Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

das Gesetz den Landtag erreicht hat, wird es im Innenausschuss zahlreiche Anhörungen geben. Diese werden auch in aller Regel öffentlich stattfinden

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

und jeder Bürger und jede Bürgerin des Landes kann sich daran beteiligen und diesen Anhörungen folgen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Kabinettsbeschluss ist das. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Genau.)

Als drittes Argument gegen Ihren Vorschlag spricht schließlich, das ist hier mehrfach auch schon angesprochen worden, die äußerst hohe Komplexität des Gesetzentwurfes. Selbst wenn man die Kreisgebietsreform aus der Gesamtreform herausnehmen will, so habe ich Sie mal verstanden, Herr Kollege Schnur, beinhaltet dieses Gesetz eine Vielzahl von Regelungen wie die Bildung neuer Landkreise, die Einkreisung bisher kreisfreier Städte oder Änderungen in der Kommunalverfassung. Wie stellen Sie sich dazu eine Volksbefragung vor? Da kann man überhaupt nicht Ja oder Nein sagen. Da sie natürlich von Ihnen kommt, wären konstruktive Vorschläge gut gewesen. Die haben Sie hier bislang noch nicht abgegeben. Vielleicht wollen Sie das noch nachholen.

Und, Herr Kollege Schnur,

(Toralf Schnur, FDP: Ja?)

eins ist doch klar: Ohne eine Reform wird die finanzielle Handlungsfähigkeit der Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden in der nächsten Zeit derart eingeengt, dass die kommunale Selbstverwaltung – und darüber sollten Sie sich lieber Gedanken machen – infrage gestellt wird.

Bis jetzt ist die Einnahmesituation der Kommunen – da liegen Ihnen hoffentlich auch Zahlen vor – insgesamt gut. Das hängt natürlich auch von den hohen Steuereinnahmen ab und 2008 war ein hervorragendes Wirtschaftsjahr. Aber ich denke, wir werden in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation mit sinkenden Steuereinnahmen rechnen können. Umso wichtiger ist, dass wir die Gesamtreform voranbringen. Man kann nicht einfach die Kreisgebietsreform rauspicken und darüber eine Volksbefragung abhalten. Da, glaube ich, ist der Innenminister auf dem richtigen Weg.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Er hat auf der Grundlage des von uns hier beschlossenen Leitbildes 13 Modelle für die Kreisgebietsreform entwickelt und alle Interessierten hatten die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Davon ist auch zahlreich Gebrauch gemacht worden. Die Stellungnahmen waren dann die Grundlage, Herr Kollege Schnur, für das 6+2-Modell des Referentenentwurfes.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ein Kabinettsbeschluss sogar. Von wegen Referentenentwurf!)

Dieses Modell wird gerade in der Verbandsanhörung erörtert. Dieser Entwurf deckt sich mit den Zielen der Reform, wie wir sie hier im Landtag beschlossen haben, und die künftigen Landkreise entsprechen den Bedürfnissen des kommunalen Ehrenamtes.

Wir wollen, dass kommunale politische Arbeit nicht von wenigen Berufsgruppen übernommen wird. Zugleich gibt es für die kreisangehörigen Gemeinden gute Entwick

lungsperspektiven. Ein starker Landkreis fördert die Entwicklung aller kreisangehörigen Städte und Gemeinden und schließlich sollen Rostock und voraussichtlich auch Schwerin kreisfrei bleiben. Ich denke, das ist konsequent. Rostock ist das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Die Stadt würde sich in keinen Landkreis einfügen und Schwerin muss als Landeshauptstadt einen besonderen Status behalten.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, wir führen eine Reform im Dialog.

(Toralf Schnur, FDP: Aber ohne Menschen. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Wir haben zum Leitbild gerade jetzt auch Regionalkonferenzen abgehalten und wir werden diese Veranstaltungen –

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

vielleicht ist es so ein kleiner Hinweis an Sie, Herr Kollege Schnur – noch einmal wiederholen. Und das, liebe Kollegen der FDP, verstehen wir unter Beteiligung der Betroffenen.

Ich hoffe, dass Sie so einsichtig sind, diesen Antrag zurückzuziehen. Ansonsten wird ihn meine Fraktion selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kokert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Einbeziehung der Bürger in den Entscheidungsprozess hinsichtlich einer sogenannten Kreisgebietsreform ist in der Tat geboten, denn die Verwaltungswissenschaftler, die in der Enquetekommission ihre umfangreichen Gutachten vorstellen, beschränken sich dabei ausschließlich auf Einsparpotenziale, die sich aus der Umorganisation von Behörden ergeben könnten oder der Fusion von Landkreisen. Sie vergessen in ihren theoretischen Modellen aber völlig den psychologischen Faktor. Den kann man allerdings nicht berechnen, auf welcher Grundlage denn auch, sondern den muss man erfragen. Die Hälfte der Ökonomie ist Psychologie, heißt es, und das gilt auch für eine Kreisgebietsreform.

Durch die Beseitigung der traditionellen Kreise und den Verlust des Kreisstadtstatus für die betroffenen Kleinstädte kann und wird ein wesentlicher Standortfaktor geschwächt werden, das Heimatgefühl. Wenn UeckerRandow in irgendeinem gesichtslosem Großlandkreis aufgeht, wird sich bei vielen dort lebenden Menschen, gerade den jüngeren, die Bindung an die Region verringern. Es vermittelt noch einen gewissen Stolz, ein eigener Landkreis zu sein, mit Sitz und Stimmen im Landkreistag, mit eigenem Landrat, und dass dies auch sichtbar ist für den Rest des Landes. Es vermittelt auch einen gewissen Bürgerstolz, wenn die eigene Stadt noch Kreisstadt ist. Geht dies verloren, bedeutet das nicht nur wirtschaftliche Einbußen durch den Verlust von Arbeitsplätzen und Kaufkraft, wenn die Verwaltungsmitarbeiter abwandern. Genau deshalb verleihen sich viele Städte Bezeichnungen wie Reuterstadt Stavenhagen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, weil Fritz Reuter da geboren ist. – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Bernsteinstadt Ribnitz-Damgarten, Lilienthalstadt Anklam oder Landeshauptstadt Schwerin, nicht zu vergessen Lindenstadt Lübtheen.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Darüber mag man als Verwaltungswissenschaftler milde lächeln, aber das ist psychologisch klug. So etwas wirkt der Abwanderung entgegen. Es hilft auch dem Tourismus. Es verstärkt die Bindung und je geringer die Bindung an die Heimatregion wird, desto eher sind die Leute bereit, auch für geringe materielle Vorteile oder einen geringeren Mehrverdienst wegzuziehen. Es gibt ja nicht nur diejenigen, die abwandern, und die, die sich eisern zum Bleiben entschlossen haben unter allen Umständen. Viele sitzen quasi auf gepackten Koffern. Da muss nur noch irgendetwas passieren, die Schließung einer Schule, eines Theaters oder Kinos, irgendein Verlust von Lebensqualität und das Maß ist voll.

Und dieser Effekt kann auch eintreten, wenn sich die Heimatstadt nicht mehr Kreisstadt nennen kann oder wenn die Heimatregion kein eigener Landkreis mehr ist, der letzte Anstoß zur Abwanderung. Selbst wenn die Kreisgebietsreform tatsächlich Einsparungen erzielen sollte, was nützt das, wenn als Nebenwirkung verstärkt Menschen das Land verlassen. Die dadurch bewirkten Verluste wären in der Gesamtrechnung auch mit einzubeziehen. Auf der einen Seite vielleicht eine Fusionsrendite, auf der anderen weniger Steueraufkommen und eine geschwächte Wirtschaft.

Wie wichtig dieser patriotische Faktor ist, lässt sich am Beispiel der wissenschaftlichen Eliten Chinas auf der einen und Afrikas auf der anderen Seite betrachten. Wenn junge chinesische Spitzenwissenschaftler im Ausland studieren und anschließend gut bezahlte Stellungen angeboten bekommen und glänzende Karrieren, kehren sie häufig trotzdem in ihr Land zurück, selbst bei geringerem Verdienst, weil die Bindung an Heimat und Kultur stark genug ist. Afrika kommt auf keinen grünen Zweig, unter anderem deswegen, weil das nicht funktioniert.

Es ist also absolut notwendig herauszubekommen, welche psychologischen Auswirkungen die Kreisgebietsreform haben könnte und wie sich das auf das Hauptübel auswirken würde – die Abwanderungskatastrophe. Das Mindeste, was in dieser Hinsicht durchgeführt werden muss, ist eine Volksbefragung. Dafür hat die Staatskanzlei genug Geld, wie der Ministerpräsident weiß. Wenn die Kreisgebietsreform weiterhin im Blindflug betrieben wird ohne eine Ahnung, was die Bürger davon halten und wie sie darauf reagieren, kann es ein unangenehmes Erwachen geben. So eine Reform von dieser Größenordnung ohne Volk geht nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schnur für die Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wundere mich schon etwas, wenn ich die Argumentationsrichtlinie gerade auch des Innenministers höre, insbesondere zu der in unserem Antrag vorliegenden Bitte, dass die Landesregierung die Fragen ausarbeitet.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Der Innenminister stellt sich hier hin und trägt problemlos drei, vier Fragen vor, Frau Tegtmeier ebenso,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wer will die Reform? Sie wollen die Befragung.)

und am Ende stellt man sich hin und sagt, was ist das für ein Quatsch, dass ihr uns keine Fragen vorstellt. Das allein passt ja schon nicht. Und wenn ich mir dann in dem Zusammenhang vorstelle, dass man uns verfassungsrechtliche Bedenken vorwirft, da muss man ja die Frage stellen, das tun Sie sicherlich auch: Ist eine Volksbefragung überhaupt verfassungsrechtlich in irgendeiner Form zu bewerten? Da kann man sicherlich zu der Meinung kommen, nein. Das will ich ja gar nicht abstreiten.

(Vincent Kokert, CDU: Wie wollen Sie denn mit dem Ergebnis umgehen?)

Aber was ich Ihnen sagen will, entscheidend ist eben, dass natürlich wir als Parlament diejenigen sein müssen, die letztlich entscheiden. Eben darum müssen wir, wenn überhaupt, eine Volksbefragung machen, denn – das sollten Sie eigentlich auch wissen, wahrscheinlich haben Sie dann nicht gelesen – wenn wir einen Volksentscheid haben, dann haben wir uns nämlich an die Wirkung des Entscheides zu halten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, eben. Das ist der Blickwinkel.)

Das ist ein entscheidender Unterschied. Und wenn Frau Tegtmeier von Tendenzen spricht,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Bei welcher Frage soll denn was rauskommen?)

dann, finde ich, ist das schon spannend.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Frau Tegtmeier, ich hoffe jetzt, ich zitiere Sie nicht falsch, aber Sie haben sinngemäß gesagt, eine Volksbefragung ist kein geeignetes Mittel, um am Kreisstrukturgesetz etwas zu verändern. Ich sage das mal so sinngemäß. Witzigerweise, so finde ich, führen wir in Plau am See eine Volksbefragung durch. Und was ist das Ergebnis der Volksbefragung? Dass sich das Kreisstrukturgesetz in der Form ändert.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da gab es auch eine konkrete Frage. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das war nicht verfassungswidrig, das war ganz normal, es entfaltet keine bindende Wirkung.