Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2388 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. –

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Jetzt mache ich keinen Fehler.)

Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2388 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD mit Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Programm zur Vorsorge und Krisenbewältigung in der Agrarwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern kurzfristig auflegen, Drucksache 5/2414.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Programm zur Vorsorge und Krisenbewältigung in der Agrarwirtschaft MecklenburgVorpommern kurzfristig auflegen – Drucksache 5/2414 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern hier beschlossen, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Ich darf also feststellen, dass wir uns mit agrarpolitischen Fragen an allen drei Tagen unserer Landtagssitzung auseinandersetzen werden. Das ist gut so und das ist richtig so, denn die Land- und Agrarwirtschaft ist ein unverzichtbarer Wirtschaftszweig in Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Landwirte in unserem Lande produzieren auf rund 1,3 Millionen Hektar Nahrungs- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe, die zu hochwertigen und gesunden Lebensmitteln verarbeitet sowie stofflich und energetisch verwendet werden. Aber auch die Beiträge der Landwirtschaft zur Pflege der Kulturlandschaft, zum Erreichen der Klimaschutzziele und zur Prägung der ländlichen Räume sollen besonders hervorgehoben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Es gilt unser Dank den Landwirten auch von dieser Stelle aus. Ich glaube, es gibt bei den demokratischen Parteien wohl volle Übereinstimmung, dass ohne die Landwirtschaft die ländlichen Räume erheblich an Qualität und Attraktivität verlieren und die Wirtschaftskraft einbüßen würden. Die Agrarunternehmen sind, das haben wir mal im Jahr 2005 in der Thünengesellschaft festgestellt, Kristallisationskerne in der Region. Wir meinen deshalb, die Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche, die auch weiterhin große Aufgaben für die Ernährung, die Energieversorgung und den Erhalt der Naturressourcen zu leisten hat, leisten muss, und ich bin überzeugt, sie wird sie auch leisten, wenn die Rahmenbedingungen langfristig sichergestellt werden.

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Wir haben nicht erst gestern festgestellt, dass inzwischen die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Landwirtschaft angekommen sind. Manch einer mag meinen, dass die alte Wahrheit „Gegessen wird immer“ die Landwirtschaft vor dem Teufelskreis der Krise schützt. Das ist nicht so, wie jeder weiß, der weiß, wie die Realität aussieht.

Der Präsident unseres Bauernverbandes hat am 6. März auf dem Wahlbauerntag in Trinwillershagen in folgender Weise die neue Situation der Landwirte beschrieben:

Spekulanten beeinflussen die Erzeugerpreise für die Produkte in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.

Zweitens. Das Kapital flüchtet in den Boden. Die Preise für landwirtschaftliche Flächen steigen, auch angeheizt durch den Staat. Gemeint ist die BVVG. Mit diesem Thema haben wir uns ja in der letzten Landtagssitzung auseinandergesetzt und haben festgelegt, dass im Agrarausschuss dazu eine öffentliche Anhörung am 7. Mai stattfinden wird.

Drittens, Zwischenfinanzierungen. Erntevorfinanzierungen sind mit Banken schwieriger zu vereinbaren, als das noch vor Jahresfrist der Fall war.

Viertens. Betriebsmittelpreise – und ich meine hier Dünger, Pflanzenschutzmittel, Futtermittel und so weiter – steigen schnell und sinken langsam. Wir kennen das als Verbraucher von den Ölkonzernen und ihren Auswirkungen an der Tankstelle.

Die LINKE hat an dieser Stelle wiederholt kritisch darauf aufmerksam gemacht, dass die Agrarwirtschaft im Konjunkturprogramm kaum Berücksichtigung fand, obwohl die Krise längst angekommen ist. Das – so erinnere ich mich – ist auch eine unwidersprochene Wahrheit. „Ziel“, und jetzt zitiere ich, „Ziel der Landespolitik ist es, die erreichte Wettbewerbsposition der Agrarwirtschaft unter den Bedingungen einer zunehmend verflochtenen internationalen Marktwirtschaft zu behaupten und auszubauen.“ Ende des Zitats aus dem Agrarbericht 2008.

Meine Damen und Herren, das hat natürlich im Jahre 2009 erst recht zu gelten. Es ist deshalb auch die Grundlage unseres Antrages, die Landesregierung aufzufordern, „kurzfristig ein komplexes Programm zur Vorsorge und Krisenbewältigung in der Agrarwirtschaft“ unseres Landes „aufzustellen“.

Der Bauernverband unseres Landes macht darauf aufmerksam, dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage der Landwirtschaft im letzten Halbjahr massiv verschlechtert hat. Ich habe das gestern in der Begründung der Dringlichkeit des Antrages bereits vorgetragen. Erzeugerpreise der Marktfrüchte gehen zurück, die Betriebszweige der Veredlung gehen seit Langem durch ein tiefes Preistal. Das ist ganz deutlich am Milchmarkt abzulesen, wo sich die Preise inzwischen auf nie geahnte Tiefstände zubewegen. Die Molkerei Rücker erhielt kürzlich die „Rote Laterne“ für Preise um 19 Cent pro Liter Milch.

Meine Damen und Herren, auch die Agrarministerkonferenz, die in Magdeburg stattfand, spiegelte die krisenhafte Entwicklung in der Agrarwirtschaft der Bundesrepublik wider. Selten habe ich so viel Einigkeit der Landesminister, selten so viele aktuelle und brisante Fragen auf der Tagesordnung gesehen, aber auch selten habe ich so viele Appelle gehört und gelesen. Natürlich weiß ich um die Grenzen der Möglichkeiten einer Ministerkonferenz der Länder. Ich will damit auch gar nicht das Engagement der Teilnehmer, auch unseres Agrarministers, die unter dem hohen Druck großer Erwartungen der Bauern und deren Proteste getagt haben, gering schätzen, überhaupt nicht.

Jedoch sind, wie es auch die Bauern formulieren, leider kaum greifbare Signale von der Konferenz ausgegangen. Nehmen wir nur das Beispiel der Agrardieselbesteuerung. Die Ministerkonferenz hat sich grundsätzlich darüber geeinigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft durch die hohe Besteuerung in Deutschland stark behindert wird und auf das Maß von 2005 zurückgeführt werden muss. Dazu werden wir ja morgen dann ebenfalls noch beraten, sodass ich das nicht vertiefen muss.

(Angelika Peters, SPD: Und Sie stimmen dann hoffentlich zu.)

Bezug nehmend auf Beschlüsse der Agrarministerkonferenzen von 2006 und 2008 wurde die Forderung wieder an den Bund gerichtet, die Begrenzung der Steuer

rückerstattung auf 10.000 Liter pro Kalenderjahr und den sogenannten Selbstbehalt von 350 Euro endlich aufzuheben. Bislang scheiterte eine Einigung in dieser wichtigen Frage, in dieser existenziellen Frage für die vielen landwirtschaftlichen Betriebe an der Großen Koalition in Berlin.

Was diese Aufhebung der Agrardieselbesteuerung an Entlastung für Landwirte in unserem Lande ausmachen würde, hat der Bauernverband kürzlich errechnet. Ich bringe das heute hier mit vor. Ich könnte das morgen genauso sagen. Dabei kommt er auf eine finanzielle Entlastung der Betriebe von circa 27 Millionen Euro pro Jahr oder rund 20 Euro pro Hektar, eine enorme Konjunkturhilfe, so meine ich, die auch sofort greifen kann. Es lohnt sich also, hier weiter Druck zu erzeugen. Ebenso führe ich die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz zu den Rahmenbedingungen für Bioenergie an, wo sehenden Auges Werte und Wirtschaftskraft der Agrarwirtschaft vernichtet werden, aber die Bundesregierung weiter auf ihrem Standpunkt der übermäßigen Besteuerung besteht.

Minister Dr. Backhaus wird sicherlich in seiner Rede auf zahlreiche Initiativen verweisen, mit denen MecklenburgVorpommern um bessere Rahmenbedingungen für die Agrarwirtschaft gekämpft hat. Der Landtag hat das auf die verschiedenste Weise hier engagiert auch unterstützt. Das soll überhaupt nicht kleingeredet werden. Jetzt haben wir jedoch eine sich weiter verschärfende Situation. Ein bedeutender Teil der Wertschöpfung in den ländlichen Räumen läuft Gefahr, für immer verloren zu gehen.

Mecklenburg-Vorpommern – meine Damen und Herren, wir sind sehr stolz mit den Bauern gemeinsam – ist ein führendes Agrarland. Deshalb steht ihm auch eine beispielgebende Rolle in der Krisenbewältigung zu, die wir auch besetzen sollten, diese Rolle. Ich denke, dass der Bauernverband unseres Landes gut beurteilen kann, welche Hilfen und Maßnahmen das Land auflegen, initiieren oder einfordern muss. Seine Vorschläge sind Ihnen bekannt. Ich hebe nur hervor: Landesbürgschaften, Gewährung von Pacht, Stundungen für Bundes- und Landesflächen, Senkung der Agrardieselbesteuerung – ich hatte das eben angesprochen –, Aussetzung der Biokraftstoffbesteuerung, Vorverlegung des Auszahlungstermins für Zahlungen der ersten Säule auf den 31.10.2009, marktentlastende Maßnahmen, Wiedereinführung der Landesbeteiligung an der Tierkörperbeseitigung.

Ich sagte eingangs, meine Damen und Herren, dass die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche ist. Dabei bleibe ich und ich denke, Sie sind mehrheitlich auch dieser Auffassung. Damit sie das auch bleibt, muss den Akteuren in Land- und Agrarwirtschaft Vertrauen in die Zukunft vermittelt werden. Die Ergebnisse des Health Checks und der Biokraftstoffbesteuerung, die Bodenpreiseuphorien der BVVG sind zum Beispiel keine vertrauensbildenden Maßnahmen. Gezielte Stabilisierungsmaßnahmen zur Sicherung der Liquidität der wettbewerblichen Rahmenbedingungen, der Marktentlastung und weitere Begleitmaßnahmen sind also kurzfristig erforderlich. Die Landespolitik – und damit wir – ist über das bisherige Maß gefordert. Ich denke, ein richtiger Schritt ist die heutige Mitteilung von Minister Dr. Backhaus, Betrieben mit Liquidationsschwierigkeiten wird geholfen.

(Vincent Kokert, CDU: Was?!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unterstützen Sie unseren Antrag, unterstützen Sie die Landesregierung bei einer beispielhaften und kurzfristigen Initiative zur komplexen Vorsorge und Krisenbewältigung in dem wichtigen Zweig unserer Volkswirtschaft, der Landwirtschaft! – Danke sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Professor Tack.

Es ist eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir, und zwar die Koalitionsfraktionen, diesem Antrag als solches auf die Tagesordnung mit verholfen haben. Aber, Herr Professor Tack, innerhalb Ihrer Einbringungsrede, innerhalb von zehn Minuten, haben Sie so zwischen 30 und 40 Millionen Euro gefordert, die hier aufzubringen sind. Und ich glaube, man muss wirklich realistisch sein. Bei allem Verständnis für das, was Sie hier vorgetragen haben, die Forderungen nur des Bauernverbandes in einen Antrag zu kleiden, ist, glaube ich, etwas zu einfach. Ich will Sie da auch nicht persönlich angreifen. Aber es kann doch nur das gemeinsame Ziel sein, wenn wir erkennen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft als solche auch von der konjunkturellen Entwicklung negativ beeinflusst ist, und das ist sie, dass wir nach Wegen suchen, wie diese erfolgreiche Branche wirklich weiter unterstützt werden kann, und zwar mit realistischem Blick und mit einer klaren Analyse.

In dem Zusammenhang ist mir wirklich wichtig: Die Krise, von der ich spreche, ist nicht nur eine Finanzkrise, die wir in Deutschland, in Europa erkennen müssen. Es ist eine Wirtschaftskrise, ja, es ist zum Teil eben auch eine strukturelle Krise. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass unsere Unternehmen, die in den letzten Jahren erfolgreich gewirtschaftet haben, leichter diese Krise überstehen werden als andere Regionen. Davon sind wir hoffentlich alle überzeugt. Wir sind wettbewerbsfähiger als andere. Wir sind, was die Frage der Ausrichtung der Strukturen anbetrifft, wettbewerbsfähiger. Wir haben mittlerweile im Wesentlichen die Kostenführerschaft in der Agrarwirtschaft in Deutschland übernommen und wir haben hervorragend ausgebildete Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten.

Manchmal, nehmen Sie mir das nicht übel, habe ich den Eindruck, wir marschieren ja mit voller Kraft auf den Wahlkampf zu und da ist es natürlich auch wichtig, auf Stimmenfang zu gehen, und dieser Antrag macht in gewisser Weise so den Eindruck.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das machen nur wir, Herr Minister.)

Ich habe Sie nicht persönlich gemeint, Herr Methling.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Aber, Herr Holter, auf Sie gehe ich nachher, wenn dieses wieder präsent ist, noch mal ein.

Sie werden sich erinnern oder auch Sie, Herr Methling, als Sie mal in Regierungsverantwortung waren,

(Vincent Kokert, CDU: Das ist ja lange her.)

dass Wort und Tat und letzten Endes auch Realismus, so habe ich Sie immer eingeschätzt,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sagen Sie mal, wo Sie das Geld herholen!)

so, wie – ja, ja –,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

so, wie ich Sie immer eingeschätzt habe, dass wir da realistisch miteinander umgehen sollten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Jetzt ging es darum, wer Wahlkampf macht.)