen.

Und nicht zuletzt steht die alles entscheidende Frage: Wie ermöglichen wir eine höhere Wertschätzung des Berufsstandes Lehrerinnen und Lehrer in der Gesellschaft? In Mecklenburg-Vorpommern müssen wir in den kommenden Jahren jährlich mindestens 300 vorhandene Stellen neu besetzen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Wohlgemerkt: Wir sprechen hier an dieser konkreten Stelle nicht davon, neue Stellen zu schaffen, sondern vielmehr vorhandene Stellen zu besetzen. Dass auch Mecklenburg-Vorpommern für eine bessere Bildung eigentlich mehr Stellen benötigt, zeigt das Beispiel Baden-Württemberg. Warum wird diese Kampagne gefahren? Weil in diesem Land 4.000 Lehrer zusätzlich benötigt werden, um die vom Land, vom Landtag beschlossenen Verbesserungen pädagogischer Parameter in diesem Mehrbedarf zu decken. In Mecklenburg-Vorpommern müssen wir aufpassen, dass sich in Deutschland nicht weiterhin eine bildungspolitische Schere zu unseren Lasten öffnet.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wo kommt die her?)

Mit Blick darauf haben wir langfristig ohne ein klares Bekenntnis zur Vollbeschäftigung, zur angemessenen Vergütung und zu guten Startbedingungen keine Aussichten auf Chancen, im bundesweiten Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Alle von mir aufgezeigten Fragen und Probleme lassen sich wahrlich nur gemeinsam lösen. Längst ist es fällig, alle Anstrengungen auf eine erfolgreiche Nachwuchsgewinnung zu konzentrieren. Derzeit werden 1.000 Lehramtsstudenten an unseren Universitäten ausgebildet. 340 von ihnen nehmen ein Referendariat in unserem Land auf. Aber es gelingt uns noch nicht einmal, 100 junge Lehrer einzustellen. Wir müssen also deutlich mehr Referendare einstellen.

Wir brauchen ein flächendeckendes System von Ausbildungsschulen nicht nur in Ballungsgebieten, sondern auch auf dem flachen Land, denn dort werden Lehrer gebraucht. Eine frühe Bindung der Referendare an andere Einsatzorte kann eben nur durch die Erweiterung eines Netzes der Ausbildungsschulen gewährleistet werden. Wir müssen die Frage nach der Verbeamtung von Referendaren und nicht, wie einige falsch verstanden haben, von jungen Lehrern klären. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des verbundenen Vergütungsgewinns für Referendare bei gleichzeitiger Entlastung des Haushalts, sondern vor allem, um flächendeckende Nachwuchsprobleme auch mithilfe des Beamtenrechts in der Fläche lösen zu können, denn Verbeamtung bedeutet Sicherheit für Lehrkräfte, die das erste Staatsexamen absolviert haben.

Auf der Tagesordnung steht natürlich ebenso Werbung, Werbung, Werbung für diesen Beruf und Begleitung talentierter Schüler und Studenten als Lehrernachwuchs für unser Land. Wir leben in einem landschaftlich wunderschönen Land, allerdings nicht auf der Insel der Glückseligen. Der gesamtdeutsche Lehrermarkt wankt und ist vom Wandel gekennzeichnet. Wenn wir diesen Wandel jetzt verschlafen, stehen wir morgen mit einer großen Schar Schlechtgebildeter an der Gleiskante hinter Posemuckel, winken dem Zug mit den Wissenden und den Schnelleren in die Zukunft hinterher und warten womöglich auf den Zug nach Nirgendwo.

Ich möchte es noch einmal sagen: Das Junglehrerprogramm, das Personalentwicklungskonzept, das gleichermaßen die im Dienst befindlichen Kollegen einschließt, ein Konzept, das ich mir wünsche, ist hoch notwendig und wichtig und wird gerade sehr konzentriert vom Bildungsminister vorbereitet. Ebenso wichtig ist die Wertschätzung, die wir gegenüber den im Land bereits beschäftigten Lehrerinnen und Lehrern zeigen.

Es ist auch überfällig, darüber nachzudenken, ob Alleinstellungsmerkmale wie Unterrichtsverpflichtung in unserem Land noch zeit- und wettbewerbsgemäß sind. Genauso ist darüber nachzudenken, dass aufgrund haushaltsrechtlicher Rahmenbedingungen seit fast zehn Jahren kaum noch Beförderungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer bestehen. Das muss man sich einmal vorstellen! Also wir müssen beides tun, junge Lehrer für unser Land gewinnen und zugleich verhindern, dass der Erfahrungsschatz der bereits Tätigen verloren geht.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben im Januar ein neues Schulgesetz verabschiedet und damit einen Handlungsrahmen, der die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt. Mit diesem Gesetz wird flächendeckend die Selbstständige Schule zum Leitbild der pädagogischen Arbeit. Lehrerinnen und Lehrer erhalten Freiräume für die Gestaltung moderner pädagogischer Programme. Jetzt brauchen wir – das steht als Nächstes an – ein Lehrerbildungsgesetz, mit dem sowohl Aus- als auch die Fort- und Weiterbildung den wachsenden Anforderungen angepasst wird. Es wird erarbeitet und diesem Haus, Herr Bluhm, in Kürze vorgestellt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Da freuen wir uns drauf. – Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, diesen Vorsprung dürfen wir nicht verspielen. Ein wettbewerbsfähiges Schulsystem und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bedingen einander. Wir können keinen mehr zurücklassen. Wir brauchen jeden. Alle Schulabgänger werden sich in absehbarer Zeit die Ausbildungsplätze aussuchen können. Was hier in der Zukunft zählt, ist die Qualität der Abschlüsse, sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit denen die Schüler die Schule verlassen. Wir sind aufgefordert, jetzt zu handeln und bereits mit dem nächsten Haushalt notwendige Weichenstellungen herbeizuführen. Der Dank allein reicht den Lehrerinnen und Lehrern schon lange nicht mehr. Die Arbeitsplatzsicherheit wird nicht mehr erwähnt. Viele leisten mehr, als ihnen tatsächlich vergütet wird.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na ja, die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.)

Worte allein machen nicht satt und zufrieden. Der Minister handelt. Unterstützen wir ihn dabei, denn er ist der

erste Bildungsminister, der diese Probleme im Land anpackt.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ha, ha! – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und ein kleiner Hinweis zum Schluss: Wir werden die genannten Ressourcen aufbringen müssen. Die Ministerpräsidenten aller Länder haben sich im Rahmen des Bildungsgipfels verpflichtet, auch Mecklenburg-Vorpommern, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildungsausgaben zu verwenden. Daran werden uns die Menschen messen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wir auch, wir auch!)

Machen wir gemeinsam den ersten Schritt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Warten wir mal auf den Doppelhaushalt.)