Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Herr Roolf, man kann auch aus Fehlern lernen.

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Hans Kreher, FDP)

Und als Finanzpolitiker war ich schon 1999 und 2000 gegen diesen Umfang der rot-grünen Steuerreform. Das kann man für sich auch einmal in Anspruch nehmen.

(Hans Kreher, FDP: Aber unter Stoltenberg hat das seinerzeit geklappt.)

Gerade deswegen bin ich persönlich auch bei meiner Linie geblieben. Jeglichen Steuerentlastungsplänen, die nicht solide gegenfinanziert werden, werde ich als seriöser Finanzpolitiker immer eine Absage erteilen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, hoffentlich.)

Jetzt zur Gegenrechnung. Es ist natürlich interessant, wenn man sich einmal vorstellt, wie das Wirtschaftswachstum denn wirklich erzielt werden könnte. Das ist in Talkshows schon oft besprochen worden. Ich wundere mich wirklich, dass Sie immer noch nicht die Kurve gekriegt haben. Wenn Sie Ihre 80 bis 100 Milliarden Euro praktisch einmal zur Grundlage nehmen, dann ist die Rechnung sehr einfach. Sie müssten ein Wirtschaftswachstum erzielen von 14 Prozent pro Jahr aufwärts,

(Stefan Köster, NPD: Das schaffen sie nie.)

ein Wirtschaftswachstum von 14 Prozent aufwärts. Das ist in China vielleicht einmal der Fall gewesen. Aber wenn man sich einmal ansieht, was in Deutschland in den nächsten Jahren zu erwarten ist, dann würden wir zwischen 1 bis 2 Prozent liegen

(Michael Roolf, FDP: Ja, wenn das so weitergeht, ja.)

im Durchschnitt bei positiven Erwartungen an das Wirtschaftswachstum. Insofern, ich wiederhole, ist Ihre Gegenfinanzierung völlig unzureichend.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Unseriös.)

Ich möchte auch an dieser Stelle sagen, dass das, was momentan bei Ihnen diskutiert wird als Gegenfinanzierung, eine Liste von 400 Vorschlägen bezogen auf den Bundeshaushalt, das sogenannte liberale Sparbuch ist. Auch wenn man das mal checkt, kommt man, wenn überhaupt, höchstens auf 10 Milliarden Euro, wenn man unterstellt, das würde sich alles in der Praxis umsetzen lassen.

Es bleibt also dabei: Egal, wie man rechnet, diese Steuer entlastungspläne der FDP würden ein Riesendefizit in den öffentlichen Haushalten hinterlassen, weil

es einfach keine Chance gibt, in diesem Umfang gegenzufinanzieren.

Ich komme zu einem zweiten Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen als SPD. Es ist eigentlich hinlänglich bekannt, nur offenbar nicht der FDP, dass es zurzeit überhaupt keine Spielräume gibt für Steuersenkungen aufgrund der aktuellen Situation.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Die Rekordneuverschuldung wird 2010 auf 100 Milliarden Euro steigen, für 2011 bis 2014 insgesamt auf 320 Milliarden Euro. Entsprechend der Mittelfristigen Finanzplanung liegen wir 2013 bei 46 Milliarden Euro. Im Übrigen wollen Sie ab 2016 dann auf 0,35 Prozent herunterkommen. Sie sind ja ein Verfechter des absoluten Schuldenverbots, das heißt 2016 dann nur noch 8 Milliarden Euro. Das heißt, Sie müssten zusätzlich zu den Ansprüchen an den Bundeshaushalt eine Konsolidierungsrate bringen pro Jahr von circa 2 Prozent, um den strukturellen Defizitbundeshaushalt auf diese Summe oder Vorgabe 2016 zu bringen.

Hinzu kommt der Druck auf die Sozialkassen, der sich schon jetzt auf den Gesundheitsfonds erhöhen wird und auch in den nächsten Jahren. Wir müssen leider davon ausgehen, dass wir vermutlich bald über vier Millionen Arbeitslose in Deutschland haben, das heißt, den Ansprüchen und Anforderungen an die Bundesagentur für Arbeit kann sich auch praktisch der Bund nicht entziehen. Man muss davon ausgehen, dass hier zukünftig 20 bis 50 Milliarden Euro praktisch zugeschossen werden müssen, auch wenn mit Darlehen zwischenfinanziert wird. Möglicherweise ist das eine Belastung für den Bundeshaushalt.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das riecht nach Staatsbankrott.)

Ich möchte an dieser Stelle jemanden zitieren, der sich, glaube ich, ganz gut in der Materie auskennt. Er wird auch als Shootingstar der deutschen Politik gefeiert. Es ist so, dass Herr zu Guttenberg am 20. September in der ARD bei Anne Will unter anderem eine, wie ich finde, ziemlich freundliche Bewertung der Steuersenkungspläne der FDP vorgenommen hat. Ich darf Herrn von Guttenberg zitieren: „Das Jahr 2011 bietet Spielräume (für eine Steuersenkung …) in meinen Augen, und das Jahr 2012. Abgestuft. Nicht in Formen wie es die FDP vorschlägt, das ist glaube ich in meinen Augen wirklich eine Träumerei …“ Wo er recht hat, hat er recht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD lehnt den FDP-Antrag aber noch aus einem dritten Grunde ab. Wir sind der Meinung, dass die Steuersenkungspläne der FDP zutiefst sozial ungerecht sind. Sie sind genau das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten, sie wären angeblich gerecht. Sie sind zutiefst sozial ungerecht. Die FDP will den Reichen in Deutschland auf Kosten der Gemeinschaft riesige Geldgeschenke machen. Das ist die Wahrheit.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

Unbezahlbare Steuergeschenke für Besserverdienende, das ist die Wahrheit.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So weit zur Klientelpolitik.)

Der Arcandor-Chef Eick wurde schon von Frau Finanzministerin hier genannt. Dem schenken Sie 1,566 Millionen Euro. Mal sehen, was er dann in Eigenverantwortung davon der Gesellschaft zurückgibt.

Aber bleiben wir einmal bei einem normalen Vorsitzenden eines Dax-Konzerns, Einkommen 4 Millionen Euro. Das sind bei diesen Herren normale Größen.

(Gino Leonhard, FDP: Das ist normales Einkommen.)

Auch der spart dann zukünftig 400.000 Euro pro Jahr nach der FDP.

(Stefan Köster, FDP: Denen geht’s ja auch ganz schlecht.)

Ein Einkommensmillionär spart knapp 100.000 Euro, wenn es zukünftig nach der FDP geht.

Da sind natürlich die Steuervorteile für Normalverdiener eher bescheiden. Ein Normalverdiener mit 2.500 Euro brutto spart 69 Euro pro Monat, im Jahr 798 Euro. Oder ein Ehepaar, Doppelverdiener, mit einem Kind spart 943 Euro pro Jahr, wenn man einmal von 30.000 Euro brutto ausgeht.

(Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Das heißt, es bringt zwar was, aber, meine Damen und Herren von der FDP, in Ihrem Programm haben Sie vielfältige Möglichkeiten schon eingebaut, um natürlich gerade dem Normalverdiener das Geld dann wieder aus der Tasche zu ziehen.

(Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Das Geld wird ihnen doppelt und dreifach aus der Tasche gezogen mit Kopfpauschale, mit höheren Studiengebühren, mit anderen Gebühren. Da bin ich dann gespannt, wie Sie damit umgehen. Ich sage mal, in den Medien wird viel spekuliert über Mehrwertsteuer, wollen wir einmal sehen, wie sich die FDP dazu stellt.

(Udo Pastörs, NPD: Das müsst ihr gerade sagen! Das müsst ihr hier gerade sagen! – Zurufe von Hans Kreher, FDP, und Toralf Schnur, FDP)

Wir werden mal sehen, wie die FDP zukünftig mit dem Thema umgeht.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, ja. – Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Meine Damen und Herren von der FDP, wir werden uns auch bei dem Thema wiedertreffen.

(Michael Roolf, FDP: Alles klar.)

Ich möchte natürlich dann noch die Gelegenheit nutzen, weil Sie es schon angesprochen haben, noch einmal auf die SPD einzugehen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Für uns ist völlig klar, dass eine Steuervereinfachung wichtig ist und für uns auch ein politisches Ziel darstellt. Das ist eine Erwartung, die, glaube ich, zu Recht viele Menschen im Land haben.

(Gino Leonhard, FDP: Seit zwölf Jahren.)

Insofern ist die SPD offen für die Reduzierung der Einkommensarten, sie ist offen für angemessene unbürokratische Pauschalen, sie ist offen für den Wegfall komplizierter Einzelfallberechnungen, denn wir brauchen eine klare, einfache und verständliche Regelung in unserem Steuersystem. Deshalb werden wir, und das ist in unserem Programm so vorgesehen, auch einen Steuerbonus von 300 Euro zahlen, wenn jemand auf seine

Steuererklärung verzichtet. Das ist auch ein praktischer Beitrag zur Steuervereinfachung.

(Toralf Schnur, FDP: Das ist aber kein Geschenk, Rudi.)

Aber, meine Damen und Herren von der FDP, wir werden bei keiner Steuervereinfachung mitmachen, die zulasten der öffentlichen Haushalte geht und die die Handlungsfähigkeit des Staates einschränken wird, denn das ist für uns auch sozial gerecht. Für uns heißt ein gerechtes Steuersystem, dass die Einnahmebasis durch Steuern sich nicht verschlechtern darf. Sie muss sich stabilisieren, denn nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.

(Heinz Müller, SPD: So ist das.)

Wir brauchen einen starken Staat, der in der Lage ist, mit seinem Geld für Bildung, für Forschung und für Kindertagesstätten, für Wirtschaft und für soziale sowie kulturelle Leistungen für die Menschen etwas Gutes zu tun.