die diese Krise maßgeblich mit verursacht haben. Im Gegenzug ist es an der Zeit, für diejenigen, die selbst zu Boomzeiten noch reale Lohneinbußen hinnehmen mussten, die Steuern zu senken. Das ist nicht nur ein Gebot der Rezession zur Steigerung von Massenkaufkraft und Binnennachfrage, sondern vor allem der Steuergerechtigkeit. Wir brauchen endlich, meine Damen und Herren, eine dauerhaft höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften, hoher Einkommen und Unternehmensgewinne.
Mit der steuerpolitischen Begünstigung der großen Unternehmen, der Reichen und Vermögenden muss Schluss sein. Entscheidend ist doch, dass die Steuereinnahmen ausreichen, um die notwendigen staatlichen Aufgaben, vor allem die der staatlichen Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherung sowie der Zukunftsvorsorge zu gewährleisten. Und dass die Ansprüche an staatliche Aufgaben nicht geringer werden, darauf hat ja auch die Finanzministerin verwiesen. Da finden wir es absolut kontraproduktiv, auf 32 Millionen Euro Steuereinnahmen zu verzichten. Wer das tut, will keine Gerechtigkeit, sondern spielt mit dem Feuer sozialer Unruhen.
Steuerentlastungen für alle – so, wie Sie es fordern –, also auch für die Spitzenverdiener, das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun.
Steuergerechtigkeit heißt für uns nicht nur Entlastung für Gering- und Normalverdiener und eine stärkere Besteuerung großer Vermögen und Spitzeneinkommen, sondern auch Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung, einschließlich des Abbaus von Steuerumgehungsmöglichkeiten. Aber Steuergerechtigkeit bedeutet für uns auch, dass alle Steuerpflichtigen individuell und unabhängig von ihrer Lebensweise veranlagt werden.
Und bevor Sie jetzt wieder schreien, dass DIE LINKE den sogenannten Leistungsträgern an den Kragen will, sage ich Ihnen noch Folgendes, meine Damen und Herren: Die Einnahmen aus den vermögensbezogenen Steuern betragen in Deutschland gerade mal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist weniger als die Hälfte des OECD-Durchschnitts.
Meine Damen und Herren, Steuern müssen wieder dafür eingesetzt werden, wofür sie einmal erfunden wurden, nämlich um in der Gesellschaft Gerechtigkeit herzustellen,
Jeder und jede muss entsprechend der individuellen Kraft zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Das ist unser Maßstab. Und deshalb können wir dem Antrag und natürlich auch dem Steuerkonzept nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein wirklich guter FDP-Antrag. Ich erwarte, dass Herr Roolf mir noch mal erklärt, was „Steuerentlassungen“ sind. Das ist mir auch erst im Nachhinein aufgefallen, da kriegen wir ja noch mal eine Erklärung. Ich gehe mal davon aus, er meint „Steuerentlastungen“ für alle.
(Michael Roolf, FDP: Ja, ja. – Hans Kreher, FDP: Sehen Sie, wie wichtig dieser kleine Tippfehler ist.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dieser Antrag bietet uns doch die Chance, und das finde ich auch ganz gut, gut vor der Bundestagswahl,
die unterschiedlichen Positionen zur Steuerpolitik hier noch mal miteinander zu diskutieren. Insofern ist es ein guter Antrag.
Was ich festgestellt habe bei Herrn Roolf, ist, dass er einerseits sehr oberflächlich ist, andererseits aber – und das ist das, was ich vermisse – es versäumt hat, mal konkret zu sagen, was die FDP überhaupt will mit ihrem steuerpolitischen Konzept. Das heißt, die konkreten Aussagen habe ich zwar in Ihrem Programm nachlesen können, aber sie fehlten mir in Ihrer Rede. Die Rede
war etwas oberflächlich. Insofern möchte ich selbst vielleicht für alle die wichtigen Kernpunkte des FDP-Steuerkonzepts hier noch mal kurz nennen.
Als Erstes haben wir diesen dreistufigen Steuertarif mit 10, 25 und 35 Prozent, 10 Prozent bis 20.000, dann die 25 Prozent von 20.000 bis 50.000 und über 50.000 die 35 Prozent. Die sind ja schon bekannt. Das Einfache an diesem Tarif vor allen Dingen ist, je höher das Einkommen ist, umso höher ist natürlich auch die Entlastung. Ich sage mal, Professor Kirchhof aus Heidelberg lässt grüßen. Das ist ja insofern auch nicht neu.
Ein zweiter Punkt – und der ist durchaus positiv im Interesse der Familien – ist, den Grundfreibetrag, der ja jetzt bei 8.004 Euro liegt bei Erwachsenen, auch bei den Kindern auf 8.004 Euro zu bringen. Bei den Kindern liegt er momentan bei 6.024 Euro und soll auf 8.000 Euro gebracht werden – sehr ehrgeizig. 2.000 Euro, eine gute Sache, sind den Familien zu gönnen. Allerdings kostet das natürlich noch etwas. Dazu komme ich dann noch.
Punkt 3 – die Erbschaftssteuer soll Ländersteuer werden. Das sollte man klipp und klar sagen und die FDP macht es auch ab und an mal. Ziel ist natürlich die Abschaffung der Erbschaftssteuer.
Das wäre nicht nur sozial ungerecht, sondern natürlich wären es weitere 4 Milliarden Euro, die dann fehlen würden, denn eine Übertragung auf die Länder ist der Einstieg in den Ausstieg der Erbschaftssteuer, und das ist von der FDP ganz klar auch so gewollt.
Aber viertens – und das ist der entscheidende große Block – plant die FDP und schlägt massive Steuersenkungen für Unternehmen vor, und zwar frei nach dem Motto: „Wünsch dir was!“ Das geht los mit der Abschaffung der Gewerbesteuer. Darüber dürften sich vor allen Dingen die Kommunen freuen und, Herr Kreher, Sie als Bürgermeister müssten normalerweise im Karree springen,
denn in Ihrem Programm steht lediglich für die Gegenfinanzierung, ich zitiere: „Kommunen sollen durch ein neues Konzept der Kommunalfinanzierung die Einnahmen gesichert werden als Ersatz für den Wegfall der Gewerbesteuer.“ Also oberflächlicher geht es ja schon gar nicht mehr.
(Hans Kreher, FDP: Sie wissen doch selbst, wie unberechenbar die Gewerbesteuer für die Kommunen ist. Gucken Sie doch mal nach Dassow! – Zuruf von Gino Leonhard, FDP)
Unabhängig von der Rechtsform gilt für Unternehmen, wenn es nach der FDP geht, grundsätzlich nur der zweistufige Steuertarif – 10 beziehungsweise 25 Prozent,
nicht die 35 Prozent. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz, das wurde ja schon mehrfach verkündet, gilt übrigens nicht nur für Hotels und Gastronomen, sondern, wie man hört, auch für Energieunternehmen – wenn schon, denn schon – gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, also auf 7 Prozent herunter, und das zu einer Zeit, wo wir darüber reden, wie wir auf wirksame Art und Weise etwas für den Klimaschutz machen und für die Entwicklung der erneuerbaren Energien. In dem Falle ist bei der FDP Klimaschutz Fehlanzeige.
Man könnte noch weitermachen: Abschaffung der Zinsschranke, Einschränkung der Verlustnutzung bei Übernahme und Sanierung, Vergünstigung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Wiedereinführung der degressiven AFA, Sofortabschreibung geringfügiger Wirtschaftsgüter auf 1.000 Euro und so weiter und so fort – ein Tableau nach dem Motto „Wünsch dir was“, was natürlich auch etwas kostet, Herr Roolf. Glauben Sie mir, ich würde ganz gern mit Ihnen mal darüber reden, was diese Veranstaltung denn im Paket nun eigentlich kostet.
Aber Sie haben sich bisher noch nicht geäußert. Es fällt doch auf, dass von Ihnen persönlich, aber auch von der FDP bisher für mich nicht erkennbar war, wann die Frage beantwortet wird, was diese Party kostet. Was kostet diese Veranstaltung? Lediglich bei der Einkommenssteuer heißt es nach FDP-Berechnungen 35 Millionen Euro, aber alle anderen Bestandteile dieses gigantischen Steuerentlastungspakets werden von Ihnen nicht beziffert. Vielleicht kommt das ja nachher noch. Es ist natürlich durchaus möglich für Finanzexperten, für Wissenschaftler, für Institute und andere, ihre Pläne zu beziffern im Korridor von mindestens 80 Milliarden bis 160 Milliarden Euro. Es ist ein Korridor, weil natürlich bei diesem breiten Tableau, was Sie hier offerieren, es gar nicht möglich ist, das praktisch zielgenau auf eine Milliardensumme festzulegen. Es ist „von bis“.
Meine Damen und Herren, auch wenn ich nur die geringer geschätzte Summe ansetze, 80 Milliarden Euro pro Jahr, weiß man, dass man hier nicht über Peanuts redet. Insofern glaube ich, dass man zumindest erwarten kann, wenn eine Partei sich hinstellt, daherkommt und meint, sie könnte mal locker 20 Prozent des gesamten Steueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden durch Steuerentlastung senken und den Bürgern eine Wohltat vollbringen, dass einmal erklärt wird, wo denn dieses Geld herkommen soll.
Da bin ich bei der Begründung, bei der ersten Begründung für die Ablehnung durch die SPD-Fraktion. Ich glaube, es ist wirklich finanzpolitisch eine Geisterfahrt, mit 80 Milliarden Euro pro Jahr auf die Reise zu gehen und eine völlig, aber eine völlig unzureichende Gegenfinanzierung auf den Tisch zu legen. Ich behaupte gar nicht, dass Sie nicht versuchen, etwas für die Gegenfinanzierung zu machen, aber es ist doch völlig unzureichend.
Zu dem, was Sie als Lösung offerieren, die sogenannte Selbstfinanzierung durch Ankurbelung von Konsum, Binnennachfrage und des Wachstums, sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, das ist eine Selbstfinanzierungslüge, denn Sie werden damit nur einen Bruchteil dessen in den nächsten Jahren durch Wachstum erzielen, was Sie durch diese Steuerentlastung pro Jahr verlieren.
Sie selbst, Herr Roolf, haben in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass es kurzfristig gar nicht möglich ist, über Wachstum diese Gegenfinanzierung abzusichern.
Wo Sie recht haben, haben Sie recht, denn diese Selbstfinanzierung hat nämlich noch nie funktioniert. Es ging los in den 80er-Jahren in den USA unter Reagan und ich muss zugeben, auch unter Rot-Grün, unter Gerhard Schröder, die große Steuerreform von 1999 bis 2004 hat nicht die Selbstfinanzierung gebracht, wie sie versprochen wurde.