Protokoll der Sitzung vom 21.10.2009

Ich weiß, dass die Verlage unter hohem wirtschaftlichen Druck stehen, aber ich sage, Erfolg hat nicht der, der kurzfristig auf hohe Renditen setzt, sondern der, der sich langfristig gut aufstellt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD – Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Und eine gute Strategie ist sicherlich, wenn die Zeitungen auf ihre Kernkompetenzen setzen, auf die lokale Verankerung, auf die lokale Vermittlung von Ereignissen und auf attraktiven Journalismus, wenn sie darauf setzen, sich auch vor Ort zu engagieren – das tun viele Zeitungen –, den Menschen eine Plattform zu geben, und darauf, auch die Möglichkeiten der neuen Medien zu nutzen. Wenn Sie den Bericht lesen, werden Sie mir zustimmen, es gibt dazu im Land sehr viele Erfolg versprechende Ansätze. Ich kann die Zeitungen nur ermuntern, diesen Weg konsequent weiterzugehen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns in Deutschland, auch vor dem Hintergrund unserer historischen Erfahrungen, darauf verständigt, dass sich die Presse – unabhängig von politischer Beeinflussung – selbst organisiert. Das ist ein hohes Gut. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Presse- und Meinungsfreiheit und deshalb ist die Politik auch in schwierigen Zeiten gut beraten, sich so weit wie möglich herauszuhalten. Wir müssen aber, denke ich, darüber nachdenken, dort zu helfen, wo die Selbstorganisation der Medien an Grenzen stößt.

Ein wichtiges Anliegen ist dabei, dass wir eine übermäßige Konzentration von Meinungsmacht in einer Hand verhindern. Das tun wir in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel im neuen Rundfunkgesetz, indem wir dort festschreiben, dass sich Zeitungsverlage maximal zu 25 Prozent an regionalen Fernsehsendern beteiligen dürfen. Das, finde ich, ist eine gute Regelung.

Der Bericht enthält eine Reihe von weiteren Vorschlägen gerade auch für die Zeitungen. Mir ist wichtig, dass wir die Diskussion darüber ohne ideologische Scheuklappen führen, sachlich und vor allem auch mit großer Offenheit vor allem mit den Betroffenen selbst.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns den Bericht zum Anlass nehmen, über die Zukunft der Medienlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern intensiv miteinander zu reden! Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir eine vielfältige und qualitativ hochwertige Medienlandschaft in unserem Land sichern! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Vizepräsident und Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Herr Bluhm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Berichtsersuchen ist von meiner Fraktion damals unterstützt worden, und das vor allem auch im Hinblick auf die sich bei uns im Lande darstellende Struktur einerseits und die Gewährleistung der Medienvielfalt und Medienfreiheit andererseits.

Gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes geht es dabei natürlich um Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung dafür drei Hauptkriterien formuliert:

1. Informationsfreiheit und das Recht auf freien Informationszugang

2. die Gewährleistung von Vielfalt

3. die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht

Aus diesen drei Kriterien ergibt sich für uns als Gesetzgeber für Presse und Rundfunk die Aufgabe, eine positive Medienordnung zu schaffen, die diesen drei Kriterien auch entspricht.

Der vorliegende Bericht, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt, dass sich die Medienlandschaft auch in Mecklenburg-Vorpommern in einem tief greifenden Umbruch befindet, weg vom linearen traditionellen Vertreiben von Informationen auf nur einem Verbreitungsweg hin zu einer zunehmend digitalisierten, verschiedene Wege nutzenden Strategie der Verbreitung und Nutzung von Informationen. Und ich glaube schon, dass wir auch künftig eine unabhängige Beobachtung und Berichterstattung über die regionale Entwicklung der regionalen Medien, nämlich Rundfunk und Presse, brauchen. Ob in der Zukunft dieses die Landesregierung leisten kann, bleibt zu diskutieren, denn es geht neben der Frage der Meinungsvielfalt auch um die Frage der Staatsferne von Medien.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Bedauerlich ist, dass durch die Landesregierung noch keine eigenständige Erhebung über Daten zur Medienlandschaft durchgeführt wurde, allerdings liegt der Vorzug des Berichtes, so, wie er uns jetzt vorliegt, darin, dass ganz verschiedene Quellen zu einem in sich komplexen Dokument zusammengeführt wurden.

Meine Damen und Herren, Veränderungen, auch das macht der Bericht deutlich, berühren nicht nur, aber auch die Beschäftigten. Sie haben auch unmittelbare Auswirkungen auf die Funktion der Presse- und Medienlandschaft, auf die Vielfalt und die Qualität der Berichterstattung. Das haben der DGB, ver.di und der Journalistenverband als Herausforderung aufgegriffen und ganz in diesem Sinne wurde in den zurückliegenden Monaten die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen“ dahin gehend wirksam, dafür die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und überhaupt die Voraussetzungen für einen gesellschaftlichen Diskurs einzufordern. Nicht zuletzt haben wir uns hier im Parlament bereits mehrfach dazu aufgefordert gefühlt, dieses Angebot auch anzunehmen.

Deutlich wurde auch in den Diskussionen hier im Parlament immer wieder: Gesicherte und gute Rahmenbedingungen sind die Voraussetzung für journalistische Qualität und Vielfalt.

Vielfalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die zentrale Zielgröße publizistischer Angebote. Wenn man sich – auch der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen – den Zeitungsmarkt in unserem Markt ansieht, dann muss man feststellen, dass dieser bereits stark konzentriert ist. Und Frau Dr. Grittman von der Uni Hamburg stellt deshalb wohl auch zu Recht in der Studie zu Qualität und Vielfalt fest, ich darf zitieren:

„Auch wenn die Verlage vor allen Dingen die Bedeutung der lokalen Berichterstattung hervorheben, sind überregionale Informationsangebote wie beispielsweise

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso relevant – sowohl demokratietheoretisch als auch ganz konkret für die Leserinnen und Leser … Hier besteht jedoch die Gefahr, dass die überregionale Berichterstattung aus Kostengründen in hohem Maß von Nachrichtenagenturen abhängt, eine Eigenleistung kaum mehr möglich ist und die Inhalte daher nur in geringem Maße differieren.“ Ende des Zitats.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich die Ausgaben unserer Tageszeitungen ansieht, dann kann man genau diesen Befund feststellen, nämlich die Übernahme von Agenturmeldungen in immer höherer Zahl, journalistische Eigenproduktionen nehmen zunehmend ab. Dem entspricht auch die Feststellung im Bericht auf Drucksache 5/2824 auf Seite 20. Ja, Verankerung in der Region ist auch für die Identität der Menschen wichtig. Deshalb sind regionale Berichterstattungen auch notwendig. Allerdings teilt meine Fraktion ausdrücklich nicht die Bewertung der Landesregierung, dass die lokale Berichterstattung an Umfang und Qualität wirklich zugenommen hätte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen alles unternehmen, um Mecklenburg-Vorpommern als Medienstandort zu sichern und zu entwickeln. Hier muss aus meiner Sicht die Legislative, also wir, genauso wie die Landesregierung dafür sorgen – ich komme darauf zurück –, eine positive Medienordnung zu schaffen und gleichzeitig das Gebot der Staatsferne umzusetzen. Dazu gehört aus unserer Sicht als Fraktion auch, die Transparenz über Besitz- und Beteiligungsverhältnisse herzustellen und die Entwicklung dazu aufzuzeigen. Wir haben die Voraussetzung dafür zu entwickeln, um die demokratische Teilhabe auch der Journalistinnen und Journalisten zu ermöglichen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Und es geht neben der Gewährleistung der inneren Pressefreiheit und dem Ausbau der Möglichkeiten der Redakteursstatute auch um die Weiterführung der entsprechenden Berichte, also um die Novellierung des Medien- und Presserechtes auf der anderen Seite.

Im Bericht auf Seite 21 wird auch Bezug genommen auf die Rahmenvereinbarung zur Förderung der Medienkompetenz vom 28. Juni 2007. Hier hätten wir nun schon erwartet, dass eine Darstellung der Umsetzung dieser Vereinbarung zwischen Landesregierung und Landesrundfunkzentrale zumindest teilweise hätte erfolgen können, nämlich unter der Maßgabe: Was hat sich bisher bewährt? Welche Reserven und welche neuen Erfordernisse leiten sich aus dem erreichten Stand dieser Umsetzung ab?

Je mehr man sich mit dem Thema befasst, umso deutlicher wird: Publizistische Qualität und Vielfalt braucht eine Kultur der Mitsprache und Mitwirkung, vor allen Dingen der Journalistinnen und Journalisten, aber auch der Leserinnen und Leser auf der Grundlage entsprechender gesetzlicher Regelungen.

In diesem Sinne möchte ich Herrn Martin Dieckmann vom Bundesvorstand ver.di mit seinen Ausführungen vom 9. Mai 2009 hier im Schloss zum außerordentlichen Presse-Tag zitieren, als er sagte, Zitat: „Wir haben es in Sachen mangelnder Vielfaltsicherung im Pressebereich mit dem zu tun, was ich hier eine ,Rechtsfiktion‘ nenne. Sie prägt noch immer das Verfassungsrecht und besagt: Wenn es um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht geht, dann sind primär im Rundfunkbe

reich Maßnahmen zur Prävention erforderlich.“ Ende des Zitats.

Nun, Hintergrund für die bisherigen Positionen ist ohnehin der Fakt, dass audiovisuelle Medien aufgrund ihrer Suggestivkraft Aktualität und Verbreitung natürlicherweise einen viel größeren Einfluss auf die Meinungsbildung als die Presse haben. Und bis in die 80er-Jahre war dies auch Position des Bundesverfassungsgerichts. Man glaubte daran, dass sich die Pressevielfalt deshalb in sicheren Händen bewegt, weil sie sich durch die Produktvielfalt und die Marktsituation selbst regulieren würde.

Jetzt aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, und auch das macht dieser Bericht deutlich, ist die Situation eine andere geworden. Mittlerweile stellen Verfassungsrechtler fest, dass genau das nicht mehr der Fall wäre, wenn in einer Region ein Pressemonopol entstanden ist und wenn nicht ausreichend für die innere Vielfalt in den Monopolblättern gesorgt wird, und das vor dem Hintergrund des Berichtes, ich zitiere auf Seite 20: „Die Strukturen der Regionalzeitungen in Mecklenburg-Vorpommern bewirken eine weitgehende Monopolstellung in dem jeweiligen Verbreitungsgebiet.“

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

„94 % der Bevölkerung sind bei ortsbezogener Berichterstattung auf nur eine Zeitung angewiesen.“ Ende des Zitats.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Frank Borrmann, NPD)

Hier also stellt sich die Frage, ob ausreichend für die innere Vielfalt in den Regionalzeitungen unseres Landes gesorgt ist. Der Bericht selbst gibt darauf keine Antwort, kann er auch nicht.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Aber es ist die Frage, ob es nicht erforderlich ist, eine entsprechende Evaluation durch ein unabhängiges zu schaffendes Gremium für diese Frage, wie ist es bestellt mit der inneren Pressevielfalt innerhalb einer regionalen monopolisierten Tageszeitung unseres Landes, zu sichern.

(Michael Andrejewski, NPD: Das sind Unternehmen, da bestimmt der Boss.)

Ach, Herr Andrejewski, Sie wissen, genau so, wie das im Rundfunkrecht geregelt ist, kann man das auch im Presserecht regeln.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das weiß er nicht, Andreas, das weiß er nicht.)

Im Bericht wird ebenso festgestellt, dass die Breite der Medienangebote in Mecklenburg-Vorpommern zugenommen hat und dass Vielzahl nicht mit Vielfalt gleichgesetzt werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Auch darauf hat der Ministerpräsident hingewiesen.

Nun, auch hier lohnt ein Blick in die aktuelle Verfassungsgerichtssprechung. Ich darf verweisen auf das Rundfunk urteil vom September 2007. Denn mit dem Urteil wird festgestellt, dass die neue Medienwelt zwar einerseits zu einer riesigen Vielfalt an Verbreitungswegen, dagegen aber zu einer Verarmung an Inhalten führe – ein und

derselbe Inhalt, auf verschiedenen Verbreitungswegen zwar abgewandelt, aber mehr nicht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es bleibt also hier die Frage zu beantworten: Was passiert, wenn in den Regionalzeitungen nicht mehr erscheint, ob es stimmt, dass ein sogenannter Substitutionseffekt eintritt? Auch hier gibt der Bericht keine Antwort. Kann er wohl auch nicht. Das wäre ebenfalls eine Aufgabe einer solch unabhängigen Evaluierung der Situation.

Und ich möchte hier noch einmal Martin Dieckmann vom 9. Mai 2009 aus dem Schloss zitieren: „Eine solche Substitution findet faktisch nicht statt, was der Tageszeitung abhanden kommt, fehlt schlichtweg, es fällt weg. Das kann sich aber eine Region, ein Bundesland, überhaupt nicht leisten. Das rührt an die Voraussetzungen von Demokratie in einem sehr grundlegenden Sinne – der täglichen Teilhabe an öffentlichen Belangen. Was also bei rein formaler Medienvielfalt wegfällt, ist die Öffentlichkeit selber.“ Ende des Zitats.