Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 86. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Gesetzes über das Nachbarrecht Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2863.
Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: Entwurf eines Gesetzes über das Nachbarrecht MecklenburgVorpommern (Nachbarrechtsgesetz Mecklenburg-Vorpommern – NRG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 5/2863 –
In der 79. Sitzung des Landtages ist die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt. Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der LINKEN! Wir haben Ihren Antrag oder Ihren Gesetzentwurf nicht in die Ausschüsse überwiesen, weil wir einen anderen Weg gehen wollen. Inzwischen liegt im Ausschuss ein entsprechendes Gesetz vor, das wir politisch für die bessere Lösung halten. Deswegen werden wir auch in Zweiter Lesung Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie werden sicherlich nicht überrascht sein, dass auch wir nicht überrascht sind über die klare Ansage der Großen Koalition.
Wir hätten uns natürlich gewünscht, das will ich an der Stelle auch sagen, dass wir vielleicht gemeinsam noch einen anderen Weg gefunden hätten. Wir beraten nun den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, den wir aufgrund der Ignoranz der Großen Koalition leider nicht einmal im Ausschuss beraten konnten. Denn wie so oft, die klare Ansage der Großen Koalition brauchen wir nicht. Dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land das aber ganz anders sehen, interessiert Sie nicht.
Dass uns Ihre Argumente nicht überzeugt haben, wird Sie nun wiederum nicht interessieren oder verwundern. Ich will sie an dieser Stelle der Ordnung halber noch einmal nennen:
Sie wandten zunächst ein, dass das private Nachbarrecht in Mecklenburg-Vorpommern hinreichend geregelt ist. Als Beispiele brachten Sie das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem wesentliche Regelungen enthalten seien. Eine andere Quelle sei das gegenseitige Gebot der Rücksichtnahme, aus dem Hammerschlag- und Leiterrecht hergeleitet werden könnten. Nun gut, können wir da nur sagen, bürgernah ist es nicht und es trägt aus unserer Sicht auch nicht zur Rechtsklarheit bei.
Stellen wir uns das mal ganz praktisch vor: Der Bürger schaut also erst einmal, wenn er etwas vorhat, in das Bürgerliche Gesetzbuch, um zu ergründen, was er darf und was er nicht darf. Dann durchforstet er die Landesbauordnung und so weiter, und so weiter. Nein, werden Sie mir nun wiederum entgegnen, der Bürger wird sich selbstverständlich zunächst mit seinem Nachbarn beraten und dann werden beide eine entsprechende Einigung finden. Dass das nicht so ist und auch in Zukunft nicht so sein wird, beweisen die laufenden Rechtsstreitigkeiten.
Ja, auch die Fraktion DIE LINKE hat ein sehr großes Interesse daran, Nachbarstreitigkeiten außergerichtlich zu klären. Genau aus diesem Grunde haben wir die obligatorische Streitschlichtung eingefordert. Aber wird das wirklich reichen?
In meiner zugegeben noch nicht langen Berufserfahrung als Mediatorin wird mir immer bewusster, wie wichtig eine solche gesetzliche Regelung insbesondere bei der Beilegung von Streitfällen sein könnte. Leider – und das wissen Sie genauso wie ich – gehört der Anspruch der gegenseitigen Rücksichtnahme und der gegenseitigen Achtung nicht immer zum Alltag in unserem Leben. Und gerade hierzu setzt doch unser – wie Herr Dr. Jäger betonte, sind das handwerklich auf das Wesentliche konzentrierte Maßnahmen – Nachbarrechtsgesetz an, in dem die Grundsätze klar definiert wurden. Bevor die Fronten sich weiter verhärten, meinen wir, sollte ein Nachbarrechtsgesetz ganz klar der Schlichtung dienen.
Und so steht es auch beispielhaft in dem 14. Bericht des Bürgerbeauftragten, wo es heißt: „Der Petent bat ausdrücklich darum, dass der Bürgerbeauftragte sich auch weiterhin für die Schaffung eines Nachbarrechtsgesetzes einsetze.“ Der Petent verwies weiter darauf, dass seine Nachbarin sicherlich zum Einlenken bereit gewesen wäre, wenn er auf eine Gesetzesvorschrift hätte verweisen können, die ihn berechtigt, das nachbarliche Grundstück zur Durchführung unerlässlicher Arbeiten in schonender Weise mitzubenutzen.
Und auf das Argument, dass wir durch ein Gesetz erst Rechtsstreitigkeiten herausfordern, würden die Nachbarn eigentlich gar nicht kommen. Das ist doch auch an den Haaren herbeigezogen. Die Nachbarn durchforsten doch nicht Gesetze, um Probleme zu finden. Wer hat dazu eigentlich die Zeit und zweitens die Lust? Wenn wir uns einmal die Gesetze ganz genau angucken: Wie klar und deutlich sind denn die entsprechenden Formulierungen dort auch verständlich? Dieses Argument könnte man unseren gesamten Gesetzen entgegenhalten. Gemeinschaftliches Zusammenleben muss noch einmal in Gesetzen geregelt werden. Zu so einem gemeinschaftlichen Zusammenleben gehört auch ein
Nachbarrecht in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht geeignet, um Rechtsklarheit herbeizuführen. So heißt es beispielsweise bei den Abstandsregelungen von Bepflanzungen: „Im Interesse gutnachbarlicher Beziehungen sollte die Faustregel eingehalten werden: Je größer und mächtiger die Anpflanzung …, desto größer sollte der Abstand … sein.“ Das ist doch alles sehr unbestimmt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, von welchem Maß grundsätzlich ausgegangen werden sollte. Und da auf Augenmaß zu setzen, halte ich für falsch. Nicht alle Besitzer von Grundstücken haben umfassende Kenntnis davon, wie groß ein Baum wird und welchen Abstand man einhalten sollte. Hier wäre doch ein Anhaltspunkt beispielsweise in einem Nachbarrechtsgesetz hilfreich.
Ebenfalls wurde im Bericht des Bürgerbeauftragten darauf hingewiesen – in diesem Bericht wurde jedenfalls darauf eingegangen –, dass auf der Jahresarbeitstagung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern immerhin von der Hälfte der Verwaltungsrichter die Meinung vertreten würde, dass ein Erlass eines Nachbarrechtsgesetzes zu Entlastungen von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit führen könne.
Auch an anderen Stellen wurde immer wieder ein Nachbarrechtsgesetz gefordert, wie zum Beispiel durch die Bauordnungsämter oder Verbände, beispielsweise vom Verband der Wohnungseigentümer. Gerade die Beamten ärgern sich darüber, dass die Politik sie hier im Regen stehen lässt und das Problem nicht erkennt. Sie führen an, dass Streitigkeiten immer wieder vor Gericht landen, weil die Masse alltäglicher Streitfragen ungeregelt ist, so etwa der Verband der Wohnungseigentümer in der „Ostsee-Zeitung“ am 30.10.2009, oder auch die Bauordnungsämter, die über eine hohe Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Nachbarstreitigkeiten klagen, dass die Bürger eben gerade nicht zwischen öffentlichem und privatem Nachbarrecht unterscheiden. Hier könnte man doch durch den Erlass eines Nachbargesetzes Abhilfe schaffen.
Zum Abschluss möchte ich kurz zu der Information der Ministerin aus dem Gespräch mit Schiedsfrauen und Schiedsmännern des Landes Mecklenburg-Vorpommern Stellung nehmen. Hier wurde das obligatorische Streitschlichtungsgesetz in erster Linie vorgestellt. Frau Kuder hat uns darauf hingewiesen, dass sich die Schiedsfrauen und Schiedsmänner gegen ein solches Gesetz ausgesprochen haben. Selbstverständlich haben wir nachgefragt. Und ich möchte hier klarstellen: Ja, es gab engagierte Schiedsfrauen und Schiedsmänner, die sich gegen ein solches Gesetz ausgesprochen haben. Es gab aber genauso viele, die gesagt haben, für unsere Arbeit ist ein solches Gesetz unerlässlich und gerade im Hinblick auf die Stärkung ihrer Verantwortung, die wir hier dann sicherlich in der Zweiten Lesung im März gemeinsam beraten werden.
In diesem Sinne habe ich die Hoffnung, dass wir uns hier vielleicht nach der Einführung der obligatorischen Streitschlichtung die Frage noch einmal auf den Tisch holen, um einfach mal zu gucken, inwieweit wir den Schiedsfrauen und Schiedsmännern bei ihrer Arbeit, die dann zukünftig auf sie zukommt, Hilfe und Unterstützung geben. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu der Ersten Lesung hat sich nichts geändert. Immer noch ist ein Nachbarschaftsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern zumindest überflüssig, wenn nicht sogar schädlich.
Wird ein neues Gesetz erlassen, dann ist das nicht das Ende einer Entwicklung, sondern erst der Anfang. Dann kommen nämlich die Gerichte und wenden es an, in der Regel höchst unterschiedlich. Man durchläuft eine Phase, in der einander widersprechende Urteile gefällt werden, bis man durch den langen Instanzenweg endlich einmal über höchstrichterliche Entscheidungen verfügt, nach denen sich die untergeordneten Gerichte richten müssen. Wenn man Pech hat, geht die Sache sogar bis nach Karlsruhe und erst dann herrscht so etwas wie Rechtssicherheit.
Das war einer der großen Fehler bei Hartz IV. Das Bundessozialhilfegesetz hat es ewig gegeben. Alles war ausgeurteilt, bis mit dem SGB II alles neu geregelt wurde, und zwar zusätzlich noch schlampig und schlecht und mit heißer Nadel gestrickt.
Viele grundsätzliche Probleme sind gerade jetzt einmal bei den Landessozialgerichten gelandet, die natürlich auch nicht immer einer Meinung sind: Hat ein Widerspruch gegen einen Aufrechnungs- und Erstattungsbescheid nun aufschiebende Wirkung oder nicht? Niedersachsen und Rheinland-Pfalz sagen Ja, andere sagen Nein. Was ist zumutbare Arbeit? Welche Wohnungsgröße ist angemessen?
Alles ist umstritten. Manches hat sich mittlerweile als verfassungswidrig herausgestellt. Die Arbeitsgemeinschaften, die Art und Weise, wie man zu den Regelsätzen gelangt ist, und genau ein solches Kuddelmuddel ist zu befürchten, wenn man jetzt ein neues Nachbarschaftsgesetz erlässt. Nicht Friede unter den Nachbarn wird das Ergebnis sein, sondern neuer Streit und neue Rechtsunsicherheit.
Dass die momentanen Verhältnisse auf diesem Gebiet unerträglich wären, kann man wohl kaum behaupten. Es gibt wirklich für jedes denkbare Nachbarschaftsproblem eine gefestigte Rechtsprechung. Was ist, wenn Nachbars Früchte auf das eigene Grundstück fallen, wenn die Äste des Nachbarbaums herüberragen? Zu welchen Tageszeiten darf man den Rasenmäher anschmeißen? Darf ich direkt an der Grundstücksgrenze eine Garage bauen? Und so weiter und so fort. Alles ist entschieden bis zum Abwinken. Da brauchen wir auch nicht lange in Gesetzen zu wühlen. Das kann man mittlerweile alles googeln. Ein neues Gesetz ist überflüssig.
Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über das Nachbarrecht Mecklenburg-Vorpommern auf Drucksache 5/2863.
Ich rufe auf die Paragrafen 1 bis 20 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Paragrafen 1 bis 20 in der Fassung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU, der NPD und Stimmenthaltungen der Fraktion der FDP abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/3009(neu).
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 in Mecklenburg-Vorpommern (Zensusausführungsgesetz – ZensAG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/3009(neu) –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zweck des Ihnen vorliegenden Entwurfs eines Zensusausführungsgesetzes ist die erneute Durchführung einer Volkszählung. Die letzten Volkszählungen fanden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1987 und in der ehemaligen DDR im Jahre 1981 statt. Der Empfehlung der Europäischen Union an ihre Mitgliedsstaaten, zur Jahrtausendwende 2000/2001 eine Volkszählung durchzuführen, ist Deutschland nicht nachgekommen. Für die nächste europaweite Zensusrunde 2011 wurden nunmehr alle Mitgliedsstaaten durch Verordnung der EU verpflichtet.
Seit der letzten Volkszählung haben tief greifende Veränderungen stattgefunden, die eine neue Erhebung bevölkerungsstatistischer Grunddaten erforderlich machen. Deutschland hat eine starke Zuwanderung erlebt und die Lebensgewohnheiten der Menschen haben sich schneller gewandelt als in den Jahrzehnten davor. Die niedrige Geburtenrate und die ständig steigende Lebenserwartung veränderten und verändern die Bevölkerungszahl und die Bevölkerungsstruktur in einem früher nicht gekannten Maße und machen somit neue zuverlässige Informationen über die Bevölkerungs-, den Arbeits- und den Wohnungsmarkt unentbehrlich.
Die Feststellung von Zahl und Sozialstruktur der Bevölkerung ist die zentrale und verfassungsgerichtlich bestätigte Aufgabe einer Volkszählung. Der Zensus ist national wie international ein wesentliches Fundament der Statistik. Er liefert Basisdaten zur Bevölkerung, Erwerbstätigkeit und Wohnsituation, auf denen alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Planungsprozesse bei Bund, Ländern und Gemeinden sowie das statistische Gesamtsystem aufbauen.
Zentrale Aufgabe jedes Zensus ist die statistische Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen, die in vielen Zusammenhängen, unter anderem beim horizontalen und vertikalen Finanzausgleich, als maßgebliche Bemessungsgrundlage dienen. Auch die regionale und Sozialpolitik der Europäischen Union greift auf diese Basisdaten zurück, zum Beispiel bei der Vergabe von EU-Strukturmitteln.
Der Bundesgesetzgeber ordnete daher mit dem Zensusgesetz 2011 vom Juli dieses Jahres die Durchführung einer Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung an und gibt die Rahmenbedingungen vor. Die für den Zensus 2011 erforderlichen Daten werden nach dem Bundesgesetz zum Zensus grundsätzlich registergestützt erhoben. Dies entlastet die Bevölkerung von Auskunftspflichten, ist daher bürgerfreundlicher als eine herkömmliche Zählung und reduziert zudem deutlich den mit dem Zensus verbundenen auch finanziellen Aufwand. Dementsprechend werden die Melderegister, die Daten der Bundesagentur für Arbeit sowie die Daten zum Personalbestand der öffentlichen Hand ausgewertet.
1. die postalische Befragung der Gebäude- und Wohnungseigentümer zur Gewinnung der Wohnungs- und Gebäudedaten,