Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionäre sind mit vorliegendem Antrag der Auffassung, dass Mixed Martial Arts keine richtige Sportart ist, vielmehr sei sie gewaltverherrlichend. Die aus den USA stammenden kommerziellen Wettkampfveranstaltungen dürften in Deutschland nicht gesellschaftsfähig gemacht werden. Dem stimme ich zu. Ich weiß aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob dazu ein Antrag notwendig ist oder ob der Innenminister nicht schon längst hätte selbst handeln können, wenn dies als wichtiges Problem und vor allen Dingen als Handreichung für die Kommunen angesehen wird.

Ich bin kein Freund dieser Käfigkämpfe und würde auch keine Veranstaltung dieser Art besuchen. Auch meinen Freunden und Bekannten würde ich nicht empfehlen, dort hinzugehen, erst recht nicht jungen Menschen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wenn der Gegner am Boden liegt und es wird weiter auf ihn eingeschlagen, dann hat das für mich wenig mit einem sportlichen Wettkampf zu tun.

Und nur nebenbei, Herr Pastörs, auch in diesem Haus soll es ja Abgeordnete geben, die wissen, wie es sich anfühlt, wenn man auf eine am Boden liegende Frau weiter eintritt.

(Udo Pastörs, NPD: Ach, das ist doch so abgedroschen. Wenn das Mädchen vorher mit Steinen wirft.)

Aber zurück zum Antrag. Ich hätte, wie gesagt, kein Problem damit, wenn solche brutalen Veranstaltungen verboten würden. Ein Verlust für den Sport und für die sportliche Vielfalt wäre dies zweifellos nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wir wissen, hat bereits der Bayerische Landtag im Mai dieses Jahres die Staatsregierung aufgefordert, alles Erdenkliche zu tun,

damit künftig derartige Veranstaltungen in Bayern nicht mehr durchgeführt werden. Begründet wurde die Forderung unter anderem damit, dass im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten alle möglichen Techniken und Tritte erlaubt sind, der Tod oder zumindest schwere Verletzungen billigend in Kauf genommen werden.

Auch in Köln gab es große Auseinandersetzungen. Dort sollte die erste offizielle Veranstaltung stattfinden. Der Justizminister Nordrhein-Westfalens nannte die Kämpfe pervers, der allseits bekannte Boxexperte Schneyder sprach von einem Brutalo-Event. Das kann man in der Tat alles so sehen. Aber wenn wir über ein Verbot reden, dann sollten wir unsere Abscheu und unser Entsetzen nicht allein bei dieser Unart des Sports abladen und so tun, als gäbe es das alles nur dort. Ich habe im Internet recherchiert und mir so einiges ansehen müssen wie blutüberströmte geschwollene Gesichter.

(Gino Leonhard, FDP: Richtig.)

Ich habe von Todesfällen gelesen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das wirklich alles neu? Kennen wir das nicht etwa auch vom Profiboxen, vom Thai- oder vom Kickboxen?

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Auch diese Vergleiche sollten uns zu denken geben. In der ZEIT ONLINE vom 23. Juni 2009 beschrieb ein bayerischer Polizeibeamter, der aktiver Kampfsportler ist, dass ein Boxer im Schnitt 20 Schläge pro Runde auf den Kopf, das sind 300 pro Kampf, erhält. Das sind in etwa zehn Mal so viel wie bei einem Käfigwettkampf, liebe Kolleginnen und Kollegen. Von 2005 bis 2007 wurden weltweit 68 Todesfälle bei regulären Boxwettkämpfen gezählt – ein trauriger Rekord, wie ich meine.

Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, Profiboxen ist ein Millionengeschäft, auch Mixed Martial Arts ist ein Millionengeschäft.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Der federführende UFC machte allein im Jahr 2008 einen Umsatz von 250 Millionen Dollar. Bei solchen Summen nimmt man den Tod natürlich billigend in Kauf. Aber darüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, schweigt sich Ihr Antrag leider aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist eigentlich in Bezug auf die Gewaltverherrlichung beim Wrestling? Auch wenn es sich dabei nur um eine Mischung aus Sport und Theater handelt, bei dem der Sieger schon von vornherein feststeht, sind doch faire „Auseinandersetzungen“ geradezu unerwünscht. Sie kennen, denke ich, alle diese Bilder aus dem Fernsehen. Mehrere Gegner gehen auf einen Gegner los. Auch wenn er am Boden liegt, wird er dort noch weiter angegriffen. Angriffe erfolgen von hinten und sogar mit Stühlen wird aufeinander eingedroschen.

(Udo Pastörs, NPD: Verrückt ist so etwas.)

Und das Schlimmste ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Rande grölen Erwachsene und Kinder zusammen fröhlich mit. Aber niemand kommt auf die Idee, diese Art von Wettkämpfen verbieten zu wollen, denn auch hier geht es um viel Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen. Feindbilder werden somit in Kinderköpfen geschaffen. Gewaltverherrlichend ist das und mit Sicherheit für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht gut. Videospiele, die in diesem Bereich stattfinden, sollen ja der Renner sein.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, weiß ich nicht, was Sie bewogen hat, diesen Antrag in dieser eingeschränkten Art und Weise zu stellen, vielleicht mangels anderer Themen. Ich bin überzeugt, es hätte andere Handlungsmöglichkeiten gegeben, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Ich muss Ihnen sagen, dass es viel mehr zu tun gäbe, wenn man sich mit dieser Materie auseinandersetzt, als es Ihr Antrag beschreibt. So bleibt Ihr Antrag leider nur ein Schaukampf, offensichtlich mangels anderer Koalitionsthemen. Dennoch werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Wir hätten uns aber gewünscht, dazu zum Beispiel im Innenausschuss eine intensive Debatte führen zu können. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Ritter.

Um das Wort hat jetzt gebeten der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Lieber Kollege Ritter, Ihr Redebeitrag alleine hat schon gezeigt, dass es sinnvoll ist, diesen Antrag zu stellen, um gewisse Diskussionen zu führen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann lassen Sie uns den überweisen!)

Ich glaube schon, dass man sich hüten sollte, beispielsweise Mixed Martial Arts auch nur ansatzweise mit dem Boxsport zu vergleichen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Alleine das ist durchaus schon eine Diskussion wert, denn die Materie, mit der sich der Landtag heute beschäftigt,

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

nämlich mit dieser gewaltverherrlichenden Art von Veranstaltungen, hat nach unserer Ansicht und Auffassung nichts, aber auch gar nichts im Geringsten mit dem Sport zu tun.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Mit Sport ja, aber im Profiboxen?)

Insofern ist es schon ein Unterschied zum Boxen als anerkannte olympische Disziplin.

So ist es eigentlich ein Widerspruch in sich, wenn ich als Sportminister heute hier vor dem Landtag zu dem von den Regierungsfraktionen eingebrachten Antrag spreche.

(Irene Müller, DIE LINKE: Da gibt es ja nun aber einen riesengroßen Unterschied zwischen Profiboxen und Amateurboxen.)

Aber zugleich bin ich auch dankbar dafür, dies zu tun, zielt er doch in die richtige Richtung, und zwar darauf, diese sogenannten Kampfveranstaltungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich gewaltverherrlichende, mit der Menschenwürde unvereinbare Exzesse. Diese Kampfveranstaltungen, die mit dem Namen Mixed Martial Arts – oder MMA – zusammengefasst werden, insbesondere das sogenannte Ultimate Fighting und das Extreme Fighting, drängen derzeit sehr aggressiv auf den Markt in Deutschland. Und ihre Organisatoren

versuchen, europaweit Veranstaltungen durchzuführen. Das Sportfernsehen DSF bietet bereits feste Sendezeiten und eine Realityshow zu den MMA an. Köln und Kiel waren bereits Veranstaltungsorte.

Mit Blick auf die nicht hinnehmbare Entwicklung wird sich die Sportministerkonferenz noch in dieser Woche am 19. und 20. November mit dieser Thematik befassen. Sie wird sich dabei veranlasst sehen, Folgendes klarzustellen: Derartige Kämpfe suchen den Begriff des Sports als Deckmantel, um dahinter den Charakter als reine Inszenierung von Brutalität und Gewalt kaschieren zu können. Diese Veranstaltung, bei denen wichtige Grundregeln des Sports und gesellschaftliche Grundwerte wie ein faires Miteinander grob missachtet werden, verfolgen rein kommerzielle und gewaltverherrlichende Interessen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Grundgesetz Artikel 1!)

Sie haben mit sportlichen Wettbewerben nichts gemein.

Es ist daher nur konsequent und begrüßenswert, wenn auch der Deutsche Olympische Sportbund in seiner Erklärung vom 3. November klarstellt, dass Ultimate Fighting als Teil der sogenannten MMA kein Sport ist. Angesichts dieser Gewaltexzesse der jüngsten Vergangenheit sind alle gesellschaftlichen Kräfte aufgerufen, Entwicklungen entgegenzutreten, die die Ausübung von Gewalt mit dem Etikett von üblichen gesellschaftlichen Handlungsformen versehen wollen. Besonders bedenklich ist, dass MMA-Wettbewerbe in Einzelfällen auch schon auf den Kinder- und Jugendbereich ausgedehnt worden sind. Auch der Jugendschutz dürfte bei der Klärung möglicher Verbote daher ganz entscheidend gefordert sein.

Meine Damen und Herren, eine klare politische Distanzierung ist das eine. Darüber hinaus muss es aber auch darum gehen, alle rechtlichen Instrumentarien auszuschöpfen, um diesen Exzessen von Gewalt nachhaltig Einhalt zu gebieten. Gewerberecht und Allgemeines Ordnungsrecht sind die Materien, die derzeit davon berührt sind. Es wird dabei zu untersuchen sein, inwieweit die dortigen Eingriffsnormen ausreichen, auf rechtsstaatlicher, solider Grundlage öffentliche Auftritte jener brutalen Art unterbinden zu können.

Wir werden dieser Frage in Zusammenarbeit mit dem für das Gewerberecht zuständigen Wirtschaftsministerium mit Nachdruck nachgehen und, nachdem wir die Handlungsmöglichkeiten ausgelotet haben, auch entsprechende Hinweise an die zuständigen Behörden weitergeben. Die in dem Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen aufgestellten Forderungen nehme ich dabei sehr gerne in diese Verhandlungen mit auf. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Timm von der Fraktion der SPD.