Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Alles in allem muss ich zum Schluss kommen, dass das Einzige, was durch das Gesetz wachsen wird, der Schuldenberg der öffentlichen Hand ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fragwürdigkeit dieses Gesetzesvorhabens entspricht der Art und Weise, mit der dieses Gesetz gegen den offensichtlichen Willen vieler im Bundesrat durchgedrückt werden soll. Im Finanzausschuss, wo mit Mehrheit dieses Gesetz abgelehnt wurde, waren nicht nur Schleswig-Holstein und nicht nur Thüringen dagegen,

(Jochen Schulte, SPD: Sachsen.)

sondern es gab auch Enthaltungen aus dem Saarland und Hamburg. All diese sind sachlich auch nicht so unbeschlagen, sie haben jeweils immer auch die CDU mit an Bord.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die haben ihre Gründe, weshalb sie sagen, zu diesem Zeitpunkt ist das das falsche Signal.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Die rot-schwarze Bundesregierung hat in der Krise einige Investitionspakete auf den Weg gebracht, an denen arbeiten wir noch. ZIP ist das eine,

(Rudolf Borchert, SPD: Mit nachgewiesenen Konjunkturimpulsen.)

Bildung und Infrastruktur in die Dörfer, das sind alles Dinge, meine ich, die auch die Konjunktur vor Ort ankurbeln.

Ich höre noch genau Herrn Roolf, wie der sich über die sogenannte Verschrottungsprämie aufgeregt hat.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Ich sage Ihnen mal ganz ehrlich, ich finde die auch nicht so toll,

(Michael Roolf, FDP: Ist sie auch nicht.)

aber wir haben ja gesehen, das hat einen momentanen Boom ausgelöst und jetzt ist Ruhe nach dem Sturm. Das war doch aber vorauszusehen.

(Michael Roolf, FDP: Jetzt.)

Damit will ich nur mal sagen …

(Michael Roolf, FDP: Aber Kindergeld ist keine Verschrottungsprämie. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Moment, das ist natürlich auch nicht der einzige Effekt gewesen. Für die Umwelt hat das schon noch einen Sinn. Das muss man so und so sehen.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Ich will nur sagen, es ist im Grunde in dieser Krise vieles auf den Weg gebracht worden, was in der Sache teilweise sogar umstritten war, was aber schon insgesamt große Lasten für den Bund vor allem, der hat die meisten geschultert auf der Ausgabenseite, und natürlich auch für die Länder mit sich gebracht hat.

Es gibt im Moment einen Punkt, und den haben wir vor Kurzem erreicht, wo man sich sagt, alles, was darüber hinaus kommt, wird dafür sorgen, dass die ganze Balance umkippt. Das ist eben das Problem, wenn wir von dieser Schuldenspirale nicht langsam zurückweichen. Ich habe so ein Gefühl, es ist wie bei Lemmingen: Alle müssen hinterher, weil ja alle es tun. Warum können wir nicht wenigstens als Land Mecklenburg-Vorpommern einmal sagen: Ich sehe, Sie tun es, aber ich überlege und distanziere mich davon, denn uns kann es nur auf den ersten Blick egal sein, was der Bund mit seinem eigenen Schuldenberg macht. Er schultert ja noch mehr von diesen ganzen Programmen, als es die Länder anteilig tun. Er hat eine Rekordverschuldung vor sich, er hat die Maastricht-Kriterien vor sich und das läuft auf einen Crashkurs hinaus, der nachher nur den Rotstift und uns in eine Situation, die ich eigentlich keinem von uns wünsche, bringt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Dann werden wir uns mal an Zeiten zurückerinnern, in denen wir noch maßvoll und langfristig etwas abbauen konnten und nicht von heute auf morgen 100 Millionen Euro aus einem Haushalt streichen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja die Sauerei!)

Das tut viel mehr weh. Aber einige müssen es vielleicht erst einmal erleben, um zu glauben, wie komfortabel die andere Situation dabei auch ist.

Ich spreche hier nämlich nicht nur als Finanzministerin dieses Landes, denn ich bin auch Bürgerin dieser Bundesrepublik. Insofern macht es mir schon Sorgen, welcher Kurs da jetzt angestrebt wird, weil das, was morgen vermutlich, wie es so scheint, beschlossen wird, ja erst der erste Schlag ist, und der zweite folgt sogleich. Und wenn das dann alles so wunderbar durchgeht mit den Konsequenzen für die Länderhaushalte, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Marie! Die griechische Variante strebt ja wohl keiner hier an, dass man über Rating schon nicht mehr als Staat akzeptabel ist für Kredite. Wir sind weit davon entfernt, aber Vernunft sollten wir trotzdem annehmen.

Insofern fasse ich zusammen: Ich bin froh, dass wir diesem Gesetz morgen nicht zustimmen werden, aber ich habe eingangs auch deutlich gemacht, da wir eine Koalition sind und es unterschiedliche Auffassungen gibt, ist eine Enthaltung das Ergebnis. Ablehnen wird nur die SPD-Seite, zustimmen die CDU-Seite. Damit gehen wir kollegial und unaufgeregt um, aber es muss auch damit umgegangen werden, dass wir als Land natürlich nicht im Bundesrat ablehnen können, denn das wäre ein klarer Bruch des Koalitionsvertrages. Und ich erinnere mich an einen einzigen, Herr Holter, der hat auch schwere Folgen gehabt,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das weiß ich, das weiß ich.)

das war noch unter Rot-Rot.

(Jochen Schulte, SPD: Das hat er nicht vergessen.)

Das, denke ich, müssen wir so nicht mehr machen, aber deutlicher kann man das, glaube ich, auch nicht mehr formulieren. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Da die angemeldete Redezeit der Landesregierung um sechs Minuten überschritten ist, ist es den Oppositionsfraktionen möglich, in dieser Dimension länger zu reden.

Zum Zweiten, Herr Abgeordneter Kreher, weise ich den in Bezug auf die Ausführungen der Ministerin gemachten Zwischenruf als unparlamentarisch zurück.

(Vincent Kokert, CDU: Und das als Vizepräsident!)

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion der NPD den Abgeordneten Herrn Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem gesamten Paket Wachstumsbeschleunigungsgesetz geht es um sage und schreibe fünf Themenkomplexe: Kindergeld, Unternehmensbesteuerung, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Umsatzsteuer und Energiesteuer.

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung kommt zu dem Ergebnis, dass die in dem Gesetz vorgesehenen Steuersenkungen maximal einen einmaligen Wachstumsimpuls von rund 5 Milliarden Euro und somit 0,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts erzielen werden. Dem sollen, Berechnungen des Instituts zufolge, staatliche Einnahmeausfälle und zusätzliche Ausgaben von gut 8 Milliarden im Jahr gegenüberstehen. Das Institut stellt darüber hinaus fest, dass die Wachstumseffekte der Steuersenkung sogar negativ ausfielen, wenn die Bundesregierung künftig versuchen sollte, diese Aufwendungen durch Ausgabenkürzungen zu kompensieren. Eine nennenswerte Wirkung wird weder angebots- noch nachfrageseitig vom Institut bescheinigt.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

So viel zum viel umjubelten, aber letztendlich sinnlosen Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es wird lediglich Aktivismus vorgetäuscht, ohne jedoch etwas für die meisten Bürger im Land zu bewegen. Aber etwas anderes kennen wir von CDU und FDP ja nicht.

Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, um ein Beispiel zu nennen, reduzieren sich die Steuersätze von derzeit 30 bis 50 Prozent auf 15 bis 43 Prozent. Diese neue Regelung bezieht sich auf Geschwister sowie Nichten und Neffen des Erblassers. Und besonders interessant für weite Bevölkerungskreise: Bei einem Erbe ab 26 Millionen Euro reduziert sich der Steuersatz von bisher 50 Prozent auf zukünftig 40 Prozent.

Das, meine Damen und Herren, soll nun also die Antwort der Bundesregierung auf die Staatskrise sein. Wenn diese Bundesregierung nur etwas Mumm in den Knochen hätte, dann hätte man eine echte Steuererleichterung, nachhaltig und vor allem sozial gerecht für alle, schon damit umgesetzt, wenn man die Mehrwertsteuer um zwei oder sogar drei Prozentpunkte gesenkt hätte.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Die wird ja erhöht werden.)

Aber diese Regierung betreibt eine asoziale Klientelpolitik, wie wir dies seit nunmehr 60 Jahren in diesem System nicht anders kennenlernen durften.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Absolut richtig.)

Wer alleine an die Unterstützung der Banken denkt, über die wir an dieser Stelle gar nicht zu reden brauchen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Riesenschweinerei!)

erkennt schnell, welche schwachen Impulse von diesem Wachstumsgesetz bestenfalls ausgehen werden. Dieses wachsweiche Gesetz entlastet bestenfalls Großunternehmen um einen Milliardenbetrag, der unter dem Strich den Kommunen fehlen wird.