Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird unweigerlich zu einer Zuschusssenkung für die gesetzlichen Krankenkassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Hans Kreher, FDP: Genau.)

Deshalb fordern nicht nur viele Experten des Gesundheitssektors die Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, und dann haben wir mehr Geld, wenn wir die Mehrwertsteuer senken, oder was?!)

Sehr geehrte Kollegen von den LINKEN, übernehmen Sie unseren Änderungsantrag und verbauen sich nicht im Vorfeld geringstmögliche Mehrwertsteuersätze auf Arzneimittel. Das sollte auch in Ihrem Interesse liegen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Dann haben wir mehr Geld, Frau Reese, ja?)

Danke schön. Danke schön, Frau Reese.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier gestern im Landtag einstimmig beschlossen, dass wir die Landesregierung bitten, auffordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass wir eine aufkommensneutrale Reform des Umsteuerrechts bekommen, inklusive natürlich ermäßigter Mehrwertsteuersätze.

Insofern ist es folgerichtig, dass ein geeigneter Bereich auch die Arzneimittel sein könnten, aber wir haben auch gestern einstimmig hier vereinbart, dass wir keine Insellösungen wollen. Insofern lehnen die Koalitionsfraktionen sowohl den Änderungsantrag der FDP als auch den Antrag der LINKEN ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Kurz und bündig, da wissen wir, woran wir sind.)

Danke schön, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum besteuert der Staat Medikamente höher als Lebensmittel? Weil Essen notwendig ist, Medikamente aber Luxus. Wieso unterliegen Zeitschriften, Blumen, Tiernahrung und Tierarzneien dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz, aber nicht apothekenpflichtige Heilmittel für Menschen? Diesen Skandal hat die NPD schon vor zwei Jahren, im Mai 2007, im Landtag zur Sprache gebracht und auch einen entsprechenden Antrag gestellt. Die LINKE brauchte zwei Jahre, um das geistig zu verarbeiten, und stellt jetzt einen ganz ähnlichen Antrag, der fast eins zu eins abgekupfert ist. Inhaltlich …

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Wenn Ihr Gedächtnis so schwach ist, kann ich Ihnen auch nicht helfen.

Inhaltlich ist der Antrag natürlich richtig, er ist ja auch von der NPD abgekupfert.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie konstruieren einen Zusammenhang, den es nicht gibt.)

Warum er richtig ist, haben wir bereits 2007 ausgeführt:

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Weil in vielen europäischen Ländern auf die Erhebung der Mehrwertsteuer ganz verzichtet wird oder in anderen ein mäßiger Steuersatz gilt. Und das geht auch, diese Länder sind auch nicht zugrunde gegangen. Wir haben vor zwei Jahren auch darauf hingewiesen, dass durch eine Reduzierung der Steuer das System der Krankenversicherungen deutlich entlastet werden könnte. Die Beiträge könnten sinken.

2007 hat sich dafür nur die NPD-Fraktion eingesetzt. Jetzt, zwei Jahre später, 2009, erwacht eine andere Fraktion, DIE LINKE, aus ihrem Tiefschlaf

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh!)

und wird wahrscheinlich auch bald wieder einschlummern danach. Die NPD bleibt dran.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Herr Andrejewski, Sie können so viele Anträge stellen, wie Sie wollen, die werden abgelehnt.)

Da wir vor zwei Jahren schon alles ausführlich dargelegt haben, nur dass Sie es nicht begriffen haben, reicht das auch als Ausführung. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist auch wirklich genug.)

Danke, Herr Andrejewski.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Frau Reese, ich finde es okay mit dem Wiedererkennungswert. Ich denke, vernünftige Dinge sollte man so lange ansprechen, bis sie eben gelöst sind. Insofern werden wir sicherlich auch zu diesem Thema hier des Öfteren noch verhandeln.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Fraktion plädiert für eine Absenkung der Mehrwertsteuer für verschreibungspflichtige sowie nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Arzneimittel wie zum Beispiel Nasentropfen und eine Verwendung der frei werdenden Mittel zur Entlastung der Versicherten von einem Teil der Zuzahlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zum 01.01.2009 wurde in der gesetzlichen Krankenversicherung der Gesundheitsfonds mit einem kassenübergreifend einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent eingeführt. Für etwa 80 Prozent der Versicherten erhöhten sich damit die Beitragssätze. Diese gravierende Beitragssatzsteigerung wird weder durch die Minderung des Beitragssatzes um 0,6 Prozentpunkte zum 01.07.2009 noch durch die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung kompensiert, zumal nicht alle gesetzlich krankenversicherten Frauen und Männer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung einzahlen.

Neben der deutlichen Beitragssteigerung bleiben mit der Einführung des Gesundheitsfonds der allein von den Versicherten zu tragende Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent für Zahnersatz und Krankengeld ebenso wie die umfangreichen Zuzahlungen zu Medikamenten und

Heilmitteln erhalten. Kassen diskutieren gegenwärtig im großen Maßstab die darüber hinausgehende Einführung von Zusatzprämien, da die über den Fonds ausgereichten Mittel möglicherweise nicht ausreichen werden, um die anfallenden Ausgaben zu decken. Zusatzprämien können also zu den bisherigen Zuzahlungen, die allein von den Versicherten erhoben werden, noch auf uns zukommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, Zuzahlungen, Sonderbeitrag, Zusatzprämien haben zu einer gravierenden Schieflage des ursprünglich ausgewogen solidarisch-paritätischen Systems der Krankenversicherung geführt. Die Erhöhung von Zuzahlungen und explizite Leistungsausgliederungen sind in der Gesundheitspolitik der vergangenen 20 Jahre als ein zentrales Instrument zur Kostendämpfung genutzt worden und haben insbesondere zu einem erheblichen Anstieg des privaten Anteils an den Krankenbehandlungskosten geführt.

Lassen Sie mich noch mal zwei Zahlen nennen. Im Januar 1991 belief sich das Zuzahlungsvolumen für GKV-Leistungen auf umgerechnet 3,3 Milliarden Euro. Das entsprach 4,4 Prozent der GKV-Leistungsausgaben. Ein gutes Jahrzehnt später im Jahr 2002 waren es bereits 9,8 Milliarden Euro. Das waren etwa 7,3 Prozent der Leistungsausgaben, die privat zu entrichten waren. Mit dem 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz, das die kräftige Anhebung bestehender und die Einführung neuer Zuzahlungen brachte, dürfte sich diese Summe noch einmal deutlich erhöht haben und die Belastungen der Versicherten auf etwa, so wird geschätzt, 65 Prozent erhöht haben.

Aus der Diskussion über die Steuerungswirkung von Zuzahlungen ist bekannt, dass sie erst dann eine Reduzierung der Leistungsinanspruchnahme erzeugen, wenn sie auch finanziell deutlich spürbar sind. Wenn die Spürbarkeit von Kosten mit sinkendem Einkommen steigt, treffen Zuzahlungen also in erster Linie sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Die beabsichtigte Steuerungswirkung steht also im Widerspruch zur Sozialverträglichkeit des Instruments Zuzahlungen.

Dieser Mechanismus lässt sich auch recht gut am Beispiel der Praxisgebühr zeigen, die 2004 in Höhe von 10 Euro für gesetzlich Krankenversicherte eingeführt wurde. Von den Personen mit einem Einkommen von 5.000 Euro und mehr haben 21 Prozent wegen der Praxisgebühr Arztbesuche aufgeschoben und 11 Prozent sie sogar vermieden. Bei denjenigen aber mit einem Einkommen unter 5.000 Euro waren es 37 Prozent, die den Besuch einer Arztpraxis aufgeschoben haben und 26 Prozent, die darauf gänzlich verzichtet haben.

Der Verzicht auf einen Arztbesuch mag in vielen Fällen keine negativen Folgen haben für die Gesundheit der Betroffenen. Er kann aber zur Verschleppung beziehungsweise Chronifizierung von Krankheiten führen. Gerade bei Patienten mit einem schlechten Gesundheitszustand ist die Gefahr groß, dass sie auch dann auf einen Arztbesuch verzichten, wenn dieser medizinisch geboten ist. Zudem ist aus empirischen Untersuchungen bekannt, dass die Patienten, deren Leistungsinanspruchnahme aufgrund steigender Zuzahlungen zurückgeht, nicht nur auf unwirksame, sondern gleichermaßen auf wirksame Leistungen verzichten.

Gesetzliche Sozial- und Überforderungsklauseln in der GKV begrenzen zwar in gewissem Maße die Höhe der

individuellen Zuzahlungen, beheben aber nicht den Fakt der finanziellen Belastung, denn mit dem GMG zum 01.01.2004 wurde die zuvor geltende vollständige Zuzahlungsbefreiung für sozial Benachteiligte aufgehoben, also für solche Personen, die eine bestimmte Bruttoeinkommensgrenze unterschritten oder eben Empfänger bestimmter staatlicher Fürsorgeleistungen waren.

Eine Minderung der Mehrwertsteuer für Humanarzneimittel von gegenwärtig 19 auf 7 Prozent, verbunden mit einem Preismoratorium, könnte zu einer deutlichen Ausgabenminderung in der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Die frei werdenden Mittel sollten zur Entlastung der Versicherten eingesetzt werden, also im System der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben und damit der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung im Gesundheitswesen dienen.

Die Versorgungseinrichtungen des Gesundheitswesens müssen in jeder, also auch in finanzieller Hinsicht gut zugänglich sein. Das bedeutet, alle medizinisch notwendigen Leistungen müssen auch für den Patienten erbracht werden und vor allem der Zugang zur Versorgung darf nicht durch Zuzahlungen sozial diskriminiert sein. Eine Minderung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel und eine Verwendung der frei werdenden Mittel zur Minderung der Zuzahlungen für gesetzlich Krankenversicherte dient genau diesem Ziel. Ich bitte um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2421 abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2421 bei Zustimmung der Fraktion der FDP, einigen Zustimmungen der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und einigen der Fraktion DIE LINKE und Stimmenthaltung der Fraktion der NPD, damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2388 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. –