Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da sind sie wieder, die Zauberwörter „Deregulierung“ und „Bürokratieabbau“. Heute reden wir bereits über einen Vierten Gesetzentwurf zu diesem Thema im Landtag. SPD und PDS hatten vor ziemlich genau fünf Jahren den Ersten Gesetzentwurf zu dieser Thematik in den Landtag eingebracht. Seinerzeit ging es um die Testregion für Deregulierung in Westmecklenburg und die Absenkung von Standards, die Streichung von Mitwirkungsregelungen sowie die Aufhebung einer Reihe von Rechtsvorschriften.
Auch die jetzige Koalition hat sich natürlich Deregulierung und Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben. Das allein reicht aber nicht aus. Entscheidend ist, was am Ende gemacht wird, und ich füge hinzu, wann was gemacht wird, Herr Minister. Nicht immer muss man sich so viel Zeit nehmen, um etwas Gutes voranzubringen.
Schaue ich mir den vorliegenden Gesetzentwurf an, kann ich nur feststellen, so richtig Druck ist nicht auf dem Kessel in dieser Koalition. Rot-Schwarz lässt in den Bemühungen der Vorgängerregierungen sichtbar nach.
Ob das an den zahlreichen Auslandsreisen der Ministerinnen und Minister liegt, kann ich nicht beurteilen.
Wie soll man sich bei all diesen Reisen und Zänkereien noch um Deregulierung und Bürokratieabbau kümmern können?! Alles ist gut vorstellbar. Sicher weiß ich jedoch, dass großspurige Ankündigungen und tatsächliches Handeln von Rot-Schwarz weit auseinanderklaffen.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die Schwerpunkte des Gesetzentwurfes – der Innenminister hat das ja gerade noch mal dargestellt – auf dem Innenbereich und dem Bereich des Verkehrsministers liegen, möchte ich das an einigen anderen Beispielen dann doch noch einmal verdeutlichen.
Nehmen wir etwa den Geschäftsbereich des Bildungsministers. Im Gesetzentwurf selbst finden wir dazu gar nichts, also keine Deregulierung, kein Bürokratieabbau
Und der Innenminister wird sich sicherlich genauso daran erinnern wie ich. Zu Beginn dieser Legislaturperiode gab sich der Bildungsminister nämlich gern als Vorreiter aller Deregulierung und Entbürokratisierung in unserem Land. So rief er im November 2006 die Schulen unseres Landes auf, Erlasse und Verordnungen zu benennen, die aus ihrer Sicht überflüssig seien. Dafür wurde auf der Internetseite des Bildungsministeriums extra ein Link geschaltet, auf dem diese Vorschläge dokumentiert werden konnten. Im Februar 2007 hatten sich 84 Schulen beteiligt und Vorschläge für 50 Themenbereiche benannt.
In seiner Presseerklärung vom 14. Februar 2007 versprach der Bildungsminister, ich zitiere: „Diese Anregungen werden derzeit in der Schulabteilung ausgewertet und bereits nach den Winterferien sollen die ersten Deregulierungsmaßnahmen bekannt gegeben werden.“ Ende des Zitats. Bis hierhin herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Andreas Bluhm aber vom 18. Februar 2008 schrumpften die vollmundigen Ankündigungen dann auf zwei, ich wiederhole, zwei Verordnungen zusammen. Der Rest sollte dann immerhin im neuen Schulgesetz erledigt werden. Das ist dann schon nicht mehr so toll. Im neuen Schulgesetz dann aber hat sich die Anzahl der Verordnungsermächtigungen nicht etwa verringert. Nein, oh Wunder, die Verordnungsermächtigungen stiegen von 23 auf 27!
Und sieht man sich die Einzelpunkte der Verordnungsermächtigung an, so sind sie von 73 auf jetzt 93 gestiegen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, nenne ich wirklich eine tolle Deregulierung und Bürokratieabbau. Und an dieser Stelle müssten eigentlich die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion ihren ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Eckhardt Rehberg zitieren: „Versprochen – gebrochen!“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber auch andere Mitglieder der Regierung, die beim Thema Deregulierung und Bürokratieabbau nicht gerade zügig arbeiten, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
warum DIE LINKE sich immer nur mit der CDU auseinandersetzt, was natürlich gar nicht stimmt, nehme ich einmal den Geschäftsbereich meines geschätzten Kollegen Herrn Schlotmann heraus, auch wenn er gerade auf einer wichtigen Messe in Russland weilt.
Ich stell die Frage, Herr Minister: Was machen Sie da eigentlich oder, besser gesagt, was haben Sie gerade
nicht gemacht? Sie streichen die 7-Jahres-Frist im Baugesetzbuchausführungsgesetz. Die Umwandlung von bislang landwirtschaftlich genutzten Gebäuden im Außenbereich soll an keine Frist mehr gebunden sein – völlig zu Recht. Das Problem ist aber ein anderes: In Mecklenburg-Vorpommern galt die Aussetzung der 7-Jahres-Frist bereits, galt bis zum 31. Dezember 2008.
Nicht ohne Grund fragte mein Kollege Professor Tack bereits im Juni 2008 nach, ob die bewährte Aussetzung der Frist nicht entfristet werden könne. Und der Amtsvorgänger von Herrn Schlotmann, Herr Dr. Ebnet, entgegnete, dass aufgrund des anhaltenden Strukturwandels in der Landwirtschaft die Frist weiterhin ausgesetzt werden müsse. Nun soll sie ganz gestrichen werden, allerdings erst heute.
Und ich frage den Herrn Minister Schlotmann, was denn seit 2009 bis heute im Land los war. Gab es plötzlich keinen Bedarf mehr an der Umnutzung ehemaliger landwirtschaftlich genutzter Gebäude im Außenbereich? Nein, natürlich nicht. Nur die Regierung hat es wieder mal nicht geschafft, rechtzeitig zu handeln. Es ist also richtig, dass die Landesregierung wieder einmal geschlafen hat.
Und apropos Schlafen: Dass der Innenminister uns das sogenannte kommunale Standarderprobungsgesetz, den Schwerpunktartikel des Gesetzentwurfes, heute erst darstellt, ist auch Ausdruck dieser – nun, sagen wir es vorsichtig – eingeschränkten Handlungsfähigkeit dieser Regierung. Wir werden Näheres im Innenausschuss beraten müssen. Eines möchte ich aber bereits heute verwundert feststellen: Der Vorläufer des Gesetzentwurfes, das Standardöffnungsgesetz, ist nicht mehr, aus und vorbei, seit Ende des letzten Jahres außer Kraft getreten.
Seit über einem Quartal können also Gemeinden, Ämter, Landkreise oder Zweckverbände von Hiddensee bis Penkun sich nicht mehr von gewissen Standards befreien lassen, wenn sie es denn möchten. Ursprünglich,
ursprünglich, egal ob zehn oder elf, das Gesetz ist außer Kraft, und ursprünglich, lieber Kollege Ringguth, wollte der Innenminister daher einen Gesetzentwurf im Herbst 2009 in den Landtag einbringen, nach seinen eigenen Aussagen. Daraus wurde bekanntlich nichts. Als Grund der Verschiebung wurden Streitigkeiten mit dem Justizministerium genannt. Die hätten am Gesetzentwurf rumgemäkelt, von anfänglich schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken war da die Rede, so zumindest unsere Information.
Sehr geehrte Frau Justizministerin, an dieser Stelle kann ich Sie nur ermuntern, sich nicht von Herrn Caffier einschüchtern zu lassen.
Ruhig immer schön kritisch sein und genau hinsehen, vor allen Dingen jedoch bei der Verwaltungsreform, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn ich kenne einen Justizminister, der schon einmal sagte, alles verfassungsrechtlich okay, und am Ende … Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein anderes Thema. Insofern freue ich mich auf die Debatte im Innenausschuss. – Danke schön.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Da kommen wir nachher noch hin.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Antwort auf die Ausführungen des Kollegen Ritter fällt mir eigentlich nur der schlichte Satz ein: Ja, ist denn schon Wahlkampf? Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, lieber Kollege,
war eigentlich weniger ein Beitrag zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema „Normen und Standards“ als vielmehr ein ziemlich danebengegangener Versuch, die Regierung hier als Schlafmützentruppe hinzustellen.