Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Der Schiffbau ist technologieorientiert und innovativ. Er gehört zu den modernsten der Welt

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

und auf den Werften arbeiten bestens ausgebildete und hoch motivierte Kolleginnen und Kollegen. Seit 1990 sind Milliarden von Subventionen in den Schiffbau von Mecklenburg-Vorpommern geflossen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Versenkt worden sind diese Gelder.)

Das war auch gut so, das haben wir unterstützt. Diese öffentlichen Gelder haben zweierlei bewegt:

Erstens. Sie haben geholfen, die maritime Deindustrialisierung Mecklenburg-Vorpommerns zu verhindern und die Werften so zu modernisieren, dass sie wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt sind.

Und sie haben zweitens immer die Verantwortung der Bundes- und der Landespolitik eingefordert.

Aber eines kann Subvention nicht, und zwar die unternehmerischen Strategien ersetzen, das Management kompensieren und schon gar nicht den Wettbewerb zurücknehmen. Und da stellt sich die Frage: Warum wollen wir den Schiffbau erhalten? Wir, ich hoffe, dass wir alle den Schiffbau erhalten wollen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sicher.)

Dafür sprechen vier Gründe:

1. eine lange Tradition

2. eine hohe Wertschöpfung hier im Lande

3. die hohe Exportquote für Mecklenburg-Vorpommern und

4. die enge Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft und der Gesellschaft.

Ich bin der Überzeugung, dass es hier tatsächlich notwendig ist, an einem Strang zu ziehen und die beste Lösung zu finden.

Wir stehen doch heute, meine Damen und Herren, wie in der Vergangenheit vor einer Herausforderung, die Werften zu erhalten. Und da hat Priorität auch für die LINKE – und suggerieren Sie nicht falsche Bilder –,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

es muss ein neuer Investor gefunden werden, der natürlich Eigenkapital und Aufträge hat. Das ist die Hauptoption und die Auffanggesellschaft ist eine Option.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja? Das kam aber nicht rüber heute.)

Dazu werde ich noch sprechen.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Lesen Sie die Presseerklärung richtig!

Deswegen kann ich hier nur sagen, wer die Werften vernachlässigt, vernachlässigt das Land. Herr Sellering, jetzt können Sie in der Tat beweisen, wer das Sagen hat. Zeigen Sie Führung und machen Sie die Werften endlich zur Chefsache!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist sicherlich ein sehr emotional aufgeladenes Thema, aber ich bitte trotzdem, Ruhe zu bewahren, um den Redner hier vorne seinen Vortrag ordnungsgemäß absolvieren lassen zu können.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt auf die Redebeiträge von Herrn Glawe, von Herrn Ministerpräsidenten Sellering und vom Kollegen Holter eingehe – ich vermute mal, die weiteren Redebeiträge in der heutigen Aktuellen Stunde werden in die gleiche Richtung gehen –, dann habe ich hier den Eindruck, es gibt im Grunde gar keinen wirklichen Dissens. Ich will jetzt mal auf die Kleinigkeiten – oder Kleinigkeiten ist nicht der richtige Ausdruck – eingehen. Ich will gleich noch einmal auf die Punkte, die Sie, Herr Holter, eben angesprochen haben, eingehen.

Die Grundaussage hier ist, und das ist, denke ich, auch das Entscheidende, wir sprechen, wenn wir über die Werften reden, und ich will jetzt mal nicht nur über Wadan sprechen, obwohl die Aktuelle Stunde sich ja nun explizit mit Wadan in Wismar und Rostock beschäftigt, aber letztendlich trifft es die anderen beiden Werftstandorte, wenn auch noch nicht in der aktuellen Situation, aber doch ähnlich. Die Zulieferbetriebe – oder fangen wir andersrum an –, die Werftunternehmen, Herr Ministerpräsident Sellering hat das gesagt, sind der, und die Betonung liegt auf „der“, industrielle Kern in unserem Land.

(Michael Andrejewski, NPD: Der einzige.)

Wenn wir heute über Zulieferbetriebe reden, wenn wir über Werften reden, dann müssen wir uns über eines klar sein: Wenn es diesen Kern nicht mehr gibt, dann gibt es auch in der Perspektive nichts drumherum mehr. Das ist nämlich meistens bei Kernen so.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, richtig. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Das schwarze Loch in Mecklenburg- Vorpommern.)

Das schwarze Loch, das sind Sie!

Und wenn wir in der Vergangenheit – ob es der Kollege Roolf gewesen ist oder Sie, Herr Holter, oder auch ich – über die Zulieferbetriebe gesprochen haben, dann ist es natürlich richtig, dass man die Zulieferbetriebe nicht alle über einen Kamm scheren kann. Wenn die Information zutreffend ist, dann sind es, glaube ich, alleine 260 Unternehmen, die bei Wadan mittelbar oder unmittelbar betroffen sind, und es sind 260 individuelle Fälle und 260 Fälle, die auch individuell betrachtet und gelöst werden müssen, sofern es Schwierigkeiten gibt. Es gibt offensichtlich Unternehmen, die trotz der Insolvenz von Wadan selber nicht in ihrem weiteren wirtschaftlichen Fortbestand gefährdet sind, es gibt Unternehmen, die kämpfen müssen und Unternehmen, die – auch wenn sie kämpfen – keine Perspektive haben. Und es ist ja nun schon durch die Presse gegangen, dass die ersten

Unternehmen tatsächlich schon die Arme, die Waffen, wie immer man das nennen will, gestreckt haben und Insolvenz angemeldet haben.

Wenn wir das auf Dauer vermeiden wollen, wenn wir es für die Zulieferbetriebe vermeiden wollen, dann nützt es allerdings – und da habe ich vielleicht eine etwas andere Auffassung als Sie, Herr Holter – nichts, den Schwerpunkt jetzt auf die Zulieferbetriebe zu richten, sondern dann muss man sich in erster Linie mit den Werften beschäftigten. Denn nur wenn die Werften tatsächlich eine Perspektive haben, werden in diesem Land auch die Zulieferbetriebe eine Perspektive haben.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ja eine Binsenweisheit, was Sie da verkünden.)

Wir werden nicht alle Zulieferbetriebe, und das sage ich hier ganz deutlich, auch wenn der eine oder andere in diesem Raum diese Wahrheit nicht hören will, wir werden auch nicht alle Zulieferbetriebe in diesem Land retten können.

(Udo Pastörs, NPD: Was heißt „wir“? Wer ist „wir“? Sie? Oder wer? – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wenn es jetzt schon so ist, dass Außenstände bei den Zulieferbetrieben in einer Größenordnung, also nur bezogen auf die Wadan-Werft, von 100 Millionen vorhanden sind – das sind die Zahlen, die durch die Presse gehen, ich kann das nicht selber beurteilen, ob die zutreffend sind –, dann wird es auch dazu kommen, dass das eine oder andere Unternehmen tatsächlich in seiner wirtschaftlichen Existenz davon so betroffen ist, dass es nicht weiterarbeiten kann. Dann müssen wir uns tatsächlich überlegen mit den arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien, die wir in diesem Land haben,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Noch.)

wie wir den Beschäftigten eine Perspektive geben. Aber – und ich glaube, das ist das Wichtige an der Sache – die Beschäftigten in allen Zulieferbetrieben, die Beschäftigten in den Werften haben letztendlich dann keine Perspektive, wenn es nicht gelingt, einen neuen Investor zu finden, und zwar einen Investor, der nicht nur Geld bringt, Geld ist nicht mal das Entscheidende in dieser Situation,

(Udo Pastörs, NPD: Aufträge sind das Entscheidende.)

sondern der tatsächlich Aufträge bringt, die dann diese Werftstandorte weiterentwickeln können.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Na, den könnt ihr euch ja backen, den Investor.)

Und das, meine Damen und Herren, da bin ich ganz ehrlich, das ist das, was ich von dieser Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten erwarte, wo man wirklich sagen muss, im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es ist vorrangig Aufgabe des Insolvenzverwalters, mit Investoren zu verhandeln, Perspektivkonzepte zu erwirtschaften, mit den Banken zu sprechen, wo tatsächlich auch zum Beispiel das Thema Massekredite eine Rolle spielen kann, aber das Land muss die Möglichkeiten eröffnen, dass, wenn ein Investor sagt, ich kann hier diese Standorte retten, das Land dann auch die Möglichkeiten nutzt, so, wie wir das in den letzten Monaten getan haben,

(Udo Pastörs, NPD: Aha! – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten tatsächlich dann beizustehen und vor allem die Zeit zu verschaffen, die die Werften insgesamt in diesem Land für ein Weiterarbeiten, gegebenenfalls für einen Neuanfang brauchen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Nach 20 Jahren ist die Zeit abgelaufen.)