Ich muss an der Stelle darauf hinweisen, dass uns im Zuge der Abstimmung über den Zusatztagesordnungspunkt ein Fehler unterlaufen ist. Gemäß unserer Geschäftsordnung Paragraf 74 Absatz 1 können Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn zwei Drittel der Mehrheit der Mitglieder des Landtages, also nicht der Anwesenden, sondern der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Durch die Schriftführer ist festgestellt worden, dass es Zweifel daran gibt, dass dieses Votum erreicht wurde. Aus diesem Grunde werde ich die Abstimmung dazu wiederholen. Ich bitte Sie also, die Plätze einzunehmen, und wir werden noch einmal darüber abstimmen, ob der Ihnen auf Drucksache 5/2959 …
Ich erhalte gerade den Hinweis, dass es dazu noch Beratungsbedarf gibt, und unterbreche die Sitzung noch mal für zehn Minuten.
Gemäß Paragraf 90 Absatz 5 unserer Geschäftsordnung werden wir die Abstimmung bezüglich der Dringlichkeit des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/2959 wiederholen.
(Minister Dr. Till Backhaus: Da kann man mal sehen, wie die Liberalen sich verhalten. – Helmut Holter, DIE LINKE: Genau, vorführen. – Zurufe von Minister Dr. Till Backhaus, und Michael Roolf, FDP)
Dann kann ich schon mal bekannt geben, dass eine Fraktion, nämlich die Fraktion der FDP, geschlossen gegen diese Vorlage und gegen die Aufsetzung als Dringlichkeitsantrag gestimmt hat,
dass es zwei Stimmenthaltungen gibt, eine aus der Fraktion DIE LINKE und eine aus der Fraktion der NPD, bei Zustimmung der anderen Abgeordneten, also 55 Abgeordnete
haben für die Dringlichkeit dieses Antrages gestimmt. Damit ist das gemäß unserer Geschäftsordnung Paragraf 74 Absatz 1 zu erreichende Quorum gewährleistet und wir werden so verfahren, wie ich das bereits angekündigt habe, dass diese Vorlage in der morgigen Sitzung nach den Wahlen aufgerufen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 3: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landes-Schiedsstellengesetzes, Drucksache 5/2909.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landes-Schiedsstellengesetzes (Erste Lesung) – Drucksache 5/2909 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konflikte sind das tägliche Geschäft der Justiz. Die Gerichte prüfen den geltend gemachten Anspruch und entscheiden den Streit nach vorgegebenen Regeln. Wichtiger als der Konfliktgegenstand sind jedoch häufig die eigentlichen Ursachen, die hinter dem Konflikt stehenden Interessen. Wie bei einem Eisberg sind diese Ursachen oft sehr weitreichend und liegen unter der Oberfläche verborgen. Sie können in der Vergangenheit liegen oder die Wirkung von Ereignissen sein, die auf den ersten Blick mit der aktuellen Situation gar nichts zu tun haben. Sie hängen zusammen mit Erfahrungen und Interessen der beteiligten Menschen.
Gute Chancen für eine nachhaltige und tragfähige Konfliktlösung bestehen immer dann, wenn es gelingt, diese Erfahrungen und Interessen der Konfliktbeteiligten unter einen Hut zu bringen. Vor diesem Hintergrund ist die gerichtliche Streitentscheidung oft nicht der beste Weg, einen Konflikt beizulegen.
In einem Gerichtsverfahren wird der Streit auf seinen juristischen Kern reduziert. Selten wird eine Lösung gefunden, bei der beide Parteien ihre Interessen bestmöglich wahren könnten. Es kann zwar ein Rechtsfrieden hergestellt werden, aber dieser ist häufig ein kalter Frieden.
Eine Möglichkeit der Konfliktlösung ist die gerichtliche Mediation, also die freiwillige einvernehmliche Streitbeilegung. Die Mediation ist eine der Alternativen, die die herkömmliche autoritative Streitentscheidung nicht nur
Eine weitere, allerdings nicht mehr freiwillige Möglichkeit stellt die Einführung eines obligatorischen vorgerichtlichen Güteverfahrens dar. Hiermit, davon bin ich überzeugt, werden wir die konsensuale Streitbeilegung weiter stärken. Der Zugang zum Gericht wird in bestimmten zivilrechtlichen Streitfällen von der Durchführung der sogenannten obligatorischen Streitschlichtung abhängig gemacht. Obligatorische Streitschlichtung ist also der obligatorische Versuch einer vorgerichtlichen Streitbeilegung.
Zur Umsetzung der in Paragraf 15a EGZPO enthaltenen Öffnungsklausel bedarf es eines landesrechtlichen Ausführungsgesetzes. Der vorliegende Entwurf beschränkt sich darauf, den Streitschlichtungsversuch ausschließlich für Streitigkeiten aus dem Nachbarrecht und aufgrund von Ehrverletzungen obligatorisch vorzuschreiben. Damit machen wir zwar von der betreffenden bundesrechtlichen Befugnis nur teilweise Gebrauch, das hat aber auch gute Gründe.
Die Erfahrungen derjenigen Bundesländer, die die obligatorische Streitschlichtung schon früh eingeführt haben, haben gezeigt, dass sich die Vorteile eines Güteverfahrens vor allem bei Nachbarstreitigkeiten und Ehrverletzungen entfalten können. Demgegenüber hat die obligatorische Streitschlichtung bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten nicht zu dem erhofften Erfolg auch im Hinblick auf eine Entlastung der Gerichte geführt. Einige Länder haben sie durch entsprechende Gesetzesänderungen zwischenzeitlich wieder beseitigt.
Anders als solche gewöhnlichen zivilrechtlichen Streitigkeiten, bei denen es meist ausschließlich um die Zahlung eines Geldbetrages geht, sind Nachbarstreitigkeiten und rechtliche Auseinandersetzungen wegen Ehrverletzungen häufig durch persönliche und räumliche Nähe der Streitparteien gekennzeichnet. Die Parteien solcher Streitigkeiten müssen auch nach Bereinigung der konkreten einzelnen Streitpunkte weiterhin nebeneinander leben und miteinander auskommen. Deshalb ist hier ein wirklich dauerhafter Frieden im Interesse der Beteiligten ganz besonders wichtig und deswegen lohnt sich gerade und besonders in diesem Bereich der zusätzliche Aufwand eines förmlichen Streitschlichtungsversuchs. Er soll deshalb künftig auch bei uns vorgeschrieben sein als Voraussetzung für Klagen über Ansprüche aus dem Nachbarrecht und aus der Verletzung der persönlichen Ehre.
Die Schiedsstellen in den Gemeinden sind die traditionellen und bewährten Anlaufpunkte bei der außergerichtlichen Suche nach Rechtsfrieden im räumlichen Nahbereich. Ihnen soll deshalb auch die tragende Rolle bei dem obligatorischen Streitschlichtungsversuch zufallen. Dies hat uns dazu bewogen, die erforderliche gesetzliche Regelung nicht in einem besonderen Gesetz zu treffen, sondern sie in das Landes-Schiedsstellengesetz einzubetten, das künftig bezeichnenderweise Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz heißen soll.
Die Schiedsstellen sind künftig gesetzlich bestimmte Gütestellen. Diese neue Aufgabe wird zu einer besseren Auslastung der bestehenden Schiedsstellen führen. Die Zahl muss nicht erhöht werden, höhere Kosten für die Gemeinden sind deshalb nicht zu erwarten.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun ist er also da, der von der Landesregierung vor Monaten in Aussicht gestellte Entwurf zu einem Zweiten Gesetz zur Änderung des Landes-Schiedsstellengesetzes.
Bei den Änderungen handelt es sich im Wesentlichen, wie der Überschrift des Unterabschnittes 2 zu entnehmen ist, um Regelungen zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung. Dass wir diesen Ansatz begrüßen, wird wohl allen in diesem Hohen Haus klar sein, denn bereits im Sommer dieses Jahres hatten wir einen eigenen Entwurf in den Landtag eingebracht. Dabei ging es uns ebenfalls um die Förderung der außergerichtlichen Streitschlichtung und um die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schiedsmänner und Schiedsfrauen.
Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass wir uns an dieser Stelle einen Satz nicht verkneifen können. Die nun von der Landesregierung gewollten Änderungen hätten wir schon viel früher haben können. Denn seit der Einführung des Paragrafen 15a EGZPO, der die Grundlage für diese Regeln bildet, sind neun Jahre vergangen und zweieinhalb Jahre sind seit der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2007 vergangen, in deren Ergebnis sich die Justizminister zu dem Paragrafen 15a EGZPO und zur Förderung der obligatorischen außergerichtlichen Streitbeilegung bekannten.
Und zum guten Schluss sind sieben Monate seit der Vorlage des Entwurfes des Gesetzes zur Fortentwicklung der außergerichtlichen Streitbeilegung in Mecklenburg-Vorpommern vergangen, den meine Fraktion im April 2009 in den Landtag eingebracht hatte. Damals begründeten Sie Ihre Ablehnung, nein, besser gesagt die Nichtbefassung, unter anderem damit, und ich zitiere Frau Kuder aus dem Protokoll der 69. Landtagssitzung: „An einem entsprechenden landesrechtlichen Ausführungsgesetz arbeiten wir längst.“ Das war im Mai 2009.
Wenn Sie daran aber bereits im Mai 2009 schon eifrig gearbeitet haben, dann stellt sich mir die Frage, wieso denn diese Vorlage erst im November den Landtag erreicht, zumal bereits im Dezember 2007 die Notwendigkeit der Anpassung des Paragrafen 51 und des Paragrafen 54 des Landes-Schiedsstellengesetzes Mecklenburg-Vorpommern erkannt wurde, so die Aussage des Justizministeriums in der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage vom 12.12.2007, Drucksache 5/1034. So weit das formelle Verfahren.
Selbstverständlich möchte ich mich auch zu einigen inhaltlichen Fragen äußern. Gelungen ist aus unserer Sicht die Klarstellung im Paragrafen 34e des Entwurfes. Mit dieser Regelung wird in Bezug auf die Anwen
dung des obligatorischen Verfahrens hinsichtlich des Ausbleibens beziehungsweise der vorzeitigen Entfernung der Parteien eine klare Aussage getroffen. Alle anderen Regelungen entsprechen den Regelungen, die wir bereits im Mai dieses Jahres dem Landtag vorgelegt haben, ja, mit ein paar Ausnahmen, auf die Sie, Frau Ministerin Kuder, in der Debatte hingewiesen haben, nämlich hinsichtlich der Streitigkeiten über Ansprüche nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, die sich in Ihrem heute vorliegenden Gesetzentwurf nicht wiederfinden, ebenso wenig wie die Regelung zur Anerkennung von Gütestellen im Sinne der ZPO.
Ich will nicht behaupten, dass mich Ihre Argumente damals hinsichtlich der Streitigkeiten über Ansprüche nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz überzeugt haben, wonach diese Ansprüche deshalb nicht aufzunehmen seien, da sie überwiegend auf Schadensersatz, also vermögensrechtlich gerichtet seien und man deshalb auf die obligatorische Streitschlichtung verzichten sollte. Aber darüber hätte man sicherlich im Verfahren weiterdiskutieren können, auch weil der Schadensanspruch nach Paragraf 21 des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nur einer von drei Möglichkeiten neben dem Unterlassungsanspruch und beim Beseitigungsanspruch wäre. Beide sind Ansprüche nicht vermögensrechtlicher Art. Und die Konferenz der Justizminister im Jahre 2007 hat sich ausdrücklich zu Paragraf 15a EGZPO bekannt, der für die obligatorische Streitbeilegung auch die Ansprüche nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vorsieht.
Hinsichtlich der Regelung zur Anerkennung von Gütestellen kann ich deren Nichtaufnahme nicht nachvollziehen. Sie, Frau Kuder, erklärten in der 69. Sitzung: „Die Änderung der Streitkultur … ist auch mir ein besonderes Anliegen. Mein Augenmerk liegt dabei zum einen auf der Einführung der Mediation, insbesondere der gerichtsnahen Mediation … Die bisherigen Erfolge der gerichtlichen Mediation bestärken mich darin, die konsensuale Streitbeilegung als ein ergänzendes Verfahren der Justiz weiter zu verankern.“ Zitatende.
Doch wo bleibt die Verankerung der Mediation, insbesondere der gerichtsnahen Mediation, in diesem Gesetzentwurf? Ein guter Schritt hierzu wäre doch die Anerkennung von Gütestellen, so, wie in Artikel 2 unseres Gesetzentwurfes vom 29. April festgeschrieben war, gewesen, wo das Schiedsangebot durch professionelle Schiedsrichter erweitert werden sollte.
Was macht gerichtsnahe Mediation aus? Die Konfliktparteien wollen mit Unterstützung einer dritten allparteilichen Person, meist einem Rechtsanwalt als Mediator, zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht. Aus diesem Grund sollten die Gütestellen hauptsächlich durch Rechtsanwälte und Notare besetzt sein, denn gerade diese Berufe sind es doch, die im vorgerichtlichen Bereich dem Gedanken konsensualer Streitbeilegung verpflichtet sind, so etwa bei Rechtsanwälten durch ihre Rechtsberaterfunktion oder deren vorgerichtlichen Schlichterversuche.
Mediation und ein Verfahren vor den Gütestellen ähneln einander doch so sehr. Wenn also die gerichtsnahe Mediation verankert werden soll, warum dann nicht in diesem Gesetzentwurf?