Dementsprechend sind auch die Beschlüsse der Föderalismuskommission II ausgefallen. Eine Verschuldungsbremse soll für den Bund ab 2011 eingeführt werden und ab 2020 soll ein Verschuldungsverbot der Länder im Rahmen der Finanzierung ihrer Haushalte festgeschrieben werden. Die rot-schwarze Koalition in Berlin verabschiedete damit eine Verfassungsregel, die erst 2015 wirken und sich dann als unpraktikabel erweisen wird. Darauf haben Experten bereits im Vorfeld hingewiesen und wider besseres Wissen behauptet Bundesfinanzminister Steinbrück dennoch, dass die Schuldenbremse ein Signal an die Bürger sei, dass der Staat nach der Finanzkrise wieder zur Konsolidierung der Staatskassen zurückkehren werde. Also eine Konsolidierung, die es seit mehr als 20 Jahren in der Bundesrepublik nicht mehr gegeben hat, obwohl es wirtschaftlich gesehen gute Zeiten waren.
Aber die selbsternannten Schuldenbremser lassen sich schon mal feiern. Sie schwärmen von historischen Entscheidungen, ohne die Tragweite der gefassten Beschlüsse für die kommenden Generationen zu bedenken. Vor allem die CDU profiliert sich kurz vor den Bundestagswahlen populär als Schuldenverbieter. So
viel Rufen im Wald ist wie gesagt verständlich. Schließlich sind im September Bundestagswahlen und angesichts der Wahlverluste am 7. Juni kann ich der CDU das auch nicht verdenken, denn Wähler sorgen sich selbstverständlich auch um die steigenden Staatsschulden, insbesondere, wenn ihnen pausenlos ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.
Aber, meine Damen und Herren, was passiert denn wirklich, wenn die Schuldenbremse beim Bund und die Nullverschuldung bei den Ländern tatsächlich praktiziert werden? Zum einen werden Bund und Länder künftig nur noch sehr beschränkt schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme einsetzen können. Beispielsweise wäre es unter den Bedingungen einer Schuldenbremse unmöglich, ein Bankenrettungsprogramm und ein Programm, ähnlich wie das Konjunkturprogramm II, auf den Weg zu bringen. Auch reine Konjunkturförderprogramme werden in Zukunft erschwert, wenn sie in Krisenzeiten erforderlich werden und wenn bereits ein oder mehrere Tilgungspläne in Kraft sind.
Und zum Zweiten würde politisch verhindert, dass der in Deutschland bestehende Investitionsstau in Höhe von mehreren 100 Milliarden Euro bundesweit bei öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung, in Gesundheit und andere Bereiche der Daseinsvorsorge abgebaut werden kann, denn diese Investitionen sind in der Regel und man muss sagen auch sinnvollerweise schuldenfinanziert. Damit werden den künftigen Generationen moralische und materielle Lasten aufgebürdet, die unverantwortlich sind.
Die Schuldenbremse beim Bund und die Nullverschuldung sind außerdem ökonomisch und fiskalisch unsinnig, weil sie weit hinter die jetzt schon verfehlten Maastrichtkriterien zurückfallen.
Aber, meine Damen und Herren, auch die LINKE will natürlich stabile Haushalte, damit Politik handlungsfähig bleibt. Das haben wir bereits mehrfach betont. Na, Herr Kokert, wie sieht es denn aus mit dem Landeshaushalt, den Sie übernommen haben? Der sah doch ganz gut aus, das haben wir doch ganz gut gemeinsam hingekriegt.
(Vincent Kokert, CDU: Was ist denn mit Berlin? Was ist denn in Berlin besonders? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Deshalb, meine Damen und Herren, muss aus unserer Sicht das Problem der Staatsverschuldung in erster Linie gelöst werden. Die Frage ist nur, wie. Platte Verschuldungsverbote sind jedenfalls keine Lösung, sondern es muss bei den Staatseinnahmen begonnen werden und die Steuerpolitik muss insgesamt gerechter werden.
Seit 1999 wurden durch Steuerrechtsänderungen Konzerne und Spitzenverdiener jährlich um mehrere zweistellige Milliardensummen finanziell entlastet, immer in der Hoffnung, dass zusätzliche Arbeitsplätze entstehen würden. Jedoch wie eine Seifenblase ist diese Hoffnung immer wieder zerplatzt. Deshalb ist es nur folgerichtig, diese verfehlte Steuerpolitik rückgängig zu
machen und die Einnahmeseite wieder deutlich zu stärken. Bevor dies nicht passiert, braucht man über eine Schuldenbremse eigentlich gar nicht zu reden.
Meine Damen und Herren, ich komme sofort zum Schluss. Die Finanz- und Wirtschaftskrise fordert Ressourcen in ungeahntem Ausmaß und niemand kann heute beurteilen, was eine Schuldenbremse für die öffentlichen Haushalte bis 2020 bedeutet.
Deswegen ist sie zum jetzigen Zeitpunkt, mit dem jetzigen Zeithorizont keine Antwort in der Sache, sie ist das falsche Mittel.
Ihnen liegt außerdem neben unserem Antrag ein Änderungsantrag zu unserem Antrag vor, in dem wir auf die aktuelle Entscheidung des Bundesrates reagiert haben und in dem wir beantragen, den Punkt 3 unseres Antrages zu streichen, und ich bitte Sie, dem zu folgen.
Frau Schwebs hat eben schon erwähnt, Ihnen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2655 vor.
Im Ältestenrat wurde für diesen Tagesordnungspunkt eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Wir treten somit in die Aussprache ein.
Ich darf Sie darüber informieren, dass die Frau Finanzministerin ihren Redebeitrag zurückgezogen hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 12. Juni beschloss der Bundesrat eine sogenannte Schuldenbremse für Bund und Länder durch Aufnahme ins Grundgesetz, und das heißt konkret, für die Länder besteht ab 2020 ein Kreditaufnahmeverbot. Ich bin der Meinung, dieser 12. Juni 2009 war ein schwarzer Tag für den Föderalismus in Deutschland.
Drei Länder stimmten nicht zu: Schleswig-Holstein, Berlin stimmte nicht zu und Mecklenburg-Vorpommern stimmte nicht zu.
in der Frage der Bewertung des Tages für den Föderalismus in Deutschland absolute Übereinstimmung bei allen drei Ländern. Schleswig-Holstein, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern machen deutlich – während der Beratung im Bundesrat, aber auch davor und danach in entsprechenden Pressemitteilungen – und auch andere Länder machen deutlich, wo der Kern ihrer Kritik liegt, und da gibt es eine große Übereinstimmung. Es sind im Wesentlichen drei Punkte:
Erstens wird die Einführung des Kreditaufnahmeverbots für die Länder durch den Bund als ein unzulässiger Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder gewertet.
Zweitens, das Haushaltsrecht als Königsrecht der Länderparlamente wird ganz entscheidend eingeschränkt.
Und drittens, das ist das Entscheidende, die Grundprinzipien der föderalen Ordnung in Deutschland sind damit massiv infrage gestellt.
Ich erinnere an die hervorragende Rede von Herrn Jäger heute zum Thema 60 Jahre Grundgesetz. Ich finde, er hat sehr klar und sehr deutlich noch mal die sogenannte Ewigkeitsgarantie angesprochen. Und dazu gehört auch im Artikel 79 die absolute Garantie der föderalen Grundordnung in Deutschland,
die wiederum nur wirken kann, wenn das Etatrecht, wenn das Haushaltsrecht als eines der wichtigsten Hoheitsrechte der Länder nicht eingeschränkt wird.
Das allerdings ist mit dem Kreditaufnahmeverbot, so, wie es jetzt vorgesehen ist und beschlossen wurde, eindeutig der Fall.
Wie geht es jetzt weiter? Wir sind Demokraten und wir akzeptieren die Entscheidung des Bundestages und des Bundesrates. Das ist das eine. Aber wie geht es weiter? Zum Beispiel stellt sich die Frage: Wie soll denn überhaupt die verfassungsrechtliche Umsetzung des Kreditaufnahmeverbots in den Ländern geklärt werden oder umgesetzt werden? Die Frage ist völlig unklar.
Fraglich ist, ob es in den 16 Bundesländern überhaupt eine erforderliche verfassungsändernde Mehrheit gibt, um dieses umzusetzen, was dort beschlossen wurde.
Und hinzu kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, grundsätzlich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, ob überhaupt ein Kreditaufnahmeverbot für die Länder über Bundesrecht möglich ist.
Wie sieht das jetzt in anderen Ländern aus? Wie gehen die mit dem Thema um? Das ist ganz interessant. In Schleswig-Holstein zum Beispiel hat der Landtag am 26. März dieses Jahres