Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

dass Größe eine Lüge sei, die Wahrscheinlichkeit größer würde, dass die Leute es glauben, dann trifft das exakt nicht zu, weil ich so etwas noch nie gesagt habe, stelle aber bitte schön fest, dass das, was wir hier ganz spe ziell von Herrn Dr. Nieszery vorgetragen bekamen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tief getroffen, oder? Hat tief getroffen, oder?)

eine dicke Lüge ist, weil Sie nämlich die halbe Wahrheit sagen, und die halbe Wahrheit ist eben nicht objektiv die Wahrheit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich lass mich von Ihnen nicht als Lügner bezeichnen. Ich lass mich von Ihnen nicht als Lügner bezeichnen.)

Und das war mir wichtig, hier noch einmal zurechtzurücken. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Herr Abgeordneter Pastörs, da Sie in Ihrer Rede, der persönlichen Bemerkung, den Vortrag des Abgeordneten Dr. Nieszery und ihn damit persönlich als Lügner bezeichnet haben, erteile ich Ihnen einen dritten Ordnungsruf und entziehe Ihnen das Wort für die heutige Sitzung.

(Angelika Peters, SPD: Tschüss!)

Frau Abgeordnete Peters, Sie haben Entscheidungen des Präsidenten nicht zu kommentieren und ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und NPD – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Förderung eines flächendeckenden Angebotes der Freien Theater in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2784.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Förderung eines flächendeckenden Angebotes der Freien Theater in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/2784 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dieser denkwürdigen, aufklärenden und erhellenden Debatte darf ich Ihnen jetzt den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Förderung eines flächendeckenden Angebotes der Freien Theater in Mecklenburg-Vorpommern“ einbringen und begründen. Wir möchten Ihnen gegenüber in diesem Hohen Hause die Aufmerksamkeit auf das Wirken der Arbeit der Freien Theater lenken und ich sage nicht ganz ohne Stolz,

(Udo Pastörs, NPD: Was heißt hier „Stolz“?)

dass dies das erste Mal im Landtag MecklenburgVorpommern ist, dass die Arbeit der Freien Theater, der Freien Szene, eine Rolle spielt.

Unser Vorschlag ist der, dass die Grundaussagen zur Förderung der Freien Theater hier eine Unterstützung erfahren mögen, und diese Grundaussagen hergenom

men werden können für ein Entwicklungskonzept für die Freien Theater in unserem Land. Bei diesem Entwicklungskonzept geht es uns um verlässliche Rahmenbedingungen in der Zukunft, somit um eine nachhaltige Bestandssicherung und um eine Belebung der kulturellen Vielfalt und des kulturellen Austausches in unserem Land.

Im vergangenen Jahr haben wir aus gutem Grund angesichts des vom Bildungsminister vorgelegten und vom Kabinett bestätigten Eckpunkte- und Diskussionspapiers häufig über die Zukunft der Mehr- und Einspartentheater, ich nenne sie in der Folge einmal die etablierten Theater, debattiert und gestritten. Ich denke aber, dass es ein Missverhältnis zwischen der Wahrnehmung, Anerkennung und Förderung von etablierten Theatern und Freien Theatern gibt.

Die Freien Theater in unserem Land – ich denke, da werden Sie mir zustimmen – leisten eine ganz beachtliche, hervorragende Arbeit. Allein im vergangenen Jahr haben sie mehr als 1.400 Veranstaltungen durchgeführt und dabei mehr als 85.000 Besucherinnen und Besucher erfreut. Zwei Festivals wurden durchgeführt und Workshops. Die Besucherzahlen – das möchte ich anmerken – bei den Freien Theatern entsprechen annähernd denen aller Einspartentheater im vergangenen Jahr in unserem Land.

Auch wenn Vergleiche gelegentlich hinken, ich will sie dennoch einmal anstellen. Gemessen an den Besucherzahlen – die etablierten Theater hatten im vergangenen Jahr 862.000 Besucherinnen und Besucher und haben hierfür landesseitig eine Förderung von 35,8 Millionen Euro erhalten –, haben die Freien Theater, wie gesagt, 85.000 Besucherinnen und Besucher gehabt und eine Förderung von 267.000 Euro erhalten, während ein Verhältnis bei den Besucherinnen und Besuchern zwischen etablierten und Freien Theatern von 10:1 besteht, bei der Förderung von 134:1. Aber das ist nicht der Punkt, um den es uns geht. Und dieser Antrag, den wir Ihnen vorlegen, hat auch keinen vordergründig monetären Hintergrund. Er soll nur illustrieren, alles im Leben ist ein Vergleich.

Die Freien Theater repräsentieren eine Basiskultur, die uns wertvoll ist und die uns wichtig sein soll. Freie Theater sind Tanz-, Sprech- und Musiktheater, Figurentheater, LifeArt und bei uns im Land besonders Kinder- und Puppentheater.

(Udo Pastörs, NPD: Könnten Sie sich mal bewerben.)

Freie Theater sind die Vielfalt der Ausdrucksformen, Darstellungsmöglichkeiten und Experimentierfreude. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Spielorten, in Kindertagesstätten, in Schulen, in Büchereien und Kulturzentren.

Welche Rahmenbedingungen haben wir zu verzeichnen für die Arbeit der Freien Theater? Wir haben dankenswerterweise eine Analyse zur Verfügung gestellt bekommen über Auftrittsorte und Anzahl der Vorstellungen. Ich halte die mal hoch.

(Udo Pastörs, NPD: Kann man gut erkennen.)

Sie ist nicht einsehbar auf die Entfernung, deswegen will ich sie kurz interpretieren.

(Udo Pastörs, NPD: Ja. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Erstens. Wir haben festzustellen in unserem Land, dass es in wachsendem Maße, ich nenne es mal, Kulturwüsten gibt, also Regionen in unserem Land, in denen es kaum Auftritte von Freien Theatern gibt. Insbesondere ist das zu verzeichnen im Uecker-Randow-Kreis, in Mecklenburg-Strelitz, im Müritz-Kreis, in Demmin, Parchim, Ludwigslust und Güstrow.

Zweitens haben wir zu verzeichnen eine absehbare Spaltung zwischen Stadt und Land. Insbesondere wegen fehlenden öffentlichen Personennahverkehrs werden Auftritte immer schwerer, insbesondere im ländlichen Raum, zu organisieren.

Drittens ist festzustellen, dass sich die Theaterangebote der Freien Theater vor allen Dingen schwerpunktmäßig in touristischen Hochburgen verzeichnen lassen. Insofern ist festzustellen, dass es einen unterschiedlichen Stellenwert von Angeboten für touristische Gäste und den Einwohnerinnen und Einwohnern in unserem Land gibt.

Viertens ist festzustellen, dass die finanzielle Förderung in unserem Land, wenn auch leicht, aber dennoch rückläufig ist. Die Landesförderung für Freie Theater betrug im Jahre 2000 286.000 Euro, im Jahre 2009 sind 267.000 Euro veranschlagt.

Fünftens. Freie Theater sind von Haushaltssperren in den Kommunen als Erste betroffen. Das wissen wir alle. Freie Theater gehören zum Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben.

Was wollen wir seitens der LINKEN mit dem Grundsatzpapier und einem späteren Konzept erreichen?

Erstens. Wir wollen ein flächendeckendes Angebot der Freien Theater in unserem Land sichern im Interesse gleichwertiger Lebens- und Entwicklungsbedingungen der Menschen in Stadt und Land.

Zweitens wollen wir die Förderung der öffentlichen Hand, die es gibt, die auch lobenswert ist, weiter optimieren, und zwar

a) durch eine zielgenauere Förderung, nämlich durch eine Unterteilung der Förderung in Basisförderung, also die Förderung für die Produktion, und die Betriebskosten der Freien Theater,

b) eine Spielstättenförderung, sie soll dem Erhalt der Ausstattung und der Weiterentwicklung der Ausstattung dienen,

c) eine Ensembleförderung, hier geht es uns um die Kooperation und Vernetzung,

d) eine Festivalförderung, um sicherzustellen, dass die Festivals, von denen ich vorhin gesprochen habe, auch weiterhin durchgeführt werden können,

e) eine Einstiegsförderung in Form von Stipendien, die es gibt, das geht aus einer Antwort auf die Kleine Anfrage von mir hervor, wir wollen das gern verstetigt sehen, und

f) eine Einzelprojektförderung, wobei es uns wichtig ist, dass die Förderung während der Projektlaufzeit und nicht später durchgeführt wird.

Wir wollen, wenn es um das Optimieren der Förderung geht, erstens die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für den Landesverband erreichen, indem die Landesgeschäftsstelle der Freien Theater unterstützt wird. Wir wollen die Kombination von verschiedenen Förderungen ermöglichen.

Zweitens wollen wir – das wäre zusätzlich und das ist der einzig finanzrelevante Punkt, aber da wir uns in der Haushaltsberatung befinden, ist dies eine Sache, die uns dann in den Haushaltsberatungen beschäftigen soll – eine spezielle Auftrittsförderung. Uns schwebt vor, 200 Veranstaltungen im Jahr zu fördern à 200 Euro. Das macht Mehrkosten von – aus unserer Sicht völlig vertretbar – 40.000 Euro. Es handelt sich dabei um eine Auftrittsförderung, die speziell im ländlichen Raum greifen soll.

Drittens wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass der prekären Beschäftigung entgegengewirkt wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Parlamentarischen Abends, der vor einiger Zeit stattgefunden hat, durchgeführt durch die Ersatzkassen, war insofern sehr aufschlussreich, als uns dort zum Beispiel vermittelt wurde, wie die Einkommenssituation in den freien Berufen hierzulande ist. Die Spanne reicht von den Ärztinnen und Ärzten von 100.000 bis 120.000 Euro Jahreseinkommen bis zum anderen Extrem von 5.000 bis 11.000 Euro durchschnittliches Jahreseinkommen bei Künstlerinnen und Künstlern der Freien Theater.

Viertens. Wir wollen die Vernetzung von Freien Theatern und Schulen verbessern. Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern auf diesem Gebiet haben uns gezeigt, dass sich auf dem Gebiet der Verbindung zwischen Kindertagesstätten und Freien Theatern vieles positiv entwickelt hat. Rückläufig ist die Verbindung von Schulen und Freien Theatern. Hier gilt es zu optimieren, etwas zu verbessern. Es liegt in unserer Hand, dafür auch die Rahmenbedingungen zu geben.

Fünftens und letztens, damit möchte ich dann die Begründung des Antrages abschließen, geht es uns darum, das Wirken Freier Theater als wertschöpfende Arbeit anzuerkennen. Künstlerinnen und Künstler, die auf diesem Gebiet tätig sind, leisten gesellschaftlich notwendige Arbeit. Sie bereichern geradezu unser Leben, sie schaffen selbst wiederum Arbeitsplätze im Handwerk, als Drucker, Schneider, Grafikerinnen und Grafiker, aber auch im Gaststätten- und Hoteliergewerbe. Insofern ist es wichtig, dass wir diesen Bereich mit einer entsprechenden Aufmerksamkeit in unserer Arbeit berücksichtigen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Koplin. Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.