Protokoll der Sitzung vom 12.03.2010

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ja.)

„Er ist um etwa 12 Milliarden Euro auf ein Defizit von minus 4,5 Milliarden Euro gefallen. Mit einer volkswirtschaftlichen Stabilisierung geht im Jahr 2010 keine Stabilisierung der kommunalen Haushalte einher. Für das Jahr 2010 wird mit minus 12 Milliarden Euro das höchste Finanzierungsdefizit der Nachkriegsgeschichte befürchtet.“

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ist das so?)

Das, meine Damen und Herren, ist die Situation der Städte und Gemeinden unseres Landes bundesweit.

Und damit sind wir bei der ersten Unterscheidung, Herr Ritter. Sie suggerieren hier, dass es sich um ein Problem handele, das insbesondere Mecklenburg-Vorpommern trifft.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Nee, das stimmt gar nicht.)

Und dieses ist falsch. Wir haben eine problematische Situation der Kommunalfinanzen in der gesamten Bundesrepublik.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Habe ich erstens gesagt, und zweitens machen wir in Mecklenburg-Vorpommern Politik.)

Ja, Herr Ritter, Sie haben das zwar gesagt, aber ich werde noch Ihren Antrag im Wortlaut lesen dürfen, und der bezieht sich auf Mecklenburg-Vorpommern,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, weil wir hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sind.)

auch wenn zugegebenermaßen bei den Ursachen bundespolitische Effekte genannt werden.

Und jetzt lassen Sie mich auf einige Einzelheiten eingehen, meine Damen und Herren, die vielleicht die Dramatik deutlich machen, und ich darf dabei diesen Bericht zugrunde legen. Bei der Gewerbesteuer (brutto) wird im Jahr 2009 ein Rückgang von bundesweit 18,3 Prozent erwartet.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Aber in Mecklenburg-Vorpommern.)

In den neuen Bundesländern sind dies 14 Prozent. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, und jetzt darf ich noch mal den Bericht zitieren, weil hier auch eine Ursache sehr deutlich genannt wird: „Im Jahr 2010“, so das Zitat, „werden deutliche Einnahmeausfälle in Höhe von ca. 2,5 Prozent aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes erwartet. Im Ergebnis werden die ohnehin rückläufigen Einkommensteuereinnahmen bundesweit im Jahr 2010 mit minus 9,8 Prozent noch stärker zurückgehen als im Jahr 2009 mit minus 7,4 Prozent.“

Also, meine Damen und Herren, die wesentlichen Steuereinnahmen brechen unseren Gemeinden regelrecht weg, unter anderem wegen der krisenhaften Entwicklung unserer Wirtschaft, aber auch wegen steuerrechtlicher Änderungen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und dann nehmen wir die Ausgabenseite. Die sozialen Leistungen werden im Jahr 2010

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen Punkt 3 unseres Antrags.)

die 40-Milliarden-Euro-Marke deutlich überschreiten. Die Kosten der Unterkunft werden deutlich ansteigen. Und auch andere Komponenten wie die Eingliederungshilfe und insbesondere die Grundsicherung im Alter werden die Ausgabensituation der Kommunen nachdrücklich und nachhaltig belasten.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Und in Mecklenburg-Vorpommern.)

Und deswegen gibt es ganz, ganz große Sorgen für die Zukunft.

Und, Frau Kollegin Schwebs, dieses Thema Grundsicherung im Alter betrifft Mecklenburg-Vorpommern in besonderer Weise, da gebe ich Ihnen recht, aber es betrifft alle neuen Bundesländer in besonderer Weise.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Aber es geht um Mecklenburg-Vorpommern.)

Also, meine Damen und Herren, wir haben allen Grund zur Sorge und wir haben vielleicht auch noch Grund zur Sorge für die nächste Zeit, für die Zukunft. Und hier darf ich Petra Roth, bekanntlich Präsidentin des Deutschen Städtetags, zitieren. Petra Roth, Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, Mitglied der CDU, sagt, wie man aus dieser Misere herauskommt. Und Petra Roth sagt in diesem Bericht: „Soforthilfe sollte der Bund leisten, indem er seine Beteiligung an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose nicht absenkt.“

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Na, das ist ja nur ein Sahnehäubchen, das ist ja nur eine Forderung.)

Das wäre ein erster, ein sehr vernünftiger Schritt, diese Leistungen des Bundes nicht abzusenken.

Und da hier die Reformkommission angesprochen worden ist, die die Bundesregierung eingerichtet hat, auch hierzu darf ich Ihnen ein Zitat von Petra Roth vorlesen: „‚Ziel der Kommission muss es sein, die Finanzlage der Kommunen zu verbessern. Deshalb kritisieren wir entschieden, dass die Gewerbesteuer im Vorfeld der Kommission bereits durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und jetzt aktuell durch weitere Änderungen an der Unternehmenssteuerreform geschwächt wird‘, sagte die Städtetagspräsidentin weiter. Durch diese Gesetze seien jährliche Rückgänge der Gewerbesteuer in Höhe von 1,6 Milliarden Euro zu befürchten.“ Und dann noch einmal ein wörtliches Zitat: „Die wichtigste städtische Steuer darf nicht ausgehöhlt werden.“

Und ich sage dies, meine Damen und Herren, ganz besonders in Richtung der FDP, weil ich vorgestern hier auch eine Auseinandersetzung mit Herrn Roolf hatte, die wir jetzt leider nicht fortsetzen können, weil Herr Roolf heute nicht anwesend sein kann: Aber hier soll sich doch bitte niemand als Retter der Kommunen aufstellen und die Gewerbesteuer abschaffen, wenn die Kommunen sagen, dieses ist exakt der falsche Weg,

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

wir brauchen auch in Zukunft die Gewerbesteuer.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Also, meine Damen und Herren, wir müssen uns in der Tat Sorgen machen, aber wir müssen uns in der Tat Sorgen machen, weil wir Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland haben, die die kommunale Finanzsituation untergraben.

Insofern, Herr Ritter, kann ich zwar dem Wortlaut Ihres Antrags nicht zustimmen, aber uns teilt in gewisser Weise die besorgniserregende Situation.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Die eint uns.)

Wenn ich mir den Punkt 3 Ihres Antrags anschaue, dann halte ich ihn allerdings für nicht ganz sauber formuliert.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Im Punkt 3 sagen Sie, dass Steuersenkungen gestoppt werden müssen. Meine Damen und Herren, ich möchte dem Bund nicht unbedingt vorschreiben, ob er Steuern senkt oder nicht senkt. Das kann ja durchaus einmal eine sinnvolle Maßnahme sein. Ich glaube, wenn wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, dann müsste die Forderung sinnvollerweise heißen, dass den Kommunen bei Steuersenkungen, die die kommunalen Finanzeinnahmen tangieren, ein entsprechender Ausgleich an anderer Stelle gewährt werden müsste. Das wäre eine Forderung, die würde ich sofort unterschreiben.

(Hans Kreher, FDP: Jawohl.)

Das blanke Stoppen halte ich nicht für richtig.

(Hans Kreher, FDP: Ganz genau.)

Aber, meine Damen und Herren, und jetzt kommen wir zum eigentlichen Casus knacksus, sind dieser Punkt 1 die Sorgen des Herrn Ritter oder der Punkt 3 eigentlich des Pudels Kern? Natürlich nicht. Punkt 1 und Punkt 3 sind der schöne Rahmen, auch vom Antragsaufbau der schöne Rahmen für das, was hier eigentlich gewollt ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Schick gemacht.)

Und das ist die populistische Forderung: Leute, 50 Millionen mehr für die Kommunen! Das ist einfach, und ich sage auch – und ich sage das ganz bewusst, Herr Ritter –, das ist billig, das ist populär, das ist populistisch.

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Aber das hat mit einer soliden Haushaltsdiskussion nichts zu tun. Die Solidität der Diskussion verlassen Sie schon, wenn Sie hier polemisch die Zahl von 400 Millionen, ich runde jetzt, von 400 Millionen Überschuss in die Diskussion hineinbringen. Sie wissen ganz genau – und Frau Schwebs weiß es mindestens genauso gut – und alle anderen, die so etwas lesen und lesen können, wissen ganz genau, diese 400 Millionen, die stehen auf dem Papier. Und wenn schon eine dreistellige Summe aus diesem Betrag uns zwar im Moment zugeflossen ist, aber als Überzahlung, und zurückzuführen ist, und dieses noch in diesem Frühjahr geschieht, meine Damen und Herren, dann können wir die ehrlicherweise gar nicht dazurechnen. Und wenn wir wissen, dass mehr als 200 Millionen dieses Betrages im Doppelhaushalt 2010/2011 längst einnahmeseitig verbucht worden sind, weil man dieses so erwartet hat, dann kann man die doch hier nicht als freie Spielmasse verkaufen, aus der man einfach hier schöne Geschenke verteilen könnte. Das, Herr Kollege Ritter, ist unredlich, und das ist kein sauberer Stil.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, na!)

Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns mal über das reden, was dann wirklich noch tatsächlich übrig bleibt, und da schlägt die Landesregierung vor, dieses den Rücklagen zuzuführen. Ich glaube oder, ich sage besser, ich befürchte, das Land wird es im Jahr 2011 ganz, ganz bitter brauchen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Man denke, es geht aufwärts.)

um nicht 2011 erneut vor die Notwendigkeit gestellt zu sein,

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)