Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 72. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung eintreten, möchte ich heute an dieser Stelle an den Aufstand des 17. Juni 1953 erinnern und insbesondere an diejenigen, die damals für ein geeintes, freiheitlich-demokratisches Deutschland eingetreten sind, vor allem aber auch an die Opfer des damaligen Aufstandes.

Der 17. Juni, der nunmehr 56 Jahre zurückliegt, ist zwar kein Feiertag mehr, denn mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 29. September 1990 wurde das Datum der Wiedervereinigung, der 3. Oktober, anstelle des 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit zum gesetzlichen Feiertag. Der 17. Juni behielt allerdings seinen Status als nationaler Gedenktag, denn die mutigen Demonstranten von 1953 haben Forderungen aufgestellt, die erst mit der Wiedervereinigung erfüllt worden sind. Sie waren die ersten Wegbereiter für Freiheit und Einheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nunmehr treten wir in die Tagesordnung der 72. Sitzung des Landtages ein. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Die Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP haben einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 5/2650 zum Thema „Rechtsstreit zum Bombodrom sofort beenden“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Tagesordnungspunkt 10 aufrufen, das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Situation nach Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens für die Werftunternehmen in Wismar und Rostock“ beantragt.

Aktuelle Stunde Situation nach Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens für die Werftunternehmen in Wismar und Rostock

Das Wort hat zunächst der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Einleitung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens für die Werftunternehmen in Wismar und Rostock hat nichts an Aktualität in Mecklenburg-Vorpommern verloren. Die derzeitige Situation ist hinlänglich bekannt. Am 5. Juni 2009 hat die Werft Wadan Yards GmbH beim Amtsgericht Insolvenz angemeldet. Das war ein schwarzer Tag für unser Land, ein schwarzer Tag für die Werften, für die Beschäftigten, für die Familien und die Zulieferer, all derer, die mit den Werften verbunden sind.

Meine Damen und Herren, eines muss immer gesagt und festgestellt bleiben: Für die CDU, für die Politik in Mecklenburg-Vorpommern ist klar, wir werden alles tun, um die Rahmenbedingungen so auszugestalten,

(Udo Pastörs, NPD: Immer dieselben Sprüche.)

dass wir Hilfe gewähren können, wenn Konzepte stimmen, wenn die Bedingungen stimmen und wenn wir insgesamt das Schlüssigste von allem hinbekommen, nämlich Bürgschaften gewähren können, Kredite gewähren können. Aber das ist erst einmal Sache des vorläufigen Insolvenzverwalters, der einen Status erhebt, der Konzepte vorschlagen wird und der vor allen Dingen, denke ich, die Investorensuche voranbringt.

Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage ist: Wie kommen wir weiter in diesen insgesamt schwierigen Bereichen des Landes und wie können wir Unternehmen gewinnen, hier einzusteigen? Wir brauchen nun einmal den Fortbestand. Es ist sehr wichtig, dass wir die jetzt noch vorhandenen Arbeitsaufträge finanzieren können. Dazu brauchen wir verlässliche Aussagen und dazu brauchen wir Banken, die das mitfinanzieren. Ich weiß, dass der Wirtschaftsminister jeden Tag mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Insolvenzverwalter daran arbeitet, diese Dinge voranzubringen, denn es geht am Ende um 7.000 Arbeitsplätze, es geht um Zulieferer, es geht um 2.500 Arbeitsplätze direkt auf den Werften. Hier sollten wir unsere ganze Kraft einsetzen, um die Dinge auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren, für die russischen und koreanischen Anteilseigner kann dieses Land nichts. Ich will es noch einmal klipp und klar sagen: Die Enttäuschung aller, bei der Regierung, bei den Bürgern und bei den Abgeordneten, ist riesengroß gewesen, als Insolvenz angemeldet werden musste. Andererseits hat natürlich eine Insolvenz auch Chancen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ein bisschen zynisch langsam.)

Und diese Chancen, denke ich, sollten wir nutzen. Das neue Insolvenzrecht der Bundesrepublik Deutschland gibt uns die Möglichkeit, die Betriebe für einen Neuanfang weiter vorzubereiten.

(Udo Pastörs, NPD: Wo kommen die Aufträge her? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und dazu will ich Sie alle aufrufen, meine Damen und Herren. Es geht eben nicht, dass man auf der einen Seite schon die Frage nach Auffanggesellschaften diskutiert, wie es die Linksfraktion mit Helmut Holter an der Spitze tut.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Zu Recht.)

Ja, zu Recht, das sagen Sie.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja, Sie wissen nicht, was Auffanggesellschaften sind.)

Der Schritt ist noch lange nicht da, meine Damen und Herren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir können doch nicht tatenlos zuschauen.)

Wir müssen, das sei noch einmal gesagt, dafür sorgen, dass wir Aufträge bekommen. Dass die Werften eine Zukunft haben, daran wollen wir alle arbeiten.

(Regine Lück, DIE LINKE: Auffanggesellschaften sind ein Garant für den Fortbestand. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Und es geht bei den LINKEN und gerade auch bei denen an der Fensterfront immer darum, Effekthascherei zu betreiben und eine Profilierung

(Stefan Köster, NPD: Sie richten das Land zugrunde.)

auf dem Rücken der Arbeiter und Angestellten in diesem Land voranzubringen.

(Michael Andrejewski, NPD: Sie versagen lieber.)

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion ist nicht gut beraten, dieses Thema Auffanggesellschaft jeden Tag als Monstranz vor sich herzutragen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist keine Monstranz, das ist eine Option auf die Zukunft.)

Meine Damen und Herren, es geht um die Zukunft der Werften, es geht um die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger und es geht um die Zukunft von Arbeitsplätzen auf den Werften. Und damit, denke ich, ist es wichtig, auch in dieser Frage die Psychologie zu bedienen und nicht immer den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Die Landesregierung und die Abgeordneten werden alles unternehmen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch den Zulieferern geholfen wird. Dort, wo wir helfen können, werden wir helfen, dort werden wir auch Darlehensangebote auflegen. Der Wirtschaftsminister wird, denke ich, zu diesem Thema noch die eine oder andere Ausführung machen.

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben doch gar keine Sicherheiten, mehr die Zulieferer, größtenteils.)

Wir brauchen Zuversicht, wir brauchen einen guten Partner, den wir, glaube ich, mit dem Insolvenzverwalter gefunden haben, denn die Zahlung von Löhnen war am 5. Juni dieses Jahres nicht gewährleistet. Die Werftarbeiter haben über das Insolvenzrecht ihre Löhne erhalten. Auch die zweiten Lohnzahlungen haben stattgefunden. Von daher, glaube ich, ist in dieser Frage auch etwas an sozialer Gerechtigkeit eingezogen, denn die Investoren oder die damaligen Eigentümer waren nicht mehr in der Lage, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Ja, sie waren nicht mal in der Lage, die Dinge, die man ausgehandelt hat – es ging um 75 Millionen Euro –, ihren Eigenanteil, den sie in fünf Raten zu 850.000 Euro, also sprich 5 Millionen Euro zahlen sollten, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Auch die Verhandlungen am vorletzten Tag der Anmeldung der Insolvenz haben am Ende nicht dazu geführt, dass man Vertrauen bei den Banken, aber auch bei der Landesregierung erzeugen konnte, um die Dinge voranzutreiben.

Ich will daran erinnern, wir haben dafür gesorgt, dass gerade die Wadan-Werften unter den Rettungsschirm des Bundes gekommen sind. Wir haben darum gerungen und haben Kredite, Bürgschaften aufgelegt. Das Land hat sich engagiert. Da sei auch mal allen Abgeordneten hier im Haus Danke gesagt. Der Finanzausschuss hat sich eingebracht. Und die Fragen, die wir in besonderer Weise auch zu diskutieren und zu begleiten hatten, waren die Dinge auf der Bundesebene. Dort hat man im Bundeskanzleramt, im Wirtschaftsministerium viele richtige Dinge in der Überzeugung getätigt,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass die Werften eine Chance brauchen und zum damaligen Zeitpunkt die Konzepte auch gestimmt haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es wurde niemals, wie immer von der Opposition teilweise suggeriert, auf Personen oder auf andere Dinge abgestellt, sondern ganz klar immer auf die Fragen: Gibt es Aufträge? Wie ist die Lage? Kann man daraufhin Bürgschaften ausreichen und dafür dann auch den Lenkungsrat und den Lenkungsausschuss auf Bundesebene bemühen? Das hat alles funktioniert. Hier sage ich auch einmal denjenigen Dank, die in besonderer Weise sehr viel dafür getan haben, einmal dem Wirtschaftsminister, andererseits seinem Staatssekretär Möller.

Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Die Weichen werden in den nächsten vier bis sechs Wochen gestellt. Ich fordere Sie auf, insgesamt daran zu arbeiten, damit wir die Werften retten können, den Rahmen zu setzen! Das kann die Politik nur, aber die Entscheidungen muss die Wirtschaft am Ende treffen. Der Insolvenzverwalter ist gefragt. Die Konzepte müssen stimmen. Die Verhandlungen mit den Banken brauchen wir, um insgesamt dann auch die Finanzierung der Fähren und eventuell zukünftige Aufträge sicherzustellen.

Meine Damen und Herren, die CDU ist bereit, dies alles zu begleiten. – Von daher haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Sehr gut.)

Vielen Dank, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die WadanWerften haben am 5. Juni Insolvenz angemeldet. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Schiffbauland mit Tradition. Die Werften und die maritime Wirtschaft bilden auch heute das Herzstück der Industrie unseres Landes.

(Udo Pastörs, NPD: Es ist aber ein Herz- infarkt eingetreten, Herr Ministerpräsident.)

Man kann sagen, Schiffe sind unsere Autos. Deshalb ist die Insolvenz von Wadan ein schwerer Schlag für Mecklenburg-Vorpommern. Sie betrifft viele Menschen, in erster Linie natürlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den Werften, die nichts für die schwierige Situation ihres Betriebes können und die sich große Sorgen um ihre Zukunft machen.

(Udo Pastörs, NPD: Oh, wie salbungsvoll!)

Große Sorgen gibt es auch in den Zuliefererbetrieben und bei den dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Deshalb ist es gut, dass wir heute über dieses Thema hier im Landtag reden, wobei ich auch deutlich sage, es ist sehr wichtig, dass dieses Thema nicht zu parteipolitischen Zwecken missbraucht wird. Landesregierung und Landtag müssen in dieser Frage eng zusammenstehen.