Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

„Intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, das sind Schlagwörter aus dem Papier, mit dem die EU-Kommission die Nachfolge der Lissabon-Strategie bestreiten will. Und vieles von dem, was man da liest, hört sich gut an, wie ich finde,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Wachstum der Schulden ohne Ende. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und hat auch gute Ansätze.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Gute Ansätze!)

Dennoch muss man sich die Frage stellen, und insbesondere wir: Ist es gut für uns als landwirtschaftlich geprägtes Bundesland, dass die gemeinsame Agrarpolitik kaum vorkommt in dem Strategiepapier? Ist es gut, dass wir kaum Zeit haben, den Ansatz der Kommission zu diskutieren, bevor er im Sommer beschlossen werden soll? Und ist es gut, wenn die EU uns so konkrete Vorgaben macht? Und wollen wir der EU weitreichende Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf die Umsetzung der Zielvorgaben zugestehen? Oder, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir – hier möchte ich nur das Stichwort „Griechenland“ nennen – noch weiter reichende europäische Kontrollmöglichkeiten?

Das sind einige Fragen, die sich in diesem Zusammenhang nicht nur die Landesregierung, sondern auch

gerade wir als Landtag stellen sollten. Diese Fragen, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, sind auch der Hintergrund des vor Ihnen liegenden Antrages auf der Drucksache 5/3383. Mit dem Antrag wollen wir erreichen, dass der Europa- und Rechtsausschuss den Auftrag bekommt, für den Landtag eine Stellungnahme zur Strategie EUROPA 2020 zu erarbeiten, die dann den zuständigen Organen zugeleitet werden soll.

Es ist ein Antrag der Koalitionsfraktionen, wie Sie dem Antrag entnehmen können. Dennoch will ich hier ganz klar sagen, dass dieser Antrag auf einer Vereinbarung im Europa- und Rechtsausschuss beruht. Wir haben uns mit den demokratischen Fraktionen verständigt, einen solchen Antrag hier einzubringen. Die Alternative wäre gewesen, bereits in dieser Sitzung hier einen inhaltlichen Antrag zu EUROPA 2020 aufzusetzen. Da das zeitlich natürlich ganz schwierig geworden wäre, haben wir uns ganz bewusst dagegen und bewusst genau für diesen Auftrag entschieden,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na ja!)

denn wir wollten Raum für eine vorgeschaltete politische Diskussion des Strategieentwurfs.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie konnten sich wohl nicht einigen. Geben Sie es zu! – Peter Ritter, DIE LINKE: Der Zeitdruck bleibt.)

Wir wollen Raum lassen auch für die Beteiligung der Fachausschüsse.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich habe bereits im Vorfeld die Vorsitzenden der Ausschüsse informiert und um Mitarbeit gebeten. Wir wollen Raum lassen für die Beteiligung, Frau Kollegin Borchardt, Herr Ritter, für die parlamentarische Opposition. Gleichwohl, das gebe ich zu, ist die Zeit knapp. Wir müssen vor Pfingsten eine Stellungnahme fertig haben.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Dass die Zeit so knapp ist, dass wir einen Ausschuss beauftragen müssen, eine Stellungnahme für den Landtag insgesamt zu erarbeiten, das hat mit der zeitlichen Vorgabe zu tun, die uns die EU vorgibt.

Ich möchte schon jetzt die Landtagspräsidentin bitten, die in den nächsten Wochen zu erarbeitende Stellungnahme dann über unser Informationsbüro des Landes in Brüssel direkt dem Europäischen Rat und über die Landesregierung der Bundesregierung die entsprechende Stellungnahme zuzuleiten, denn eine Beschlussfassung erst in der nächsten Landtagssitzung käme zu spät. Daher haben wir den Antrag so formuliert. Wir erreichen den nächsten Europäischen Rat nur, wenn unsere Stellungnahme, wie bereits gesagt, vor Pfingsten fertiggestellt wird.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich zitiere aus der Strategie: „Europa durchlebt einen Moment des Wandels.“ Die Finanz- und Wirtschaftskrise „hat Jahre des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts zunichte gemacht und die strukturellen Schwächen der europäischen Wirtschaft aufgedeckt.“ Zitatende.

Derzeit, das kam hier schon in einigen Zwischenrufen zum Ausdruck, machen die Nachrichten und die anstehenden Entscheidungen gerade rund um Griechenland sehr deutlich,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

dass die Krise noch nicht zu Ende ist.

(Michael Andrejewski, NPD: Noch nicht ganz. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Und ich sage, gerade deshalb brauchen wir eine Strategie,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber nicht die.)

wie wir gemeinsam die Ziele und die Zukunft Europas gestalten können.

(Michael Andrejewski, NPD: Paar Milliarden brauchen wir auch.)

Daher begrüße ich vom Grundsatz her die Idee, einen Nachfolger für die Lissabon-Strategie zu entwickeln.

Eins muss uns klar sein, ich habe schon darauf hingewiesen:

(Gino Leonhard, FDP: Erst mal umsetzen und dann darüber reden.)

Die Strategien von heute sind die Gesetze von morgen.

(Gino Leonhard, FDP: Erst mal umsetzen!)

Wenn im Sommer im Europäischen Rat die Staats- und Regierungschefs

(Udo Pastörs, NPD: Oh Mann, ist das ein Gesabbel wieder hier!)

dem Entwurf der Kommission zustimmen werden, ist damit ein Rahmen gesetzt, der durch konkrete Rechtsakte ausgefüllt werden wird,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

und wir haben dann hier mit der Umsetzung zu tun. Daher sollten wir die Chance nutzen und die Stellungnahme abgeben zu dem Entwurf der Strategie EUROPA 2020.

Und eins ist doch ganz klar: Die zu erarbeitende Stellungnahme ist gleichwohl ein Anfang, ein erster Schritt. Wir werden das Thema weiter aktiv begleiten und bearbeiten müssen. Wir, und da spreche ich für die antragstellenden Fraktionen, sind jedenfalls dazu bereit. Ich denke, da spreche ich als Vorsitzender des Europa- und Rechtsausschusses, auch der Ausschuss, die demokratischen Fraktionen im Ausschuss sind dazu bereit.

Ich bin schon sehr gespannt, was uns die Landesregierung hier heute zu dem Thema vortragen wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, das hält sich in Grenzen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, früher galt bekanntlich, dass manche Entwicklungen unser Land erst 50 Jahre später erreichen als den Rest Deutschlands.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sie erinnern sich an das bekannte Bismarck-Zitat. Heute gilt das jedenfalls mit Bezug auf EUROPA 2020 nicht. Da sind wir ganz vorne mit dabei. Wenn ich richtig informiert bin, war nur ein Landtag schneller, der das Thema bereits im März mit seiner Landesregierung im Plenum diskutiert hat. Ich denke, wir können auch hier mit einem guten zweiten Platz zufrieden sein.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Jetzt ist es an uns, hieraus etwas zu machen. Deshalb möchte ich Sie im Namen der Antragsteller zunächst um Ihre Zustimmung und dann um Ihre Mitwirkung bei der Erarbeitung Ihrer und unserer Stellungnahme bitten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Müller.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Finanzministerin in Vertretung des Ministerpräsidenten. Bitte, Frau Polzin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir alle wissen, dass viele Herausforderungen und Probleme heute nur noch gemeinschaftlich in der Europäischen Union gelöst werden können.

(Udo Pastörs, NPD: Und Deutschland zahlt.)

Einzelne Nationalstaaten oder gar Regionen in Europa haben in vielen Bereichen