Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Wie bei den vielen anderen Themen gibt es auch hier vielfache Ursachen. Eine Ursache für die entstandenen Probleme ist darin zu sehen, dass im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise das Frachtaufkommen um circa 25 Prozent zurückgegangen ist, aber auch das Passagieraufkommen ist gesunken. Entscheidend für die Probleme, die bei Scandlines entstanden sind, sind aber tatsächlich die Privatisierung, vielmehr die finanziellen Belastungen, die aus der Privatisierung entstanden sind. Denn, so berichtete der Betriebsrat, es ist der Kredit für den Kaufpreis auf das Unternehmen von den neuen Eigentümern umgeschuldet worden. Und so verwundert es nicht, dass das Unternehmen 2007 noch schwarze Zahlen schrieb, aber in den Jahren 2008 und jetzt auch in den ersten Monaten des Jahres 2009 mit roten Zahlen dasteht.

Das ist die konkrete Situation. Deswegen halten wir es nach der Entscheidung, nach dieser Hiobsbotschaft, die uns Ende der vergangenen Woche erreicht hat, für notwendig, dass heute der Landtag ein deutliches Signal für den Erhalt des Standortes und der damit verbundenen Arbeitsplätze ausdrückt,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

und dazu haben wir den Dringlichkeitsantrag vorgelegt mit den bekannten drei Punkten. Wir wollen, dass wir auf der einen Seite gemeinsam unsere Besorgnis zum Ausdruck bringen, und zweitens, dass wir die Landesregierung, die Bundesregierung in die Pflicht nehmen, sie dabei aber auch unterstützen, die Bemühungen fortzusetzen, dass der Standort gesichert werden kann, und zwar in der Überzeugung, dass das, was uns bei der Telekom gelungen ist in einer gemeinschaftlichen Anstrengung, auch bei Scandlines gelingen kann, wenn wir tatsächlich hier zusammenstehen und das Landesinteresse nicht nur betonen, sondern auch über politischen Druck gegenüber dem Unternehmen, aber auch gegenüber der Bundesregierung sehr deutlich machen. Die Worte von Herrn Tiefensee heute in der Presse, ja, sie geben Anlass zur Hoffnung, aber Herr Tiefensee wird sich an seinen Taten messen lassen müssen und nicht nur an den Worten, die er öffentlich verkündet. Es muss hier agiert werden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es muss jetzt vor der Sommerpause ganz konkret gehandelt werden und deswegen sind harte Verhandlungen notwendig. Wir wollen nicht – ich hoffe, dass Sie das auch nicht wollen –, dass die Verlagerung des Standortes nach Puttgarden Realität wird und damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz in Mecklenburg-Vorpommern verlieren. Bekannt ist, dass in der Verwaltung in Rostock viele Frauen beschäftigt sind, alleinstehende Frauen mit Kindern, junge Frauen, aber auch ältere Frauen über 50 Jahre, und damit ist für beide Gruppen ein Umzug nach Schleswig-Holstein, nach Puttgarden ein schwieriges Unterfangen. Deswegen droht in dieser Situation für viele tatsächlich die Arbeitslosigkeit. Das kann nicht unser politischer Wille sein. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Holter.

Meine Damen und Herren, es wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Seidel. Herr Seidel, Sie haben das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst einmal, Herr Holter, darstellen, was die Landesregierung getan hat. Ich will allerdings gleich deutlich machen, ich glaube, darüber müssen wir nicht lange reden, dass wir im Ziel absolut einig sind, dass diese angedachte, das ist nicht richtig, nicht angedachte, sondern von Scandlines klar vorgesehene Standortverlagerung nicht hingenommen werden kann und natürlich für Mecklenburg-Vorpommern ganz schlecht ist.

Ich will auch sagen, was der eigentliche Grund nach meiner Auffassung bei der ganzen Geschichte ist. Wir haben, nachdem im Januar erste diesbezügliche Meldungen kamen – es war ja, wenn Sie sich erinnern, glaube ich, sogar ein anonymes Schreiben, das rumgeisterte, was schon darauf aufmerksam machte, dass solche Überlegungen stattfinden –, am 09.02. bereits mit dem Betriebsrat, mit Herrn Kobrow, über dieses Thema gesprochen, um uns zu vergewissern, was denn da konkret gespielt wird. Dieses Gespräch war für mich sehr aufschlussreich. Es wurde mir bestätigt, dass in der Tat Befürchtungen zumindest bestehen, dass solche Aktivitäten, wie sie auch jetzt schon hier genannt wurden, dort bestehen. Unmittelbar danach hat sich unser Verkehrsminister Herr Schlotmann an den Geschäftsführer Herrn Hassing gewandt. Ich glaube, er hat eine entsprechende Antwort bekommen, die vermutlich, ich habe sie nicht gelesen, so ein Wischiwaschi war. So ging es ja zunächst los.

Ich habe meinerseits am 11. Februar mit dem Geschäftsführer, mit Herrn Hassing, das ist der dänische Geschäftsführer, in Rostock selbst über die Dinge gesprochen. Ich habe ihm in diesem Gespräch natürlich den Standpunkt der Landesregierung zunächst klargemacht, aber dann auch Angebote unterbreitet – darüber habe ich übrigens im Wirtschaftsausschuss berichtet –, um zu erreichen, dass wir Standortsicherung betreiben können in Rostock. Ich kenne das Argument, das Gebäude dort zu verkaufen, was für meine Begriffe in der gegenwärtigen Phase auch nicht so wunderbar intelligent ist. Aber sei

es, wie es sei, das muss jeder für sich bewerten. Deswegen habe ich angeboten, dass wir helfen könnten beim Bau einer Hauptverwaltung, wir haben Möglichkeiten und könnten dies auch unterstützen.

Ja, welchen Eindruck ich dann hinterlassen habe, das will ich jetzt mal stehen lassen. Ganz offensichtlich war der nicht zu gewaltig, weil dieses wohl nicht so die Intention war. Ich habe dann meine Überlegungen in einem Schreiben an Herrn Hassing hinterhergeschickt, weil ich mir gesagt habe, du wirst das auch gleich noch mal schriftlich machen, dass man dir nicht sagen kann, du hättest dort nicht deutlich Angebote unterbreitet.

Ich will auch sagen, natürlich muss ich Verständnis haben für die Situation im Unternehmen, zunächst auch für die Maßnahmen, die getroffen werden müssen. Ich kann jetzt lange darüber klagen, was da mit dem Verkauf gelaufen ist – das kennen Sie alles, abstruse Zahlen über 1,5 Milliarden, doll in die Höhe getrieben. Das Unternehmen ist jetzt mit einem 1,1-Milliarden-Kredit belastet, was es wahrscheinlich im Falle, die Entwicklung wäre weitergelaufen wie im ersten Halbjahr letzten Jahres, auch weggesteckt hätte, das wäre wohl so, was aber jetzt natürlich bedingt durch 30-prozentiges Absinken des Frachtvolumens zu Schwierigkeiten führt.

Insofern, denke ich, muss man für die betriebswirtschaftliche Situation natürlich Verständnis haben. Aber ich habe klargemacht, dass eine Strukturanpassung nicht vorrangig nur auf Rostock runterprasseln kann, sondern dann muss es eine gerechte Verteilung von solchen Maßnahmen geben. Dieses habe ich parallel untersetzt mit entsprechenden Schreiben an den Bundesminister Tiefensee und an den Aufsichtsratsvorsitzenden der DB AG, an Herrn Müller. Das hat man mir geraten, das wäre wohl gut. Ich bin dem Rat gefolgt. Hier habe ich darauf hingewiesen, dass ich dringendst darum bitte, dass die Auflagen aus dem Kaufvertrag, nämlich Sicherung des Standortes Rostock und keine betriebsbedingten Kündigungen zumindest bis 2010, jetzt auch eingefordert werden.

Ich habe hier auch entsprechende Antworten bekommen, ein Schreiben des damaligen Vorstandsvorsitzenden Mehdorn. Das war etwas ausweichend, wir wissen nicht so richtig und wenn da Probleme entstehen, werden wir uns kümmern. Deswegen, wie gesagt, hatte ich mich parallel auch an den Minister gewandt, weil ich mir dachte, es wäre besser, wenn wir auch die aufsichtsführende Stelle diesbezüglich mit in die Pflicht nehmen. Es gibt im Übrigen auch, das ist mir zugegangen, ein Schreiben von Mehdorn in seiner Amtszeit, wo er sagt, er wird auf die Einhaltung der Garantien hinwirken. Also er hat dem Bundesverkehrsminister deutlich gemacht, er wird sich dort einsetzen für die Einhaltung der entsprechenden Garantien.

Ich will Sie auch gar nicht in Unkenntnis lassen, parallel dazu hat es Bemühungen gegeben über den Aufsichtsrat bei Scandlines. Dort habe ich ein Angebot bekommen von der Deutschen Seereederei, die im Aufsichtsrat auch anteilig Gesellschafter ist. Allerdings muss ich sagen, hier geht es um einen Neuaufkauf oder eine Neuverteilung der Anteile, wo am Ende eine Zahl steht, die mich doch hat etwas erschrecken lassen, nämlich 900 Millionen Euro, die man bräuchte. Auch da haben wir zumindest den Versuch unternommen, Gesprächsebenen herzustellen mit der Bundesregierung in Richtung des sogenannten Deutschlandfonds. Man kann es ja mal versuchen. Aber das klemmt im Moment daran,

dass keine Bank bereit ist, hier zu finanzieren, was man dann vielleicht über den Fonds verbürgen könnte, wie auch immer. Das ist zumindest der gegenwärtige Stand der Dinge.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich habe nach dem Wechsel des Vorstandes mich erneut an den heutigen Vorstand, an Herrn Grube, gewandt und darauf hingewiesen, dass wir immer noch darauf warten, was denn nun der konkrete Einfluss der Bahn in diesem Bereich ist. Ich habe mich auch in einem persönlichen Gespräch – das konnte ich in Waren realisieren, dort war der Bundesminister Tiefensee – sehr dafür eingesetzt, dass man wenigstens auch mal dem Unternehmen Scandlines deutlich machen muss, dass dies vonseiten der Bundesregierung, wenn es denn so kommt, die Frage der Standortverlagerung, und das war zum Zeitpunkt März/April bereits klare Haltung des Unternehmens selbst, auch als ein unfreundlicher Akt angesehen wird. Ich glaube, allein dies zu sagen, wäre schon wirkungsvoll. Ja, der Erfolg war bisher jedenfalls ganz offensichtlich mäßig diesbezüglich.

Ich will an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass ich dann ein zweites Gespräch hatte bei mir am Tisch mit dem Unternehmen. Und da muss ich Ihnen sagen, das war insofern unerfreulich, als schlichtweg von mir erwartet wurde, dass wir mit Möglichkeiten der Arbeitsmarktförderung auch noch unterstützen sollen, dass die Standortverlagerung vonstatten geht. Ich habe der Geschäftsführung, konkret Herrn Hassing, ganz klar gesagt, dass es wohl undenkbar ist,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

dass ein Minister dieses Landes auch noch Förderung dafür leistet oder den Steuerzahler in Anspruch nimmt, so muss man es ja korrekt sagen,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

um diesen Prozess einigermaßen erträglich zu gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, richtig. – Udo Pastörs, NPD: Da können Sie mal sehen!)

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Geschäftsführung gesagt hat, das haben wir jetzt verstanden,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und mir einen weiteren Brief angekündigt hat. Diesen Brief habe ich mit Datum 08.06. dann auch erhalten. Nur, und das ist das Verrückte, auch dieser Brief geht noch einmal genauso, wie das Gespräch verlaufen ist, auf die Bitten ein, die mir gegenüber dort geäußert wurden, was die Fragen der arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien betrifft, um diese Geschichte wie gesagt einigermaßen erträglich zu machen. Ich werde auch diesen Brief so beantworten, dass ich es als Ungehörigkeit empfinde, zumal man gesagt hat, verstanden, wörtlich, das habe ich noch genau im Ohr. Mir genau diese Intention noch mal zu schreiben, empfinde ich wirklich als eine schwierige Art und Weise des Umgangs miteinander, auch von einem Unternehmen, das darf man auch mal sagen, was immer alle Unterstützung hier in Mecklenburg-Vorpommern erfahren hat. Da darf ich jetzt mal sagen, der Hafen wurde ausgebaut speziell für Scandlines. Das muss man so deutlich machen. Ich kann jetzt nicht die genaue Summe bezeichnen, aber es sind mit Sicherheit zweistellige Millionenbeträge, die hier eingesetzt wurden.

(Udo Pastörs, NPD: Die lachen Sie aus mit dem Brief. Das ist das Schlimme, das muss man mal sagen.)

Nun will ich deutlich sagen: Ich teile die Intention Ihres Antrages, aber ich bitte Sie jetzt einfach mal, auf die Punkte zu schauen:

Erstens. Sie sagen, wir – also der Landtag – nehmen das Ganze mit großer Besorgnis entgegen. Na ja, gut, können wir von mir aus machen. Aber das ist nun auch nicht gerade ein Riesenschritt.

Zweitens. Sie fordern uns, die Landesregierung, auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Ich habe mich bemüht, Ihnen deutlich zu machen, dass wir unsere Möglichkeiten ausgeschöpft haben.

Der dritte Punkt ist wichtig, das stimmt, dass wir klar und deutlich und mit Nachdruck den Bundesminister Tiefensee nicht nur bitten müssen, sondern wir müssen fordern, dass die Dinge auch wirklich so vollzogen werden, wie sie uns zugesagt worden sind.

Und wenn ich heute die Zeitung lese, dann bin ich einverstanden, wenn ich hier lese: „Tiefensee: Scandlines muss erhalten bleiben“. Man will sich dafür einsetzen, alles in Ordnung, wunderbar. Da kann ich nur sagen, Herr Bundesminister, machen Sie das wahr, was Sie mir geschrieben haben, was Sie offensichtlich der Presse auch gesagt haben. Ich glaube nur nicht, dass der Antrag so hilft.

Und deswegen mache ich Ihnen einen Vorschlag: Machen Sie ein Schreiben des Landtages fertig, lassen Sie die Fraktionen unterschreiben. Sie müssen die Kameraden da rechts, die sich als Kameraden immer titulieren, nicht ansprechen, denn die, glaube ich, haben nicht die Intention, dass die Wirtschaft dieses Landes vorankommt.

(Stefan Köster, NPD: Sie können auch noch Kamerad werden.)

Aber machen Sie ein Schreiben mit den Unterschriften der Fraktionen, schicken Sie das an den Bundesminister. Fordern Sie schlichtweg das ein, was uns zugesagt ist. Das, glaube ich, könnte helfen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich das so klar und deutlich hier sage. Das wäre vielleicht ein Weg. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Kollege Holter, zunächst vielleicht mal an dieser Stelle auch meinen Dank oder meinen Respekt an Sie, dass Sie hier zu Beginn Ihrer Rede deutlich gemacht haben, dass das, was hier mit Ihrem Antrag verfolgt worden ist oder die Zielsetzung Ihres Antrages ist, über alle Grenzen der demokratischen Fraktionen hinaus in diesem Landtag seit Monaten schon gemeinsames Interesse ist,

(Udo Pastörs, NPD: Eine wichtige Feststellung. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das kann man nicht oft genug wiederholen, Herr Pastörs, dass Sie keine Rolle spielen.)

ich denke, unabhängig davon, wie Sie zu den Beschäftigten und zu den Unternehmen in diesem Land stehen. Ich glaube, dazu habe ich das Passende heute Morgen schon gesagt.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, sehr treffend formuliert, Herr Schulte, sehr treffend.)

Und was für Wadan und für seine Beschäftigten gilt, das gilt auch für Scandlines.

(Udo Pastörs, NPD: Das gilt für alle.)