Protokoll der Sitzung vom 06.03.2009

Die gewünschte Sprachenvielfalt stellt für Europa eine Herausforderung dar. Jede Sprache ist das Ergebnis einer besonderen historischen Erfahrung und jede Sprache ist Trägerin eines kulturellen Erbes, einer besonderen Ausdrucksfähigkeit und einer kulturellen Identität. Keine ist austauschbar, keine ist verzichtbar und keine ist überflüssig.

Aktuell erarbeitet das Bildungsministerium ein Fremdsprachenkonzept. Internationalen Tendenzen folgend wird hier unter Berücksichtigung der frühkindlichen Förderung der Mehrsprachigkeit das Erlernen von Fremdsprachen von der frühkindlichen bis zur beruflichen Bildung beschrieben. Basierend auf den KMK-Aussagen zu den Konzepten für den bilingualen Unterricht vom April 2006 beschreibt das Fremdsprachenkonzept auch bilinguale Unterrichtsformen als besonderes Bildungsangebot.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Einstellungen kann man nicht lehren, man muss sie erfahren. Deshalb fördern wir über den fremdsprachlichen Fachunterricht hinaus weitere Möglichkeiten, die den Schülerinnen und Schülern helfen, die europäischen Dimensionen und das Zusammenleben europäischer verschiedener Völker in Europa zu erleben. Am kommenden Montag, Herr Abgeordneter Kuhn hat es erwähnt, am 9. März, findet der Europatag an den Schulen unseres Landes statt. Er steht in diesem Jahr unter dem Vorzeichen der Europawahlen. Einige von Ihnen

werden den Europatag kennen, bietet er doch in zahlreichen Gesprächsrunden den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, mit Landes- oder Bundespolitikern und Abgeordneten zum Thema Europa ins Gespräch zu kommen. Des Weiteren gibt es vielfältige Angebote hinsichtlich des europäischen Schüler- und Lehreraustausches, zum Beispiel die Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, dem DeutschPolnischen Jugendwerk und der Stiftung DeutschRussischer Jugendaustausch.

Der europäische Wettbewerb mit seinen jährlich durchgeführten Aktivitäten unterstützt ebenfalls die praktische Schularbeit durch Begegnungen mit anderen Teilnehmern aus den EU-Staaten. Und bis zum 15. Juni sind alle vorschulischen Einrichtungen, Schulen aller Schularten sowie die Aus- und Fortbildungseinrichtungen für Lehrkräfte aufgerufen, Projekte für das europäische Sprachsiegel „Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas – Kreativität und Innovation beim Fremdsprachenlernen und -lehren“ mit dem Schwerpunkt „kreative und innovative Nutzung der Mehrsprachigkeit für den weiteren Fremdsprachenerwerb“ einzureichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die dargestellten Beispiele zeigen, dass die europäische Bildung in allen Bereichen unserer Schule fest verankert ist. Das frühzeitige Erlernen von Fremdsprachen ist ein wesentlicher, aber kein alleiniger Aspekt. Die Entwicklung eines europäischen Bewusstseins ist grundlegende Aufgabe von Schule und dieser Auftrag wird von uns auch so umgesetzt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Udo Pastörs, NPD: Die Leute gehen trotzdem nicht zur Europawahl. Das nützt nichts.)

Vielen Dank, Frau Ministerin Schwesig.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Bluhm für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen wollen mit diesem Antrag die Europafähigkeit stärken und ausbauen. Dazu sind mit dem Antrag eine Reihe von Einzelmaßnahmen genannt. Allerdings erschließt sich meiner Fraktion die Notwendigkeit dieses Antrages nicht, denn der Paragraf 5 des Schulgesetzes, das gerade beschlossen und verkündet ist und damit gilt, regelt den Grundsatz für die Entwicklung von europäischen Gedanken im Bildungsprozess. Und viele der in Ihrem Antrag genannten Einzelmaßnahmen sind, wenn Sie denn Ihren eigenen Europabericht der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern 2007/2008 vom 02.05.2008 auf der Landtagsdrucksache 5/1452 gelesen hätten, bereits enthalten. Dort sind Aufgabenstellungen zum Beispiel für den Fremdsprachenunterricht an den allgemeinbildenden Schulen, für die Leh rerfort- und Lehrerweiterbildung, für die Schaffung einer europäischen Regionalschule im Rahmen des EdGateProjektes und so weiter und so weiter vorgesehen.

Offensichtlich ist aber wohl, dass der Ausbau und die Stärkung der Europafähigkeit der Schulen bei uns im Land nicht so recht vorankommen. Da könnte ein neuer Antrag zwar ein wenig Ablenkung schaffen, aber das Problem nicht wirklich lösen. Einen Beleg dafür, dass es mit der Erfüllung der Aufträge nicht so doll sein kann, sieht man an der Umsetzung des Projektes „Europä

ische Regionalschule“. Im Januar 2007, also vor zwei Jahren, gab es dazu mit dem Koordinator des Bildungsprojektes EdGate eine Beratung in Schwerin. In der SVZ vom 20.02.2007 konnte man lesen, dass MecklenburgVorpommern zu den Ersten gehören möchte, die dieses Konzept umsetzen wollen. Ein Jahr später, also vor gut einem Jahr, hat der Minister in seiner Landtagsrede zum Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs 2008 am 31. Januar dazu ausgeführt, ich zitiere: „Eine Reihe von Schulen in Mecklenburg-Vorpommern erfüllen bereits Teile“ dieses European Regional College Conception. „2008 wird daran weitergearbeitet, das beschriebene Schulmodell in ausgewählten europäischen Regionen auch in Mecklenburg-Vorpommern zu etablieren.“ Ende des Zitats.

Nun, was das produktive Lernen betrifft, sind Anfänge gemacht worden. Das leugne ich nicht. Aber was die anderen Bestandteile, die Frage der Förderung der Sprachentwicklung, das interkulturelle Lernen und so weiter betrifft, wurde das weitgehend außen vor gelassen. Ich verstehe die Intention des Antrages von SPD und CDU als Aufforderung an den Bildungsminister, seinen Ankündigungen auch in diesem Fall nun endlich Taten folgen zu lassen.

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Was das Verhältnis von Ankündigung und Taten betrifft, ist die Bilanz ohnehin sehr mager. Angekündigt sind, ich nenne hier nur die wesentlichen Punkte aus dem Bereich der Bildung, ein Lehrerbildungsgesetz, die große Novelle des Landeshochschulgesetzes, ein Programm für junge Lehrer, wie man es der Presse vom 04.03. entnehmen konnte, eine Arbeitsgruppe zur Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufes, die Ausgestaltung des Lehrerbildungszentrums Rostock und des Instituts für Qualitätsentwicklung, Deregulierung, Fremdsprachenkonzept, nachvollziehbare Ergebnisse der Kooperation und schulischen Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern, insbesondere nach den Dienstreisen des Ministers zum Beispiel nach Frankreich und Italien. Für eine halbe Legislaturperiode ist das zu wenig, für die verbleibende Zeit wohl aber zu viel. Nun ja, wie hatte es der Minister im März 2007 formuliert, ich zitiere: „In den kommenden fünf Jahren wird es eine Phase der konstruktiven Ruhe und Konsolidierung geben.“ Ende des Zitats.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es stellt sich für mich bei diesem Antrag auch die Frage, was die Schulen noch alles in den Rahmenplänen berücksichtigen sollen. Ich nenne hier nur exemplarisch, die Wirtschaft will mehr volks- und betriebswirtschaftliches Wissen, Sie haben per Antrag auf der letzten Landtagssitzung mehr Kenntnisse über Datenschutz und Urheberrecht an Schulen gefordert, die Sozialministerin will mehr Kenntnisse über gesunde Ernährung, der Feuerwehrverband will Brandschutz, natürlich mehr politische Bildung und, und, und. Mit diesem Antrag kommt nun auch noch die Vermittlung von Grundkenntnissen über die europäische Geschichte sowie die Funktion und Arbeitsweise der Europäischen Union explizit hinzu.

In Ihrem Antrag formulieren Sie, das soll in den Lehrplänen verankert werden. Das soll die Landesregierung tun. Nun mal fachlich: Nicht erst seit der gerade vollzogenen Schulgesetznovellierung gibt es auf Landesebene Rahmenpläne. Außerdem warne ich davor, die Anforde

rungen an den Bildungsauftrag der Schule und die damit verbundene Vermittlung von Kernwissen und Kernkompetenzen durch eine ausufernde Beliebigkeit zu ersetzen. Mit dem beschlossenen Schulgesetz vor wenigen Wochen sind es jetzt doch die Schulen, die im Rahmen ihrer neuen Selbstständigkeit aufgefordert sind, diese Anforderungen in schulinternen Lehrplänen umzusetzen, und nicht die Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Die Forderung in Ziffer 4 Ihres Antrages, verstärkt Anstrengungen zu unternehmen, den bilingualen Unterricht an der weiterführenden Schule zu stärken, ist nichts weiter als eine Absichtserklärung, solange Sie den Schulen dafür nicht die zusätzlichen Stunden zur Verfügung stellen. Davon ist aber in dem Antrag überhaupt nicht die Rede.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es. Genauso ist es.)

Ich vermute, die Schulen sollen das im Rahmen ihrer Selbstständigkeit eigenverantwortlich regeln und umsetzen.

(Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Zusätzliche finanzielle Mittel sind jedenfalls in der Flatrate der schülerbezogenen Stundenzuweisung nicht drin. Und Sie von der Koalition, meine Damen und Herren, müssen schon die Frage beantworten, wie bei einer Ausweitung des bilingualen Unterrichts Schülerinnen und Schüler bei einem Schulwechsel ihre Fremdsprache oder Fremdsprachenkombination fortführen können. Das ist schon heute bei der zweiten Fremdsprache ein Problem, wenn es sich nicht um Englisch oder Französisch handelt. Mit der geplanten freien Schulwahl ab der Klasse 5 wird das alles noch viel komplizierter.

Die Studenten für ein Lehramt in sozialwissenschaftlichen Fächern sollen nach Ihrem Willen zusätzliche Seminare zu den Grundlagen europäischer Politik belegen. Gut. Warum aber die Beschränkung auf sozialwissenschaftliche Fächer? Das widerspricht Ihrem erheblich weiter gehenden Ansatz in der Begründung. Dort betonen Sie die Wichtigkeit für das gesamte Bildungssystem und die gesamte Gesellschaft. Das müsste für die Lehrerausbildung wohl dann zuerst und allgemein gelten, nicht nur für die sozialwissenschaftlichen Fächer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits bestehende Europaschulen sollen ausgebaut und neue zu diesem Konzept ermutigt werden, so Punkt 1. Das wird vor allem die Schulen freuen, die bereits große Erfahrungen im deutsch-polnischen Grenzraum gesammelt haben. Dazu gehören beispielsweise die deutschpolnischen Gymnasien in Heringsdorf und Löcknitz. Diese kämpfen allerdings seit Jahren um ihr Überleben, weil die polnischen Schülerinnen und Schüler bei der Mindestschülerzahl für die Eingangsklassen nicht mitgezählt werden. Deshalb hatte meine Fraktion in den Beratungen zum Schulgesetzentwurf auch einen Änderungsantrag zu Paragraf 45 eingebracht, der vorsah, dass die polnischen Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen wären. Der wurde jedoch abgelehnt. So europafreundlich wollen Sie denn doch nicht sein, wenn es Geld kostet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nein.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden im Juni die Europawahlen haben. Daher ist es sicher günstig, mit solchen Anträgen eine Plattform zu haben, die den Kandidaten der eigenen Partei die Möglichkeit eröffnet, sich zu äußern.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na, das ist Zufall.)

Viel wichtiger ist allerdings, wenn es Ihnen mit dem Wissen um Europa und die Europäische Union wichtig ist, selbst etwas zu tun. Aufforderungen an die Landesregierung sind das eine, unsere Verantwortung und Möglichkeiten als Politiker das andere. Ich würde deshalb statt des Antrages eine Eigenverpflichtung anregen: Wir als Abgeordnete der demokratischen Parteien erklären uns bereit, einmal jährlich an allen Schulen des eigenen Wahlkreises eine Stunde zu europäischen Themen zu geben,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das wäre konsequent.)

anders als das mit der Unterstützung in diesem Jahr durch das Bildungsministerium für den Montag vorgesehen ist. Wenn das vernünftig organisiert würde, wäre das ein echter Beitrag.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich würde auf zwei Stunden erhöhen.)

Diesen Antrag können wir jedoch nur ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Kreher für die Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann viele Kritikpunkte, die mein Vorredner hier vorgebracht hat, teilen. Allerdings geht es mir um die Grundtendenz dieses Antrages, nämlich im Land ein Klima zu schaffen, das dazu beiträgt, dass wir alle viel deutlicher sehen, wie wichtig die Einbindung unseres Bundeslandes und Deutschlands in die Europäische Union ist. Deshalb, meine Damen und Herren von den LINKEN, überlegen Sie bitte noch einmal, welches Zeichen Sie geben, wenn Sie jetzt gegen diesen Antrag stimmen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das nützt ja gar nichts. Gar nichts nützt das.)

Meine Damen und Herren von den LINKEN, Sie selbst haben bei Ihrem vergangenen Vertretertag erlebt, dass bestimmte realistische Kräfte zu Europa in Ihren Kreisen keine Chance mehr haben.

(Gino Leonhard, FDP: Ja.)

Und deshalb, meine Damen und Herren, wenn Sie das jetzt hier machen, wenn Sie so damit umgehen,

(Regine Lück, DIE LINKE: Das können Sie beurteilen, ja?)

dann setzen Sie dieses Zeichen, Europa ist uns nicht so wichtig, fort.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das ist eine Unterstellung. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Es mag eine Unterstellung sein, aber es kommt so heraus. Überlegen Sie deshalb bitte noch einmal, ob Sie das so machen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, wenn man so selektiv hinhört wie Sie, dann kommt man dahin. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Sicherlich ist das, Herr Bluhm, was Sie gesagt haben, wirklich ein Anspruch. Deshalb ist es trotzdem gut, was Sie hier hervorgebracht haben in Richtung Regierung. Das ist ernst zu nehmen. Zu Ihrer Kritik, die Sie vorgebracht haben,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass wir nicht Schulen mit allen möglichen Dingen überfordern können und deshalb die Verantwortung insgesamt für dieses Problem tragen müssen,

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Dann hätte man eine Entschließung machen müssen hier in Europa.)