Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

Des Weiteren hat der Innenminister angekündigt, dass zur Stärkung kommunaler Selbstverwaltung die Entschädigungsverordnung aufgehoben werden soll. Dann steht es den Kreisen und Stadtvertretungen künftig frei, Beschlüsse für angemessene Entschädigungen und für den Einsatz hauptamtlicher Fraktionsmitarbeiter zu fassen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Kreistagsmitglieder nicht selbst in ihren Rechten beschneiden, wie es leider schon heute allzu oft in der Praxis der Fall ist. Ich persönlich bin nicht der Auffassung, dass ehrenamtliches Engagement durch Beschneidung von Aufwandsentschädigungen aufgewertet wird. Nein, das Ziel unserer Fraktion ist es, das Ehrenamt zu stärken und zu fördern. Und sehr hilfreich ist der Aufsatz oder die persönliche Meinungsbekundung eines Mitarbeiters des Innenministeriums im Publikationsorgan des Städte- und Gemeindetags, dem „Überblick“, an dieser Stelle auch nicht.

Im Gesetzentwurf zur Kreisstrukturreform wird dann auch zur weiteren Stärkung des Ehrenamtes zusätzlich zu den einwohnerbezogenen Größenklassen eine Flächenkomponente zur Festsetzung der Mitgliederstärke von Kreistagen hinzugefügt und das finde ich sehr konsequent. So werden in den Landkreisen mit mehr als 4.000 Quadratkilometern Flächenausdehnung acht Kreistagsmitglieder mehr im Kreistag sitzen können. Die Einwohnerstaffelung lautet: bis zu 175.000 Einwohner 61 und über 175.000 Einwohner 69 Kreistagsmitglieder. Und wenn man sich die Ergänzung anschaut in Artikel 3, die dahin gehende Änderung des Kommunalwahlgesetzes, werden im Kreistag von Nordwestmecklenburg 61 Kreistagsmitglieder, im Kreistag Nordvorpommern 69 und in dem großen Kreis Südwestmecklenburg 77 Kreistagsmitglieder ihr kommunales Ehrenamt ausführen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die kommunale Selbstverwaltung nachhaltig zu sichern und zu stärken, werden wir im Innenausschuss eingehend mit den Akteuren beziehungsweise ihren Interessenvertretern diskutieren.

Insgesamt, und hier ziehe ich meinen Schlussstrich unter meine Ausführungen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

muss jedoch davon ausgegangen werden, dass durch die straffere Ausrichtung der neuen Verwaltungsstrukturen Finanzmittel für die Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung frei werden, die in den alten Strukturen nicht nur nicht zur Verfügung stünden, sondern auch, wenn man sich die Entwicklung anschaut, ständig abnehmen würden. Kommunale Selbstverwaltung ohne freie Finanzspielräume ist nicht viel wert und macht auch nicht wirklich viel Sinn.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Vordergrund der ganzen Reformen stehen aber immer noch die Menschen, die in unserem Bundesland leben. In einem Flächenland mit nur 72 Einwohnern pro Quadratkilometer, wobei die Bevölkerung in den vergangenen Jahren ständig zurückging und auch für die Zukunft weitere Bevölkerungsverluste prognostiziert sind, müssen wir unsere Verwaltungsstrukturen diesen Entwicklungen endlich anpassen. Durch die Reformen sollen langfristig finanzierbare, aber vor allen Dingen auch leistungsfähigere Verwaltungen geschaffen werden, die qualitativ hochwertige Dienstleistungen sowohl für Privatpersonen als auch für die Wirtschaft in unserem Land bereithalten können.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Bravo!)

Eine Kreisstrukturreform ist wegen stetig fallender Einnahmen,

(Udo Pastörs, NPD: Bravo!)

abschmelzender Bundesergänzungszuweisungen und Steuereinnahmen unabwendbar. Und gerade vor dem Hintergrund der Finanzkrise – und das wurde heute auch schon genannt – ist sie nötiger denn je.

(Udo Pastörs, NPD: Oh ja!)

Sie trägt dazu bei, die Existenz unseres Bundeslandes zu sichern.

(Udo Pastörs, NPD: Nachwuchs würde das sichern, und nicht Ihre Reform.)

Es ist sozusagen fünf vor zwölf, wir müssen als Gesetzgeber handeln. Als SPD-Fraktion stehen wir dazu. Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden.

Und, sehr geehrte Damen und Herren, stimmen Sie mit uns für die Überweisung des Kreisstrukturgesetzes federführend in den Innenausschuss und in die mitberatenden Ausschüsse. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Tegtmeier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch nie hat jemand in Mecklenburg-Vorpommern so viel Zwietracht gesät und so viel Streit angestiftet wie der Innenminister Caffier mit seiner fixen Idee von den Großkreisen, in die er das Land aufteilen will. Überall rüstet man sich zum Kampf um den Verwaltungssitz und den Status der Kreisstadt: Parchim gegen Ludwigslust, Bad Doberan gegen Güstrow, in dem einen Kreis sogar Anklam gegen Greifswald, gegen Pasewalk, gegen Demmin und so weiter. Es gibt bereits von allen Seiten Erklärungen und Resolutionen, es werden Unterschriften gesammelt, Aktionen gestartet. Der Riss geht quer durch die Parteien. In Greifswald machte die dortige CDU sogar Wahlkampf gegen die Kreisgebietsreform und damit gegen ihre eigene Landesregierung.

Und das ist erst der Anfang. Mindestens zwei Jahre wird das so weitergehen und sich ständig verschärfen. Am Ende haben wir dann entweder Städte, die die Kreisverwaltung mit all ihren Arbeitsplätzen restlos verlieren und

damit in ihrer Substanz schwer geschädigt sind. Dann wird man erhebliche Geldmittel aufwenden müssen, um den Kollaps dieser Städte zu verhindern, es sei denn, man will Bergen, Grimmen oder Pasewalk offiziell aufgeben. Oder es kommt zu Zwischenlösungen. Die Verwaltung des Monsterkreises Südvorpommern würde sich dann auf Greifswald, Anklam, Pasewalk und Demmin verteilen und das wäre weder praktikabel noch finanzierbar. Allein diese bisher unterschätzte Kreisverwaltungssitzproblematik, die den kleinen Städten besonders große Sorgen macht, dürfte in ihren Folgen die erhofften Einsparungen größtenteils aufzehren.

Hinzu kommt noch die Fehlentwicklung zu mehr Bürgerferne, die vom Innenminister vorangetrieben wird. Ausgerechnet in einer Wirtschaftskrise, in der die Menschen den Schutz des Staates besonders brauchen, packt der die Koffer und empfiehlt sich. In den Großkreisen rückt die Verwaltung noch weiter weg von den Bürgern. Die Einwohner Uecker-Randows etwa fänden diese nicht mehr in Pasewalk, sondern, wenn sie Pech haben, in Greifswald, am äußersten Ende, am anderen Ende des Kreises.

In allen sonstigen Streitfragen im Lande kann jede Seite zumindest ein oder zwei Gesichtspunkte ins Feld führen, die für sich betrachtet vernünftig erschienen. Für Lubmin etwa sprächen Arbeitsplätze und Investitionen. Das muss man anerkennen, auch wenn man wie wir die Auffassung vertritt, dass die Nachteile überwiegen. Selbst beim Bombodrom sollten zumindest die Fans des Afghanistankrieges einräumen, dass die Luftwaffe ja irgendwo üben muss. Aber diese Großkreise sind einfach nur eine Schnapsidee. Für die spricht nichts. Die NPD-Fraktion lehnt es ab, lebendige Städte zugunsten abstrakter Großkreise und profilierungssüchtiger Politiker zu opfern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Wir haben schon einmal vorgeschlagen, vielmehr die Landkreise zugunsten der Städte weitgehend zu beseitigen. Eine Änderung der Kommunalverfassung in diesem Sinne ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Landkreisaufgaben würden größtenteils auf die jetzigen Kreisstädte und kreisfreien Städte übertragen, die ihr Umland dann einfach mitverwalten. Die Landräte beschränken sich auf Rechtsaufsicht und auf die Erstellung ihres eigenen Restbudgets. Die Verwaltung bleibt bei den Menschen und die Arbeitsplätze wandern nicht ab. Das ist besser als das kürzlich vorgestellte Alternativmodell der Stadtkreise. Sollte etwa Greifswald zusammen mit seinen relativ wohlhabenden Umkreisgemeinden eine einzige Kommune bilden, wäre für den Erbenanteil der Ostvorpommern nichts mehr da. Ein Leuchtturm in der Wüste, darauf liefe das hinaus.

In unserem Modell bleibt Greifswald kreisfrei und nähme Landkreisaufgaben zusätzlich für den westlichen Teil Ostvorpommerns wahr. Dafür erhielte es Personal und Mittel vom Landkreis, genauso wie Anklam für den östlichen Teil. Die Bürgermeister würden faktisch für die Fläche die Nachfolge der Landräte als Verwaltungschefs antreten. Das nennt die NPD-Fraktion bürgernah. Es gibt durchaus Alternativen zu dieser dämlichen Reform. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einwohnerinnen und Einwohner sind auf die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die ihnen von Städten, Gemeinden und Kreisen zur Verfügung gestellt werden, angewiesen. Viele Dienstleistungen sind von existenzieller Bedeutung, tragen maßgeblich zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei und ermöglichen andererseits die gleichberechtigte Teilhabe der Einwohnerinnen und Einwohner am gesellschaftlichen Leben.

Auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie in der gegenwärtigen Krise muss deshalb das Angebot an Daseinsvorsorge in den Kommunen aufrechterhalten, wenn nicht gar ausgebaut werden, denn in den Städten und Gemeinden leben und arbeiten Einwohnerinnen und Einwohner für gewöhnlich. Dort gehen die Kinder in Kita und Schule, werden medizinische Leistungen beansprucht, muss Abwasser entsorgt werden, treffen sich Jugendliche in Jugendklubs, verabreden sich Senioren in den Gemeindehäusern oder Stadt- und Gemeindevertreter kommen zusammen, um über die Aufgaben ihrer Kommune zu beraten und zu entscheiden.

Um dies alles zu ermöglichen, quasi um den Alltag zu bewältigen, brauchen die Städte, Gemeinden und Kreise neben ihren eigenen Einnahmen eine angemessene und eine zuverlässige Finanzausstattung durch das Land. Nur so können sie tatsächlich die Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises erledigen. Wir befürchten aber, nachdem uns der Entwurf des FAG nun vorliegt, dass den Kommunen unseres Landes in den nächsten Jahren bereits die nötigen finanziellen Mittel fehlen werden, um die Pflichtaufgaben erfüllen zu können, von den sogenannten freiwilligen Aufgaben ganz zu schweigen. Die Auswirkungen der aktuellen Steuerentwicklung auf die künftigen Schlüsselzuweisungen werden gravierend sein. Und noch ist ungewiss, was uns im November die Steuerschätzung bescheren wird. Auch deshalb befürchten wir, dass viele Kommunen auf Dauer ihre finanzielle Leistungsfähigkeit verlieren, keine ausgeglichenen Haushalte mehr vorlegen können und damit ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können, denn mit dem hier vorgelegten Entwurf des FAG, so schätzen es auch die kommunalen Verbände ein, ist eine aufgabengerechte Finanzausstattung nicht gegeben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, nun heißt es immer, in den letzten Jahren konnten die Kommunen ja steigende Einnahmen verzeichnen und sich so Luft zum Atmen verschaffen. Und weiter wird dann immer behauptet, finanziell wären die Kommunen gut aufgestellt. Das ist aber nur zum Teil richtig, denn neben den in der Regel gestiegenen Einnahmen der Kommunen sind parallel die Kosten für soziale Leistungen weiter gewachsen,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Sie werden weiter wachsen!)

insbesondere die Kosten, die die Kommunen tragen müssen, um die Auswirkungen von Hartz IV für ihre Einwohner/-innen zu bewältigen. Aber auch der angeblich wirtschaftliche Standortvorteil in MecklenburgVorpommern, nämlich die skandalös hohe Anzahl von Niedriglohnempfängern, geht zulasten der Kommune.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Richtig.)

Diese Kosten fressen einen großen Teil der Einnahmen wieder auf und aufgrund der Strukturschwächen in unserem Land sind die Kommunen ganz besonders betroffen. Sie zahlen zum Beispiel die Elternbeiträge für Kinderbetreuung oder das Wohngeld für Niedriglohnempfänger. Und in diesem Falle werden die Kommunen sozusagen in finanzielle Haftung für die Beschlüsse der ehemaligen rot-grünen und der jetzigen rot-schwarzen Bundesregierung genommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das Missverhältnis zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Kommunen drückt sich ganz klar im Verhältnis zwischen den getätigten Investitionen und den geleisteten Sozialabgaben aus. Dieses Verhältnis – und das ist für jeden nachlesbar – hat sich im Verlauf der letzten Jahre stark zulasten der Investitionen verschoben

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Genau.)

und wird mit dem FAG keineswegs verändert werden, denn die Ausgaben für die sozialen Leistungen sind von den Kommunen aufgrund gesetzlicher Vorgaben kaum beeinflussbar und damit auch unvermeidbar.

Unübersehbar, meine Damen und Herren, ist nach wie vor auch der Investitionsstau in vielen Kommunen bei Schulgebäuden, den Straßen, dem kommunalem Wohnungsbestand. Die Finanzspritze aus dem Konjunkturprogramm II wirkt hier nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal die Kommunen noch ihren eigenen Anteil aufbringen müssen.

Meine Damen und Herren, es ist doch eine Binsenweisheit: Die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung wird immer kleiner, je weniger Geld den Kommunen zur Verfügung steht. Und letztlich geht der politische Handlungsspielraum gegen null, wenn der kommunale Haushalt kein Geld mehr für freiwillige Aufgaben hat wie Kultur, Sport, Jugend- oder Seniorenarbeit. Und da hilft es dann praktisch gar nichts, wenn theoretisch rein rechtlich die Selbstverwaltungsgarantie ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben in den Gemeinden einräumt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Von einem intakten Dorfleben, ehrenamtlichem Engagement und einem lebenswerten Umfeld profitiert nicht nur die einzelne Gemeinde, davon profitiert auch das demokratische Gemeinwesen. Und umgekehrt, meine Damen und Herren, schadet es nicht nur der Gemeinde und den Einwohnerinnen und Einwohnern, wenn nichts mehr stattfindet, es schadet auch dem Gemeinwesen und der Demokratie.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und auch deshalb kann und darf sich das Land nicht aus seiner Verantwortung stehlen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Genau so.)

Meine Damen und Herren, ja, wir brauchen eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Wir brauchen einen fairen, aufgabengerechten und transparenten Finanzausgleich zwischen dem Land einerseits und den Kommunen andererseits.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist wie in einer Ehe. In guten und in schlechten Zeiten stehen wir zusammen.)

Darin sind, darin waren wir uns einig. Und deshalb hat der Landtag in der letzten Legislaturperiode zwei Entschließungen, gleich zwei, gefasst,